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»Unmöglicher Friede – unwahrscheinlicher Krieg«
ОглавлениеMit der Erfindung der Atombombe, die zum ersten und einzigen Mal 1945 von den Vereinigten Staaten in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt wurde, treten deutlich die Verantwortlichkeit, die dem Politischen im militärischen Bereich zufällt, sowie die soziale Tragweite der technologischen Rüstungsinnovation hervor.
Zugleich markiert sie einen Bruch in der Geschichte des strategischen Denkens. Die Anfänge der Strategischen Studien im heutigen Sinne reichen zu den großen Denkern der Nuklearstrategie wie Thomas Schelling, Albert Wohlstetter und Bernard Brodie zurück. Letzterer veröffentlichte 1946 ein Werk mit dem vielsagenden Titel The Absolute Weapon. Die Atombombe ist »absolut« in dem Sinne, dass sie ihrem Besitzer den Heiligen Gral jedes Kriegsherrn verschafft, nämlich Unbesiegbarkeit beziehungsweise Siegesgewissheit. Wer über nukleare Bewaffnung verfügt, dem ist ein umfassender und schneller Sieg sicher, wenn er davon Gebrauch macht. Die Atombombe bestätigt auch eine Grundtendenz der beiden Weltkriege, den massiven Einsatz von Technologie, der neben der ideologischen Mobilisierung der Gesellschaft zur Logik des totalen Krieges dazugehört.
Dennoch stand bis zu den beiden Weltkriegen der Kampf im Mittelpunkt der Strategiebildung. Die Schlacht galt, wie Liddell Hart scharf kritisierte, als Höhepunkt des Krieges. Die Atomwaffe gab ihm in gewisser Weise recht: Durch sie wurde die Schlacht zwecklos, weil die Schlagkraft der Bombe ausreichte, das Ziel zu beseitigen. Der Einsatz der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki war von keinem Zusammenstoß der Armeen begleitet, sondern erlaubte die Zertrümmerung des Gegners aus der Distanz, von einem Flugzeug aus. Damit beendeten und überwanden die nuklearen Bombardements das Paradigma der Entscheidungsschlacht: Durch den Einsatz der Bombe gegen Japan erreichten die Vereinigten Staaten die Wirkung einer Entscheidungsschlacht, ohne das damit verbundene Risiko eingehen zu müssen. Die Atombombe ermöglichte folglich, was Clausewitz für illusorisch gehalten hatte: den Sieg über den Gegner ohne massiven Truppeneinsatz.
Hiroshima und Nagasaki waren zugleich der Auftakt für den Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR, da der Rüstungswettlauf eine treibende Kraft in der Auseinandersetzung zwischen den Supermächten bildete. Der Kalte Krieg wurde als Krieg beschrieben, führte aber nicht zu einer direkten Konfrontation der beiden kriegführenden Parteien. Wie bereits Hobbes klarstellte, ist der Krieg nicht in erster Linie durch den Kampf oder die Schlacht charakterisiert, sondern durch die feindliche Absicht, also den anhaltenden Willen, einander zu bekämpfen. Zwischen den beiden Supermächten waren diese Bedingungen erfüllt: Die Abwesenheit von Kampfhandlungen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Parteien siegen und ihren Willen durchsetzen wollten. Doch die militärischen Auseinandersetzungen nahmen die Form von »peripheren« Konflikten wie dem Koreakrieg oder die von »Stellvertreterkriegen« wie beispielsweise in Nicaragua an. Wenn der Krieg an verschiedenen, über den Erdball verteilten Orten geführt wird, wird über die nukleare Bedrohung der ganze Planet zum erweiterten Schauplatz der Operationen. Die Atombombe lässt eine neue Bedrohung aufkommen, die bis dahin durch die konventionellen Kriege, ihrer ganzen mörderischen Wirkung zum Trotz, nicht gegeben war: die Vernichtung der gesamten oder eines Teils der Menschheit. Ideologisch waren die beiden »Großen« Gegner in einer neuen bipolaren Welt, doch zugleich teilten sie eine gemeinsame Verantwortung für den Schutz der von Auslöschung bedrohten Menschheit.
Diese paradoxe Situation bestimmte in der Zeit des Kalten Krieges das Nachdenken über den Krieg, welches Raymond Aron in seiner Formulierung »unmöglicher Friede – unwahrscheinlicher Krieg« zusammenfasst10. Der Friede war unmöglich, weil sich die beiden Weltanschauungen, die amerikanische und die sowjetische, widersprachen, aber zugleich war der Atomkrieg unwahrscheinlich, weil er zu viel Kollateralschaden mit sich gebracht hätte. Der Kalte Krieg brachte in der Konsequenz eine Strategie der »Nicht-Schlacht« hervor, wie Guy Brossollet es formuliert hat, bei der es darum geht, sich für die Konfrontation zu rüsten, gerade um die Mittel zu ihrer Vermeidung in die Hand zu bekommen. Man droht mit Zerstörung, um den Gegner vom Angreifen abzuschrecken und »das Gleichgewicht des Schreckens« aufrechtzuerhalten. Der Kalte Krieg stellte ein Kräfteverhältnis her, das durch die Ideologie unter noch größere Spannung gesetzt war; zugleich machte er eine minimale Zusammenarbeit notwendig. Die nukleare Abschreckung zielte darauf, die Selbstzerstörung abzuwenden und das Leben zu erhalten, ohne jedoch das Ziel, den Gegner zu besiegen, aufzugeben. In diesem drohenden und doch unmöglichen Krieg spielte die Figur des Spions eine zentrale Rolle: Der Einsatz der Geheimdienste ermöglichte, strategische Vorteile zu erlangen und gleichzeitig die zur Anwendung des Abschreckungsprinzips notwendigen Informationen zu sichern. Der Kalte Krieg verschob im Verhältnis zu den vorangegangenen globalen Konflikten den strategischen Schwerpunkt von der Taktik zur Politik, vom Physischen zum Psychologischen, von der Schlacht zur Abschreckung, vom militärischen Kampf zum sicherheitsrelevanten Einsatz der Nachrichtendienste.