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»Keine Schlacht, kein Urteil«

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Die Erzählung, die das 19. mit dem 18. Jahrhundert und Napoleon mit Friedrich in Verbindung brachte, spielte die Folgen des Ausbruchs der Französischen Revolution für die Kriegführung und für das internationale System herunter. Dank der Möglichkeiten, die sich durch die Wehrpflicht eröffneten, erwiesen sich die Revolutionsarmeen wie Napoleons Heere als fähig, mehrere Schlachten in Folge und sogar manchmal parallel zu bewältigen, was in den vorangegangenen Auseinandersetzungen des 18. Jahrhunderts unmöglich gewesen war. Napoleons Einsatz der Schlacht bedrohte die Monarchie als System, was bei Friedrich dem Großen nie der Fall gewesen war. Der Frieden von Tilsit 1807 besiegelte dessen Niederlage, und es schien klar, dass die Schlacht für den Kaiser mehr Zweck als Mittel war, eine Form der Legitimierung eines Regimes, das von der ständigen Fortführung seiner Eroberungen abhing. Damit eröffnete sich die Perspektive eines nicht endenden Krieges. Doch 1815 hatte sich Frankreich erschöpft: Sein Streben nach gloire, das Napoleon bewusst beschworen hatte, war ihm verloren gegangen. Der Krieg hatte sogar die Bindung der Franzosen an die Revolution geschwächt, auf die sich der Kaiser während der Herrschaft der Hundert Tage berufen hatte, um wieder an ihre Wurzeln anzuknüpfen. Nach Waterloo akzeptierte das Land wegen Wellington, einem ausländischen Heerführer, die Restauration und die Rückkehr der Bourbonen auf den Thron. Ruhm und revolutionärer Elan wurden vom Willen zum Frieden übertrumpft. Ironischerweise war es genau dieser Friedenswille, der Waterloo zu einer Entscheidungsschlacht machte.

In den Kursen, die der spätere Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte von 1918, Ferdinand Foch, im Jahr 1901 an der École supérieure de guerre gab, erläuterte er die in General Jean Colins Analyse enthaltenen doktrinalen Elemente: »Die Entscheidung durch die Waffen ist das einzige Urteil, das zählt, denn sie allein bringt einen Besiegten und einen Sieger hervor; sie allein verändert die Situation zwischen den Parteien, von denen die eine zur Herrin ihrer Handlungen wird, während sich die andere dem Willen des Gegners unterwerfen muss. Keine Schlacht, kein Urteil: Nichts ist vollbracht.«9 Die Schlacht war zum Selbstzweck geworden, so dachte man in Frankreich und in ganz Europa. Die militärischen Denker des frühen 20. Jahrhunderts betrachteten die Dinge auf eine Weise, die im krassen Gegensatz zu der Perspektive stand, die ihre Vorgänger im 18. Jahrhundert zur Auseinandersetzung mit der Strategie veranlasst hatte. Für die meisten von ihnen, von Moritz von Sachsen bis Antoine-Henri Jomini, hatte die Schlacht als Reich des Zufalls und der Unwägbarkeiten gegolten, weil alles geschehen und eine kleine Panne leicht alle Pläne vereiteln konnte. Die Strategie, die zu einem wissenschaftlichen Herangehen zwang, hatte für sie gerade den Reiz besessen, diese Risiken zu verringern. Dennoch waren einige zu der Einschätzung gelangt, dass man sich davor hüten müsse, sich auf Schlachten einzulassen. 1914 hingegen sahen die Generäle die Schlacht in völlig anderem Licht: Für sie galt es, die Schlacht zu suchen, statt sie mit Zurückhaltung zu betrachten.

Die Deutschen Einigungskriege bewiesen, dass das aus den Napoleonischen Kriegen abgeleitete Ideal, ein kurzer Feldzug mit einer Entscheidungsschlacht am Ende, in der Praxis verallgemeinert werden konnte. In einem 1912 vom Großen Generalstab Preußens veröffentlichten, mit Die Schlacht betitelten Teilband der Kriegslehren Helmuth von Moltkes d. Ä. schreibt dieser: »Die Strategie hat die Mittel, die die Taktik braucht, zur rechten Zeit und am rechten Ort bereit zu halten. Der strategische Zweck bestimmt den vorbedachten Entschluß zum Gefecht.«10 Diejenigen beispielsweise, die den Triumph Moltkes 1866 über Österreich studierten, betonten prinzipiell den Sieg bei Königgrätz, vernachlässigten aber sowohl die Tatsache, dass die besiegte Nation den Ausgang der Schlacht akzeptiert hatte (in einer Weise, die an die Praktiken des 18. Jahrhunderts anknüpfte), als auch die Entschlossenheit Bismarcks, sie dazu zu nutzen, Frieden zu suchen und den Krieg nicht zu verlängern. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg entwickelten die Deutschen die Gepflogenheit, ihres Sieges bei Sedan am 1. September 1870 zu gedenken, als ob sie dadurch den Krieg gewonnen hätten. Es stimmt, dass Napoleon III. abgedankt hatte, die halbe französische Armee getötet oder verwundet war und die andere Hälfte in Metz belagert wurde. Doch der Krieg ging weiter. Frankreich hatte eine provisorische Regierung eingesetzt und die Bevölkerung zur Verteidigung der Nation mobilisiert.

Die anderen Kampfformen, das Ausweichen, die Guerilla oder das bewusste Hinauszögern des Krieges, nahmen nur eine nebensächliche Stellung im konventionellen militärischen Denken ein. Während Europäer Anfang des 19. Jahrhunderts noch irreguläre Kriege führten, insbesondere gegen Napoleon in Spanien, in der Schweiz, in Italien und in Russland, schien dieses Modell am Ende des Jahrhunderts eher die Kolonialkriege zu beschreiben. Außerdem reagierten die Reiche auf die irregulären Kriege nicht damit, dass sie die eigenen Streitkräfte an die des Gegners anpassten. Stattdessen setzten sie auf die Schlacht, den regulären Krieg, um die irregulären Formen des Krieges zu neutralisieren. Da die Schlacht die disziplinierten und ausgebildeten Truppen gegenüber der aufständischen Bevölkerung begünstigte, empfahl ein Theoretiker wie Charles E. Callwell, Verfasser eines offiziellen britischen Lehrbuchs mit dem Titel Small Wars, seinen Lesern, den Gegner möglichst schnell zur Konfrontation zu zwingen, um die zermürbenden Wirkungen eines längeren irregulären Krieges zu vermeiden. Eine Methode dafür bestand darin, dem Gegenüber die Subsistenzmittel zu nehmen, seine Felder zu zerstören oder seine Dörfer ohne Ansehen des Alters und Geschlechts der Bewohner*innen anzugreifen.

Eine Geschichte des Krieges

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