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Verdun, die Schlacht an der Somme: Was waren die Ziele?

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In Europa waren die Militärexperten noch mit einer anderen Herausforderung konfrontiert: der Auswirkung der Industrialisierung auf das Schlachtfeld. Der Einsatz von Hinterladern, Maschinengewehren und Schnellfeuerartillerie ließ das Erreichen eines schnellen und entscheidenden Sieges noch ungewisser werden. Nun war es möglich, mittels Massenheeren und einer Bewaffnung aus Massenproduktion das Prinzip einer Nation in Waffen zu realisieren. Colin schloss sein Buch über Les grandes Batailles de l’histoire mit einem Kapitel über die Schlacht der Zukunft. 1913 verfasst, kündigte sich darin großenteils an, was im Verlauf des Ersten Weltkrieges Wirklichkeit werden sollte: Die Schlachten würden sich zeitlich und räumlich ausdehnen und wären nun durch Methoden geprägt, die dem Belagerungskrieg zugehörten, in welchem die Artillerie mit hoher Reichweite dominierte; es würde schwer werden, aus Durchbrüchen Nutzen zu schlagen; schließlich würde dem Material eine wichtigere Rolle zukommen als dem Militärpersonal. Dennoch scheute Colin davor zurück, ganz mit der Vergangenheit zu brechen: »Soweit es sich um Schlachten zwischen Armeen handelt, deren Kraft beschränkt ist und die sich frei auf dem Kriegsschauplatz bewegen, sind die Ausdehnung der Fronten und einige Details in der Kriegführung die einzigen Besonderheiten der Schlachten der Zukunft. Die allgemeine Form bleibt in etwa dieselbe wie zu Moltkes, Napoleons, Friedrichs Zeiten.«11

Die von Colin geäußerten Vorbehalte waren gewichtig, doch auf der anderen Seite der deutsch-französischen Grenze wusste Alfred von Schlieffen, 1891 bis 1905 Chef des preußischen Generalstabs, etwas darauf zu antworten. Er schrieb in »Der Krieg in der Gegenwart«, einem 1909 veröffentlichten Aufsatz: »Nicht auf die örtliche Berührung, sondern auf den inneren Zusammenhang, darauf kommt es an, dass auf dem einen Schlachtfeld für den Sieg auf dem anderen gefochten wird.«12 Dies lief darauf hinaus, die Idee der Schlacht nach dem Modell von Waterloo, also einem Ereignis von einem, höchsten zwei Tagen Dauer auf einem abgesteckten Terrain, mit der des militärischen Feldzugs zu verbinden. So konnten die anderen 1815 im Verlauf der »Herrschaft der Hundert Tage« geschlagenen Schlachten als ein Ganzes aufgefasst werden.

Colin und Schlieffen äußerten jeweils eine weitere wichtige Annahme über den nächsten Krieg, den ihre jeweiligen Länder führen würden: Beide gingen davon aus, dass ihre Armeen in der Lage wären, zu manövrieren und somit direkt in die Schlacht einzutreten, indem sie die Marschlinie verließen. So würden Strategie und Taktik verschmelzen, was ja 1866 und 1870 geschehen war, und das Oberkommando würde die Kontrolle über die Ereignisse behalten. Vor dem Ersten Weltkrieg hatten Ausbildung und militärische Schriften den Fokus auf die Rolle der Vorhut gelegt oder darauf, wie man mit dem Gegner in Kontakt kommt, wie man den Kampf gegen ihn eröffnet und ihn festsetzt. Die Ereignisse von 1914 schienen diese Erwartungen anfangs noch zu bestätigen. An allen Fronten waren die Armeen in Bewegung; sie manövrierten über gewaltige Räume, und das über Wochen. Die auf diese Manöver folgenden Schlachten – vor allem Tannenberg in Ostpreußen Ende August und an der Marne in Frankreich Anfang September – wurden zu »Entscheidungsschlachten« erklärt. Man stellte sich also vor, dass sich das Konzept der Schlacht allmählich entwickeln würde, statt sich von Grund auf zu wandeln.

