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Kanonische Provokationen

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In einem 2015 erschienen Artikel „Research in a Post-Normal World“ beschreiben Peter O’Connor und Michael Anderson – beide Professoren für Education and Social Work an den respektiven Universitäten in Auckland und Sydney – ‚Applied Theatre‘ als eine Möglichkeit, dem Business Model ‚Forschung‘ in einer neo-liberalen Akademie, eine kritische Alternative entgegen zu setzen:

[Research as business] is cut-throat, competitive and often self-serving. It is an outcome of a neo-liberal business and market model imposed on universities, one which celebrates the individual at the expense of the collective, with highly attuned accountability measures based often on the likelihood of how the research will benefit both the university and the researcher.1

Aber:

If the world cannot be reduced to numbers or words alone, arts-based research challenges traditional research’s demand for validation and verification. It rejects the notion of singular truths or clear answers, instead searching for contrasting nuances, revealing ambiguities and complex multiple truths.2

O’Connor und Anderson machen hier etwas deutlich, was uns etwa im Konzept der ‚Lecture Performance‘ geläufig ist. Wenn man hier auf der methodischen Ebene bleibt, dann gibt es einen zweiten engeren ‚wissenschaftspolitischen‘ Aspekt. Praxis kann uns Wissenschaftler*innen helfen, die Forschung, welche der Prozesse von Kanonisierung und De-Kanonisierung von Methoden, Theorien und Paradigmen bedarf, weiterzuentwickeln. Uwe Wirth hat richtig festgestellt, dass wissenschaftliche Forschung von einem Wechselspiel zwischen Kanonisierung und De-Kanonisierung von Methoden, Theorien und Paradigmen abhängt. Er sieht einen notwendigen produktiven Austausch zwischen einem ‚professionellen‘ und einem ‚dilettantischen‘ Modus am Werk für die Entwicklung von ‚neuem Denken‘ und neuen Forschungsergebnissen. Dementsprechend kann eine nicht-professionelle Theaterpraxis im Rahmen akademischer Theaterforschung als eine Möglichkeit betrachtet werden, in einem nicht-normativen, einem ‚dilettantischen Modus‘ zu operieren:

Während das professionelle Dispositiv darauf abzielt, die Parzellierung [von ‚wildem Außen‘] zu legitimieren, weshalb gesteigerter Wert auf Akte der ‚Grenzziehung‘ und der Grenzüberwachung gelegt werden, zielt das dilettantische Dispositiv auf eine Öffnung des epistemischen Raumes – der Akzent liegt darauf, sich in einem noch nicht von Grenzen definierten Raum zu bewegen, bestehende Grenzen zu ignorieren oder aber bestehende Grenzen zu verschieben. Mit anderen Worten: es dominiert die Denkweise der frontier, des noch unerschlossenen Wissensraums, in dem es noch keine ausgebauten Wege des Wissens gibt. Man bewegt sich vielmehr ‚Querfeldein‘.3

Nach Wirth profitiert die Forschung vom dilettantischen Modus besonders, wenn die „Denkweise der frontier“ mit theoretischen und konzeptionellen Rahmen der akademischen Forschung interagiert. In diesem Sinne bietet uns die performative Praxis nicht nur eine neue, beunruhigende Erfahrung, sondern wirkt zurück auf wissenschaftliche Episteme, und erlaubt uns daher die Modi des Denkens und Forschens zu erweitern. So kann Theaterpraxis im Rahmen der akademischen Theaterforschung die ‚dilettantische‘ Flanke unserer Wissenschaft produktiv offenhalten. Die Theaterhistoriographie kann sich mit Theaterpraxis sozusagen ins Offene hineinbewegen.

Methoden der Theaterwissenschaft

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