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Geschichtliche Distanz im Episodengerüst der Kaiserchronik

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Christoph Pretzer

Untersuchungen zur Geschichtsschreibung der Kaiserchronik stehen in einer langen Tradition; die seinerzeit Maßstäbe setzende Untersuchung Sage und Legende in der Kaiserchronik von Friedrich Ohly hallt bis heute in der Forschung nach.1 In diese Diskussion soll mit dem vorliegenden Beitrag ein neues und zugleich altes Begriffspaar eingeführt werden: Distanz und Differenz. Unter Distanz verstehe ich dabei eine quantitative Dimension, die den zeitlichen Abstand zwischen der Erzählzeit des mittelalterlichen Autors der Kaiserchronik und seines Publikums zur erzählten Zeit der Chronik in Zählbares umsetzt: die Anzahl von Jahren, die vergangen ist, die Zahl der Kaiser, die geherrscht haben. Unter Differenz möchte ich im Gegensatz dazu eine qualitative Dimension verstehen, welche Zeiträume und Ereignisse in der Vergangenheit von der Gegenwart des Verfassers der Kaiserchronik unterscheidbar macht. Für den Begriff der Differenz habe ich mich nicht nur wegen der einprägsamen Alliteration – Distanz und Differenz oder ,distance and difference‘ – entschieden, sondern auch, um meine Fragestellung nicht mit der Forschungsdiskussion zum Begriff der Alterität zu überfrachten.2 Wenn von Vergangenheit und Gegenwart die Rede ist, so bezieht sich Vergangenheit im Kontext der Kaiserchronik meist auf das antike und mittelalterliche Römische Reich als Erzählgegenstand des Textes. Gegenwart hingegen bezieht sich auf die Zeit der Verfassung und frühen Rezeption der Chronik, also die Mitte und zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts.3 Dies führt mich zu meiner letzten begrifflichen Klärung: wenn ich von der Kaiserchronik spreche, so beschränkt sich dies auf die A-Rezension in der Form in der sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts vorlag und rezipiert wurde.4 Dies bedeutet, dass hier vor allem mit Edward Schröders Edition gearbeitet werden wird.5

Der vorliegende Beitrag fokussiert nun auf den oben umrissenen Distanz-Begriff und zielt darauf ab, ihn als quantitative Dimension von Geschichtlichkeit in der Kaiserchronik zu entwickeln und zur Interpretation des Textes nutzbar zu machen. Hierzu werde ich folgenden Fragen nachgehen: Erstens wie wird Distanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart hergestellt, zweitens wie wird diese Distanz mit Bedeutung aufgeladen und drittens welche Funktion erfüllt diese Schaffung von Distanz in der Kaiserchronik. Meine vorläufigen Lösungsansätze zu diesen Fragen möchte ich in drei Teilen präsentieren. Im ersten Teil lege ich die theoretischen Grundlagen meines Zugriffs auf den Text dar. Im zweiten Teil werde ich anhand des Episodengerüstes der Chronik darstellen, wie dieser Zugang für Beobachtungen zu Phänomenen an der Textoberfläche genutzt werden kann. Und in einem dritten Teil werde ich schließlich anhand des Beispiels von personalisierter Exemplarik die oben dargestellten historiographischen Funktionen der Quantifizierung von Geschichtlichkeit erläutern.

Geschichte erzählen. Strategien der Narrativierung von Vergangenheit im Mittelalter

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