Im Weiteren wurden Angriffe, jedenfalls an den französischen, russischen und italienischen Fronten, von festen Positionen aus unternommen, um Möglichkeiten zum Manövrieren zu schaffen. In diesem Sinn folgten sie mit ihrer Strategie implizit Clausewitz. Die taktischen Durchbrüche sollten zu einem strategisch nutzbaren Vorrücken der Armeen führen, sodass die Schlacht den Kriegszielen dienen würde. In Wirklichkeit handelte es sich in den meisten Fällen um Misserfolge, die zudem von den Angreifern antizipiert wurden. Um Enttäuschungen vorzubeugen, neigten sie jedoch dazu, sich bedeckt zu halten. In den beiden Großschlachten von 1916, bei Verdun und an der Somme, machten sich die Befehlshaber nicht einmal mehr die Mühe, klare Ziele an ihre Untergebenen auszugeben.

Bei Verdun scheint Erich von Falkenhayn (allerdings besteht darüber kein Konsens) den Plan gehabt zu haben, die französische Armee in eine Schlacht zu verwickeln, die einen anderen Frontabschnitt geschwächt hätte, und so die Gelegenheit zu einem Durchbruch zu schaffen. Douglas Haig wiederum versuchte an der Somme, die Bedingungen für einen Durchbruch am selben Frontabschnitt zu schaffen. Zu diesem Zweck positionierte er eine Reservearmee unter dem Kommando von Hubert Gough im Rücken der von Henry Rawlinson befehligten 4. Armee, die am 1. Juli 1916 den Hauptangriff führen sollte.

Wenn diese Hypothesen stimmen, wurden mit diesen beiden Schlachten kaum mehr als ihre ersten Ziele erreicht. Mit der Zeit dehnten sie sich immer weiter aus, und so wurden aus den anfänglichen Schlachten – zumindest zeitlich gesehen – regelrechte Feldzüge. Verdun begann im Februar und endete im Dezember 1916, die Schlacht an der Somme zog sich von Juli (oder Juni, wenn man sie mit den Artilleriebombardements beginnen lässt) bis November desselben Jahres. Doch selbst diese Chronologien sind willkürlich. Schlachten sind zeitlich und räumlich begrenzt. Aber die Schlacht um Verdun und die Schlacht an der Somme auf das Jahr 1916 zu beschränken bedeutet, über die Tatsache hinwegzusehen, dass die Frontabschnitte zwischen 1914 und 1918 Schauplatz kontinuierlicher Kämpfe waren. Als Douglas Haig am 29. Dezember 1916 eine Depesche über den Ausgang der Auseinandersetzungen an der Somme verfasste, schrieb er eingangs von einem »Offensivfeldzug« statt von einer Schlacht. Anfangs teilte er diesen in drei, später in vier Phasen ein. Der entsprechende Band der offiziellen britischen Geschichte des Ersten Weltkrieges geht noch weiter und spricht – im Plural – von den Schlachten an der Somme, fünf an der Zahl, die zwischen Juli und November 1916 stattfanden.

Eine Reihe elementarer Fragen, auf die die Schlachten des 19. Jahrhunderts befriedigende Antworten geliefert hatten, wurde so für die Schlachten von 1916 grundsätzlich problematisch. Als Erstes: Was waren ihre Ziele? An bestimmten Abschnitten der Westfront – die Hügel östlich von Ypern, der Bergrücken von Vimy, der Höhenzug Chemin des Dames – bildete das Terrain selbst das Ziel. Doch an der Somme hatten die Alliierten nichts dergleichen vor sich, was übrigens Émile Fayolle, Kommandeur der 6. Armee, nicht müde wurde, gegenüber Foch, dem Oberbefehlshaber der Armeegruppe Nord, zu wiederholen. Denn wohin sollten die Alliierten vorrücken, selbst wenn ihnen ein Durchbruch gelingen sollte? Auch die Benennung dieser Schlacht (jedenfalls im Englischen und Französischen) ist bezeichnend für die geografische Unbestimmtheit, die sie kennzeichnet, da »Somme« sowohl den Fluss – der auch nicht zu den größeren Flüssen Frankreichs gehört – als auch das Département bezeichnet. Nun spielte der Fluss für die Briten nur eine marginale Rolle in der Schlacht, da er durch den französischen Abschnitt floss. Im Fall von Verdun durchschnitt der Fluss – die Maas – das Schlachtfeld, was den Charakter der Kämpfe prägte. Trotzdem wurde die Schlacht paradoxerweise nach einer Stadt benannt, die zwar befestigt war, aber tatsächlich kein militärisches Ziel darstellte, auch wenn sie den Anschein erweckte. Die Schlacht an der Maas nach Verdun zu benennen war aus operativer Perspektive irreführend. Anfang 1916 konnte Joffre, und zwar zu Recht, nicht glauben, dass die Stadt ein Ziel für die Deutschen darstellen könne. Er war so wenig von ihrem militärischen Nutzen überzeugt, dass er sie als unmittelbare Reaktion auf den deutschen Angriff gleich aufgab. Doch sie war 1914 zu einem Symbol geworden, sodass seine Entscheidung aus politischen Gründen rückgängig gemacht wurde. Es waren die Kämpfe selbst, die der Schlacht um Verdun ihre gesamte Bedeutung gaben, doch selbst dann widerstrebte es Falkenhayn und Joffre, noch mehr Divisionen dafür einzusetzen. Die Deutschen hatten sich diesen Abschnitt für einen Angriff ausgesucht, weil er beherrscht werden konnte; die Franzosen sahen in ihrer geplanten Offensive auf Somme die Priorität. Paradoxerweise bemühten sich beide Lager darum, die Schlacht um Verdun zu begrenzen, und begriffen daher nicht, dass es sich dabei um einen Vorläufer des totalen Krieges handelte.

