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1.6.2 Perspektivenwechsel sozialraumorientierter Sozialer Arbeit

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Die Bearbeitung komplexer Zusammenhänge bedingt und erfordert ganzheitliche Herangehensweisen unter Berücksichtigung menschlicher Verhaltensdispositionen und Entscheidungen, ebenso wie deren gesellschaftlicher (Rahmen-)Bedingungen. Die Qualität sozialer, verkehrlicher und ökonomischer Infrastruktur am Lebens- und Wohnort wird für Menschen immer wichtiger, auch wenn sie bislang keine Adressat*innen Sozialer Arbeit waren oder sind. So bezieht sich das Handlungskonzept SRO nicht nur auf die Beseitigung sozialer Missstände in bestimmten Gebieten mit höheren Konzentrationen benachteiligter Menschen, sondern sieht die Verantwortung zur Bewältigung sozialer Probleme bei der gesamten Gesellschaft, sucht Ressourcen auch da, wo diese am umfänglichsten und häufigsten vorhanden sind, und versucht diese zur Verringerung der Belastungen dort einzusetzen, wo sie am ehesten gebraucht werden. Ganzheitliche und nachhaltige Entwicklung menschlicher Lebensräume und -verhältnisse bedarf der gleichwertigen Betrachtung und Beachtung sozialer, ökonomischer und ökologischer Ziele, was durch eine sozialräumliche Perspektive gefördert werden kann. Interdisziplinäre Kooperation, institutionelle Vernetzung und gemeinsame Ressourcennutzung sind hierfür notwendige Bedingungen und scheinen sich, wo bislang praktiziert, zu bewähren.

Innerhalb der ausdifferenzierten Handlungsfelder Sozialer Arbeit arbeiten im Idealfall Sozialarbeiter*innen, Verwaltungsfachkräfte und Angehörige weiterer Professionen im Rahmen integrierter Handlungskonzepte beim Aufbau von Strukturen und der Gestaltung von Prozessen zusammen, um ihren jeweiligen Adressat*innen ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben in ihrem sozialen und räumlichen Umfeld zu ermöglichen. Gelegentlich werden Fachkräfte und Bevölkerung durch einschlägige Europa-, Bundes- und Länderprogramme oder Stiftungsförderungen, die integrierte Handlungskonzepte befördern sollen, darin unterstützt, ganzheitliche und nachhaltige Entwicklungen in den Blick zu nehmen. Nachhaltige Entwicklungen sind allerdings nicht mit befristeten, Projekt finanzierten Maßnahmen zu erreichen. Für die Bewältigung der vielschichtigen sozialen Probleme braucht es qualitätssichernde Bedingungen, verlässliche und dauerhafte Finanzierungen und standardisierte Maßnahmen auf der Basis plausibler Konzepte.

Wegen der Veränderungen des vormals korporatistischen hin zum eher wettbewerbsorientierten Wohlfahrtsstaat sind im Hinblick auf die verschärfte Konkurrenzsituation unter den »Leistungserbringern« gerade die Finanzierungsfragen sozialräumlicher Konzepte Sozialer Arbeit derzeit noch weitgehend ungelöst und bedürfen daher der Klärung. Dazu zählen insbesondere die Finanzierungsmöglichkeiten fallübergreifender und fallunspezifischer Arbeit (Budde u. a. 2006). Hierzu bedarf es der Entwicklung und Umsetzung von Ideen und Modellen sozialraumorientierter Arbeitsgestaltung in den diversen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit und deren gesetzlicher Verankerung.

Mit dem Handlungskonzept SRO sind durchaus auch Anforderungen bzgl. Berufsrollen, Kompetenzen und Aufgaben verbunden. SRO bringt – wie oben erwähnt – in Ergänzung zu individueller Fallorientierung die Kombination funktionaler (Themenbezug: z. B. Behinderung, Wohnen, Arbeitslosigkeit etc.) mit kategorialen (Adressat*innenbezug: junge/alte, weibliche/männliche Menschen etc.) und territorialen Zuständigkeitsbereichen mit sich. Für interdisziplinäre Zusammenarbeit und selbstbewusstes Auftreten auf den unterschiedlichen politischen Ebenen sind sowohl Kenntnisse als auch Verständnis disziplinärer Kulturen und Fachsprachen erforderlich. Um sowohl mit Vertreter*innen staatlicher, ökonomischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen als auch mit Menschen unterschiedlicher Milieus gedeihliche Arbeitsbeziehungen gestalten zu können, braucht es entsprechende Empathie und Rollenvielfalt. Dies und noch einiges mehr an Kompetenzen sowie eine reflektierte und professionelle Haltung gehören zu den Anforderungen an Fachkräfte Sozialer Arbeit, die nach dem Handlungskonzept SRO arbeiten möchten.

Handbuch Sozialraumorientierung

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