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1.7 Anforderungen des Handlungskonzepts Sozialraumorientierung
ОглавлениеUm eine Orientierungshilfe zur Klärung der fachlichen Anforderungen, Aufgaben und Arbeitsweisen erstellen zu können, bedarf es der Klärung des Auftrages für den Einsatz professioneller Sozialer Arbeit nach dem Handlungskonzept SRO. Daraus ergibt sich der konzeptionelle Rahmen der spezifischen Aufgabenstellung des jeweiligen Handlungsfeldes.
Der Auftrag zu professionellem Handeln ergibt sich für Soziale Arbeit zunächst aus dem in den vorigen Abschnitten bereits benannten und diskutierten disziplinären Gegenstand Sozialer Arbeit: der Vermeidung, Verminderung und Bewältigung sozialer Probleme (Engelke 2004). Aus dem Verständnis sozialer Probleme ergibt sich sowohl ein prospektiv-präventiver Auftrag, im Sinne der Förderung von sozialem Wandel, als auch ein eher reaktiv-korrektiver Auftrag, im Sinne der Veränderung von gesellschaftlich als unerwünscht geltender Zustände.
Im Rahmen des prospektiv-präventiven Auftrags geht es darum, sozialen Wandel insofern zu fördern, als die Lebens- und Handlungsbedingungen von Menschen so gestaltet oder verändert werden, dass diese gleiche Zugangschancen zu gesellschaftlich als wertvoll geltenden Gütern erhalten.
Der im Rahmen der Bewältigung sozialer Probleme eher reaktiv-korrektive Auftrag Sozialer Arbeit ist mit der Veränderung gesellschaftlich als unerwünscht geltender Zustände verbunden und zielt vorwiegend auf die Beseitigung sozialer Benachteiligung. Menschen gelten als sozial benachteiligt, wenn ihr Zugang zu gesellschaftlich als wertvoll geltenden Gütern aufgrund ihrer Stellung in gesellschaftlichen Beziehungsgeflechten regelmäßig eingeschränkt ist. Beurteilung und Bewertung sozialer Benachteiligung kann an den von Hradil (1999) beschriebenen Dimensionen sozialer Ungleichheit orientiert und betrachtet werden. Die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Einflussfaktoren/Determinanten und deren Auswirkungen in den Dimensionen sozialer Ungleichheit sind in Becker (2016: Kap. 6) zusammenfassend beschrieben.
Weil soziale Probleme aus sozialen Prozessen der Vergesellschaftung unter Menschen durch kollektive Problemkonstitution zur Veränderung eines als unerwünscht erklärten gesellschaftlichen (Störungs-)Zustandes hervorgehen (Albrecht/Groenemeyer 2012), bedarf es zur Bearbeitung sozialer Probleme eines gesellschaftlichen Auftrags (Mandat). Ein solcher gesellschaftlicher Auftrag kann im Rahmen eines Staatswesens, z. B. durch Erlass eines Gesetzes, erteilt werden, in dessen Folge Einsatz und Finanzierung fachlicher Interventionen Sozialer Arbeit in Form von Einrichtungen oder Dienstleistungen und Maßnahmen per Verordnungen oder Durchführungsbestimmungen geregelt und festgelegt werden können. Solch einer Beauftragung durch Gesetzeskraft geht in der Regel ein sozialer Prozess der Konstitution eines sozialen Problems voraus, in dessen Verlauf beteiligte Akteure (Betroffene, Fachleute, Medien, politische Parteien, zivilgesellschaftliche Institutionen etc.) staatliches Handeln zur Bearbeitung eines (an-)erkannten sozialen Problems einfordern und eine politische Entscheidung dazu herbeiführen (»Gesellschaftsmandat«). Je nach Verfassung des Staatswesens und gesetzlicher Ausgestaltung können