Читать книгу Methoden der Theaterwissenschaft - Группа авторов - Страница 35

Verknüpfung und Vernetzung

Оглавление

Der bereits zitierte Tim Cresswell betont in Hinblick auf Mobilität, dass diese mehr ist als nur der Weg von A nach B.1 Mobilität ist vielmehr als eine soziale und damit relationale Dimension zu verstehen. Dies wird auch in dem gerade angeführten Zitat von Balme und Leonhardt deutlich, bei dem die durch Mobilität entstehenden Verbindungen hervorgehoben werden. Betrachtet man nämlich Auswanderung und Einwanderung – um bei dem Beispiel von Theatermigration zu bleiben – nicht als zwei voneinander getrennte Momente, sondern vielmehr als einen dynamischen, sich gegenseitig bedingenden Prozess, der im biographischen Kontinuum zusammenfällt, da der Aus- und der Einwanderer ein und dieselbe Person sind,2 so wird deutlich, dass Biographien von Theatermigranten grenzüberschreitende Verknüpfungen und Vernetzungen offenlegen. Schließlich, so argumentiert auch Volker Depkat, sind transnationale Biographien in mehreren Räumen angesiedelt und entfalten sich im komplexen Neben- und Miteinander von Herkunfts- und Niederlassungsländern. Sie überschreiten deshalb nationale Grenzen nicht nur, sie verknüpfen vielmehr auch verschiedene Gesellschaften und Kulturen miteinander, die durch diese Grenzen vermeintlich getrennt sind.3

Auf diese Weise regen Migranten nicht nur Verbindungen über geographische Grenzen hinweg, sondern auch multidirektionale Transfer- und Austauschprozesse an und sind an der Bildung von personalen und institutionellen Netzwerken beteiligt. Betrachten wir z.B. den 1844 in Prag geborenen Gustav Amberg, der im Alter von 20 Jahren in die USA auswanderte, so fällt auf, dass dieser als ein solcher wichtiger Vermittler und Netzwerker fungierte. Er managte deutschsprachige Theatergruppen und Theater in Detroit, St. Paul, Cincinnati und seit 1876 in New York. Hier ließ er deutschsprachige Operetten, wie beispielsweise Die Fledermaus von Johann Strauß, deutschsprachige Dramen, aber auch zahlreiche in Europa bekannte Theaterstücke des Naturalismus in ihrer deutschen Übersetzung spielen. Damit jedoch nicht alles; Amberg hat eine Vielzahl an Schauspielern aus dem deutschsprachigen Gebiet in die USA für Gastauftritte engagiert und so das Tourneetheaterbusiness befördert. Sie sowie die Programmauswahl in vom Amberg geführten Häusern waren ein Zuschauermagnet, der schließlich Publika verschiedener Nationalitäten ins Theater lockte, wie Hermann Rothfuss hervorhebt:

It must have been a glorious time for German theatre goers in New York – and not only for them, for it was estimated that thirty to forty percent of the people attending Amberg’s offerings were of non-German background.4

Amberg schaffte es also, nicht nur Verbindungen zwischen den deutschsprachigen Ländern in Europa und den in den USA lebenden deutschen Emigranten herzustellen. Indem sein Theater auch von Zuschauern anderer Nationalitäten besucht wurde, indem US-Amerikanische Zeitschriften über die Aufführungen in Ambergs Theatern berichteten, erschuf er einerseits einen transnationalen sozialen Raum und eine kulturelle Kontaktzone, ermöglichte andererseits aber die Popularisierung deutscher Kunst und deutscher Künstler über dem Atlantik. Seine Theater waren oftmals ein Sprungbrett für deutschsprachige Schauspieler, die durch ihre Erfolge am New Yorker Thalia oder am Amberg Theater Einladungen von anderen Häusern in den USA erhielten und größere Gastspielreisen machten. Rekonstruiert man die Verbindungen, die Amberg erschuf, so kommt ein ausgedehntes transnationales Netzwerk zum Vorschein. Ein Netzwerk, dessen Wert die berühmten Shubert Brüder erkannten, als sie Amberg – nach der Aufgabe seiner Tätigkeit als Theatermanager – als Agenten engagierten.5 Für sie zog er zurück nach Europa, wo er den Theatermarkt nach Kassenschlagern für die USA studierte und mit Verlegern Rechte und Verträge aushandelte, wie die folgende Korrespondenz veranschaulicht:

Abb. 1:

Korrespondenz Shubert-Amberg, Shubert Archive New York.

Der biographische Ansatz ermöglicht es also, Prozesse der Verknüpfungen und Vernetzungen auf einer Mikroebene aufzudecken und so Funktionsweisen der Theaterpraxis wie auch ihre Netzwerke freizulegen. So beschreibt Marlies Schweitzer, die Auswirkungen der Mobilität um den Jahrhundertwechsel resümierend, als die Etablierung einer transnationalen Theaterkultur:

By 1910, many of the plays, performers, songs, and costumes that filled commercial theatres in New York were similar to if not identical to those filling commercial theatres in London, Paris, Berlin, Budapest, Vienna, Leipzig, Sydney, Melbourne, Cape Town, and Calcutta.6

Methoden der Theaterwissenschaft

Подняться наверх