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2.2 Kirchenkampf15
ОглавлениеNach einem Jahr im reformierten Predigerseminar in Elberfeld, einem kurzen Vikariat in Wittenberge und dem Zweiten Examen wurde Niesel 1930 als Pastor und Studieninspektor des Elberfelder Predigerseminars gewählt und somit Mitarbeiter von D. Hermann Albert Hesse, der ab Januar 1934 für den entschiedenen kirchenpolitischen Kurs des Reformierten Bundes verantwortlich war.16 Daneben unterrichtete Niesel gelegentlich |75| an der Theologischen Schule Elberfeld, die von Otto Weber (1902–1966)17 geleitet wurde. Hier begann Niesel mit Vorlesungen über Calvin, deren Resultat u. a. seine «Theologie Calvins»18 wurde. Niesel forschte Zeit seines Lebens über Calvin, auch wenn die späten Arbeiten kaum noch Neues boten.
Niesel erlebte zwölf Jahre Kirchenkampf. Bereits im Frühjahr 1933 nahm er an der Rheydter Versammlung teil, erarbeitete die Düsseldorfer und Elberfelder Thesen mit, war Gründungsmitglied des Gemeindetages unter dem Wort und des Coetus reformierter Prediger Deutschlands und natürlich Hesses Berater.19 An der Barmer Synode nahm Niesel als «Beobachter» teil und gehörte zu dem Ausschuss, der der Barmer Theologischen Erklärung die letztgültige Form gab. Niesel konnte Barmen später «eine […] Sternstunde der Kirche»20 nennen.
Seit Mai 1934 war er Mitglied im Bruderrat der altpreussischen Bekennenden Kirche (BK). Zum Herbst 1934 wechselte er als reformierter Referent zum Präses der Bekennenden Kirche, Karl Koch, nach Bad Oeynhausen (neben Hans Asmussen als lutherischem Pendant21) und 1935 als |76| «Geschäftsführer» des Bruderrates der Evangelischen Kirche der Altpreussischen Union (ApU) nach Berlin. In Berlin war er massgeblich an den Entwicklungen in der ApU beteiligt.22 Bleibenden Einfluss sicherte sich Niesel durch seine Vorarbeiten zur Zweiten freien reformierten Synode im März 1935 in Siegen, auf der der Anstoss zur Gründung Kirchlicher Hochschulen gegeben wurde.23 Seit dem Wintersemester 1935/1936 lehrte Niesel Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Dahlem, praktisch seit dem ersten Semester im Untergrund. Wie bereits im Rheinland leitete er in Berlin-Brandenburg das Ausbildungsamt der Bekennenden Kirche.24
Der Kirchenkampf war nicht allein eine theologische Auseinandersetzung in den Jahren 1933 und 1934, deren strittige Fragen dann mit Barmen haben geklärt werden können. Der reale und Existenz bedrohende Kampf des nationalsozialistischen Gewaltstaates gegen den christlichen |77| Glauben führte zu wachsenden Repressionen: Zunächst die offene Propagierung des «Neuheidentums» seit 1935, sodann die Einsetzung der Kirchenausschüsse und Hanns Kerrls und schliesslich die wachsende Verfolgung von Christen durch den totalitären Staat, die als immer bedrohlicher empfunden wurde. Deshalb wurde das erste Jahr der massiven Repressionen (1937) von Niesel als das schwerste aus der Sicht der Bekennenden Kirche bezeichnet. Niesel war und blieb steter Gegner von kirchenleitender «Realpolitik» und von konfessioneller «innerer Emigration». Nach einem Ausreiseverbot aus Berlin 1938 und mehreren Prozessen und Haftzeiten wurde Niesel 1941 mit Redeverbot und Ausweisung aus Berlin belegt. Aus dieser Zeit stammt das Wort vom «Eisernen Wilhelm», der so selbstverständlich ins Gestapo-Gefängnis ging wie andere Menschen zu alltäglichen Verrichtungen. Von 1941 bis 1943 fand Niesel Zuflucht als Hilfsprediger in Breslau. Danach bot die lippische Landeskirche unter Landessuperintendent Wilhelm Neuser dem ständig Bedrohten Unterschlupf als Pastor der Gemeinde Reelkirchen. Auch während der Kriegsjahre war Niesel an Planung und Organisation der Bekennenden Kirche und ihrer Synoden beteiligt. Noch vor Kriegsende begann – mit englischer Genehmigung – Niesels Einsatz für den Wiederaufbau legitimer kirchlicher Strukturen, nur kurz in Lippe, sehr bald wieder – als Vertrauensmann des Bruderrates – auf der Ebene der Altpreussischen Union, sodann in der EKD, aber schliesslich in erster Linie in reformierten Kontexten.