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3) Theaterhistorisches Modell vs. Diversität der Szenischen Angebote
ОглавлениеWie bereits angesprochen, ist es nicht das Ziel einer praxeologischen Theaterhistoriographie Modelle von historischer Theaterpraxis zu erzeugen, vielmehr interagiert sie mit aktuell vollzogener Praxis als eine mögliche historische Deutung unter vielen. In Bezug auf heutige Kunst und Kultur erkennen wir eine große Bandbreite an szenischen Ereignissen als theatrale Praxen an. Wenn wir aber zurückschauen in die Geschichte, dann tendieren wir dazu, ein ideales Modell zu suchen. Wir stellen etwa fest, barocke Theaterpraxis hat diese und jene Aspekte und Elemente. Wenn man dann aber genauer in die Aufführungspraxis hineinschaut und auch in die überlieferten Partituren und Quellen, dann stellt man fest: Vieles passt in die geprägte historiographische Formel vom Barocktheater gar nicht hinein. Es wäre nun möglich, dies als historische Abweichung zu denunzieren, vielleicht sogar ganz aus dem Definitionsbereich von barockem Theater herauszunehmen, um das Modell zu retten. Oder man geht den umgekehrten Weg und erkennt an, dass das Modell sich notwendig bis zur Unkenntlichkeit ausdifferenzieren muss. Dies erscheint adäquat, zumal gerade das 18. Jahrhundert keineswegs mit einer fixierten literarischen Werkkategorie operierte.
Das praktische historisierende Theaterprojekt kann hier ein Angebot sein, mit der differenzierten historischen Praxis umzugehen und das Denken in Abweichung und Norm zugunsten von Vielfalt und Ausdifferenzierung abzulegen. Dennoch muss man sich bewusstmachen, dass auch die historisierende Aufführung in der Gefahr steht, wiederum ein Modell zu generieren. Die Theater-Produktion wird schnell als Modell aufgenommen und kommodifiziert. Das oben beschriebene Pygmalion-Projekt geht gerade diesen Weg. Die Produktion wird immer wieder als Lehrmittel und als Performance im Kontext von Studienprogrammen, Konferenzen, Early Music-Festivals u.ä. angefragt. Gerne sehen wir die Strahlkraft unserer Arbeit, die geteilte Faszination am historisierenden Experiment. Und dennoch dürfen wir nicht nachlassen, die diskursive Klammer zu setzen und dieses Produkt unserer praxeologischen Theaterhistoriographie durch Reflexion weiter permanent in Frage zu stellen und quasi durchzustreichen. Nur so kann eine Modell-Bildung unterlaufen werden.