Möglicherweise hat Kronprinz Wilhelm von Preußen, der Oberkommandierende der 5. deutschen Armee, die Stadt Verdun zum Ziel erkoren – was uns zu der Frage führt, wer tatsächlich die Operationen bei Verdun und an der Somme leitete. Bei Waterloo hatte sich Napoleon die Schlacht mit Wellington geliefert. Bei Verdun war der Oberbefehlshaber der deutschen Streitkräfte über die ganze Schlacht der Kaiser, doch sein direkter Beitrag beschränkte sich auf die Ernennung des Chefs des Großen Generalstabs. Ende August 1916 willigte Wilhelm II., wenn auch widerstrebend, ein, Falkenhayn, der die im Allgemeinen mit seinem Namen verbundene Schlacht begonnen hatte, durch Paul von Hindenburg zu ersetzen. Der tatsächliche Kopf hinter dem Angriff der 5. Armee war wahrscheinlich nicht der Sohn des Kaisers, sondern Konstantin Schmidt von Knobelsdorf, sein Generalstabschef. Auf französischer Seite erinnert sich die Öffentlichkeit vor allem an die Rolle Philippe Pétains, der allerdings am Ende durch Robert Nivelle ersetzt wurde; und beide waren Joffre untergeben. Zumindest an der Schlacht um Verdun nahmen die verschiedenen nationalen Armeen getrennt teil, während es sich an der Somme um eine gemeinsame französisch-britische Offensive handelte. Hauptverantwortlicher war Joffre, der im Dezember 1915 die Konferenz von Chantilly geleitet hatte, auf der die alliierte Strategie für 1916 beschlossen worden war. Hätte man gefragt, wer an der Somme das Kommando hatte, hätten die meisten Briten Douglas Haig genannt, doch was ist mit Rawlinson, dem Kommandeur der 4. Armee, oder mit den Franzosen, insbesondere Foch, dem Kommandeur der Armeegruppe Nord, und Fayolle?

Das Fehlen klarer geografischer Ziele und einer kohärenten Kommandostruktur entzog diesen beiden Schlachten die konzeptuelle Einheit, die Schlieffen 1909 als wesentlich für die moderne Schlacht angesehen hatte. Die Konsequenz war, wie es die offizielle französische Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg sah, dass diese zwei Großschlachten sich oft in Detailkämpfen verloren, wodurch ihre Leitlinien tendenziell verschleiert wurden. Die Taktik überwog die Strategie, das Gefecht die Schlacht. So endeten die beiden Schlachten, in Somme im November und bei Verdun im Dezember, ohne dass eines der Lager einen klaren Sieg verzeichnen konnte. Die Witterungsbedingungen, der Zustand des Terrains, immer kürzere Tage und die Erschöpfung der Truppen erklären in ihrer Kombination, weshalb und wann die Kämpfe stoppten, ohne dass man das Gefühl hatte, es wäre ein klares Resultat erreicht worden.

Eine Geschichte des Krieges

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