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2.7 Berufliche Bildung im Räderwerk der Trägerinteressen

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Zu den besonders auffälligen Benachteiligungen gehören solche, die die berufliche Entwicklung behindern. Das betrifft vor allem die Menschen, die wegen fehlender Alternativen in die »Werkstätten« geschickt werden. Allen inklusionsverpflichteten Rechtsnormen zum Trotz35 ist gerade die Benachteiligung der auf die »Werkstätten« verwiesenen jungen Menschen enorm:

1. Ihnen fehlt die tatsächliche Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Arten von Ausbildungs- und Arbeitsstätten. Der Zugang zu Erwerbsbetrieben ist versperrt. Nicht einmal die sog. Inklusionsbetriebe (§ 215 ff. SGB IX) stehen ihnen nach dem Schulabgang offen.

2. Für die Probezeit in der »Werkstatt«, dem sog. Eingangsverfahren (§ 3 Abs. 2 WVO), werden den schon vielfach Benachteiligten nur höchstens drei Monate bewilligt statt der im Arbeitsleben allgemein üblichen sechsmonatigen Probezeit.

3. Als Beschäftigte in den »Werkstätten« sind sie vom Berufsschulunterricht ausgeschlossen.

4. Es fehlen Angebote für die berufliche Bildung in überbetrieblichen Ausbildungsstätten und in den wohnortnahen Betrieben.

5. Für beeinträchtigte Menschen, die einer längeren Ausbildungszeit bedürfen und höheren Assistenzbedarf haben, fehlen angemessene Bestimmungen im Berufsbildungsgesetz.

6. Das Berufsbildungsgesetz mit seinen kompensierenden Regelungen für behinderte Menschen (Kapitel 4, Abschnitt 1 BBiG) gilt nicht für den Personenkreis in den »Werkstätten«.

7. In den »Werkstätten« findet überhaupt keine Berufsausbildung im gesetzlichen Sinne statt, sondern wie in den Anfangsjahren nur eine Anlern- und Trainingszeit. Die ist auf lediglich zwei Jahre begrenzt und berücksichtigt nicht den höheren Zeitbedarf gerade bei Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen.

8. Trotz der rechtlich vorgegebenen Wiederholbarkeit dieser Anlern- und Trainingszeit im sog. Berufsbildungsbereich gibt es für diese Möglichkeit noch kein einziges Beispiel (§ 4 Abs. 6 Nr. 2 WVO).

9. Die Teilnehmenden im Berufsbildungsbereich sind eklatant unterbezahlt. Sie erhalten seit dem 01.08.2020 monatlich nur 119 Euro. Zum Vergleich: Die niedrigste Ausbildungsvergütung bekommen die Schornsteinfeger_innen mit 518 Euro monatlich, den höchsten die Maurer_innen mit 1.175 Euro.36

10. Für die Teilnehmenden im Berufsbildungsbereich existiert kein bundesweit anerkannter berufsorientierter Bildungsgang mit wirksamen Abschlussmöglichkeiten und allgemein anerkannten Zertifikaten.

11. Für einen Wechsel aus dem Berufsbildungsbereich der »Werkstätten« in eine reguläre, beeinträchtigungsgerechte berufliche Bildung nach dem Berufsbildungsgesetz fehlt jede Möglichkeit.

12. Die Anlern- und Trainingsmaßnahmen im Berufsbildungsbereich lassen es nicht zu, in einen anerkannten Beruf zu wechseln. Bei Bewerbungen um einen regulären Arbeitsplatz ist es aussichtlos, sich auf Maßnahmen im Berufsbildungsbereich zu berufen, selbst wenn man einen wenig qualifizierten Arbeitsplatz in der Erwerbswirtschaft sucht.

Werkstätten für behinderte Menschen

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