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Was die Menschen daraus machen

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Die nach Ende des Kalten Krieges und dem Verschwinden des bipolaren internationalen Systems begonnene Diskussion über die Veränderungen der Konfliktsituation muss im Lichte des historischen Verlaufs, den das zeitgenössische Nachdenken über den Krieg genommen hat, neu bedacht werden.

Die Theoretiker*innen der »neuen Kriege« kommen zu der Einschätzung, dass Clausewitz sein Pulver verschossen hat, dass der Krieg heute entstaatlicht ist, was transnationale Akteure miteinschließt, die eine Form von deregulierter, nicht spezifisch militärischer Gewalt ausüben. Damit übersehen sie, dass Clausewitz selbst dieses Szenario, das er »Volksbewaffnung« nannte, berücksichtigt hat: Seit der Französischen Revolution hat der Krieg den engeren Umkreis des Staates verlassen, um »Herz und Verstand« der Zivilbevölkerungen zu gewinnen, welche in allen Bereichen des menschlichen Handelns, den Krieg eingeschlossen, nach Autonomie streben. In dieser Hinsicht fügt sich die Ausweitung des strategischen Spektrums in eine starke Tendenz der Moderne zur Trennung von Staat und Gesellschaft unter gleichzeitiger Verknüpfung beider. Der dschihadistische Terrorismus kann somit als Wandlungsform der »Volksbewaffnung« verstanden werden, nur mit dem Unterschied, dass seit Clausewitz’ Zeit die Einstiegskosten für bewaffnete Gewalt aufgrund technologischen Fortschritts und neuer Informations- und Kommunikationsmittel drastisch gesunken sind.

Schließlich führt das aktuell verbreitete Modell des hybriden Krieges zu einer Neukonfigurierung der Grundunterscheidung zwischen kleinem und großem Krieg. Es beruht auf der Verknüpfung konventioneller Mittel und psychologischer Kriegführung, um das militärische Handeln einer Bedrohung anzupassen, die im Fall des Terrorismus staatlich (oder parastaatlich) verfasst und zugleich globalisiert ist. Diese beiden Formen des Krieges, so unterschiedlich sie auch sind, ergeben sich aus derselben strategischen Logik: Die Gewaltmittel werden immer in Anspruch genommen, um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen und die Gegenseite zu schwächen. Jeder Krieg ist per Definition hybrid. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Krieg und das ihm zugehörige Denken keine Entwicklung erfahren. Im Gegenteil, der Krieg ist wahrlich ein Chamäleon, doch seiner Natur nach ist er am Schnittpunkt zwischen Politik und Gesellschaft situiert, zwischen gesetzgebender Gewalt und sozialen Kräften. Wie jede politische und soziale Wirklichkeit ist der Krieg in erster Linie das, was die Menschen daraus machen.

Jean-Vincent Holeindre ist wissenschaftlicher Direktor am Institut de recherche stratégique an der École militaire. Eine seiner wichtigen Veröffentlichungen ist: La ruse et la force. Une autre histoire de la stratégie (Paris 2017).

Eine Geschichte des Krieges

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