unterschiedliche Behörden (»Ressortzuständigkeit«9) Gebietskörperschaften10 (»Dezentralisierung«) oder auch freie Träger (»Subsidiaritätsprinzip«) einen Handlungsauftrag zur Bearbeitung des konstituierten sozialen Problems erhalten (»Leistungsvereinbarung«). Diese Organisationen können sodann im Rahmen ihrer Selbstverwaltungskompetenz die Ausgestaltung des Auftrages durch Stellen- und Aufgabenbeschreibungen konkretisieren und beeinflussen (»Organisationsmandat«). Die Fachkräfte Sozialer Arbeit werden auf der Grundlage solcher Stellen- und Aufgabenbeschreibungen tätig und können, je nach deren Konkretisierungsgrad, ihr Handeln planen und gestalten. Dabei orientiert sich ihr professionelles Handeln an den durch ihre Ausbildung (Studium) vermittelten und durch Fach- (z. B. DGSA11) und Berufsorganisationen Sozialer Arbeit (z. B. DBSH12) beschriebenen Standards, dem fachlichen »State oft the Art« (»Professionsmandat«) und den individuellen Haltungen und Überzeugungen sowie persönlichen Erfahrungen und Kompetenzen der Fachkräfte Sozialer Arbeit (»Selbstmandat«). In der konkreten Arbeit mit dem »Klientel« stoßen Fachkräfte Sozialer Arbeit wiederum auf Deutungen sozialer Probleme, Interessen, Motive und Vorstellungen über Bewältigungsoptionen und -maßnahmen der Betroffenen, die ebenfalls als Handlungsaufträge verstanden werden können (»Bürger*innenmandat«). Die im Rahmen des vorliegenden Handbuches zu beschreibende Ausgestaltung des Handlungskonzepts SRO bezieht sich auf professionelle Soziale Arbeit (nach o. g. Verständnis) im jeweiligen Handlungsfeld.
Zwar finden möglicherweise einzelne der in diesem Band aufgeführten Aufgaben und Tätigkeiten auch im Rahmen sozialraumorientierter Arbeit in anderen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit Anwendung, sie sind in Art und Umfang allerdings nicht unmittelbar übertragbar, denn die einzelnen Tätigkeiten ergänzen sich innerhalb des Handlungsfeld spezifischen Aufgabenspektrums und erzeugen damit Synergieeffekte, die bei isolierter Anwendung im Rahmen eines anderen Handlungsfeldes nicht entstehen. So kann bspw. eine Gemeinwesenarbeiter*in für ihre Tätigkeit als Moderator*in eines Beteiligungsgremiums auf eine Vertrauensbasis zu den beteiligten Bewohner*innen zurückgreifen, die auf ihre kontinuierliche aufsuchende Arbeit, z. B. durch »Streetwork« und viele persönliche Gespräche, die sie dabei mit Menschen aus der Bevölkerung geführt hat, zurückzuführen ist. Auf solche Vorarbeit kann z. B. eine vorwiegend mit Methoden der Einzelfallhilfe arbeitende Bewährungshelfer*in, die aktuell ein Gremium von Bürger*innen zur kommunalen Kriminalitätsprävention zu moderieren hat, nicht ohne weiteres bauen.
Auf die grundsätzliche Mandatierung zum Einsatz Sozialer Arbeit wurde oben bereits eingegangen. Die konkreten Bedingungen und Ausgestaltungen der unterschiedlichen Mandatierung bzw. Auftragsstellung Sozialer Arbeit im jeweiligen Handlungsfeld werden von den Autor*innen in ihren jeweiligen Beiträgen in diesem Handbuch ausgeführt. Diese können sich auf geltende rechtliche Grundlagen, die Einordnung von Pflichtleistungen und sog. »freiwilligen Leistungen«, die Finanzierung sowie die Spezifika der jeweiligen Adressat*innen und die Ausgestaltung der zum Einsatz kommenden Methoden und Techniken professioneller Arbeit beziehen.