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Berufung 1 Begriff, biblisches Motiv und Wortfeld

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Der Begriff „Berufung“ bezeichnet in modernen, demokratisch organisierten Gesellschaften die Bestellung einer geeigneten Person in ein Amt durch eine dazu autorisierte Instanz. Dies gilt für staatliche Beamtinnen und Beamte, aber auch für kirchliche Amtsträgerinnen und Amtsträger. Dagegen ist im AT der Akt der Berufung in der Regel nicht an ein gesellschaftlich institutionalisiertes Amt gebunden (vgl. NOTH 1960). Vielmehr ist die Berufung ein charismatisches Geschehen, das nicht selten außerhalb institutionalisierter Strukturen steht oder sich sogar gegen gesellschaftlich hierarchisierte Ämter richtet. Als Beispiel kann der Konflikt des Propheten Amos mit Amazja, dem obersten Priester des Heiligtums Bet-El in Am 7,10–17 gelten: Während Amazja als Repräsentant des königlichen Heiligtums qua Amt den allzu kritischen Propheten ausweisen will (Am 7,12f.), pocht Amos auf seine unmittelbare Berufung durch Gott (Am 7,15). Amos äußert sogar: „Ich bin kein Prophet“ (Am 7,14), und meint damit, dass er keinem Berufsstand angehört, der der Jurisdiktion des Priesters unterläge. Hier lässt sich eine Konfrontation Charisma versus Amt erkennen. Entsprechend wird im AT die Berufung herausragender Charismatiker berichtet (Mose, die „großen Richter“, Propheten, vgl. 2), und ausser von Aaron (Ex 28,1) keine von Priestern oder anderen „Amtsträgern“. Eine Zwischenstellung nimmt die Berufung von → Königen ein, die zwar charismatische Züge tragen, aber in der dynastischen Institutionalisierung des Königtums mehr zu Amtsinhabern werden und am Anspruch der Berufung scheitern (vgl. die „Verwerfung Sauls“ in 1 Sam 15).

Mit „Berufung“ lässt sich im AT ein Situationsmotiv bezeichnen, in dem ein dialogisches Geschehen zwischen Gott und dem zu Berufenden geschildert wird. Gott beruft unmittelbar oder vermittelt durch prophetische Botinnen oder Boten einen Menschen zu einer bestimmten Aufgabe. Dabei handelt es sich immer um einen sprachlichen, in der Regel dialogischen Vorgang, der von nonverbalen Handlungen, wie bestätigenden Zeichen (Mose, Gideon), visionären Erlebnissen (Jeremia, Ezechiel) oder einer Salbung (Könige), begleitet werden kann. In dem komplexen Situationsmotiv können unterschiedliche Teilmotive kombiniert werden, wie die Anrede durch Gott, der Einwand des zu Berufenden, die Beseitigung des Einwands, eine Beauftragung usw. Dem Motiv der Berufung insgesamt kommt im Kontext des jeweiligen alttestamentlichen Buches eine bestimmte Leistung zu, die mit „Legitimation“ (vgl. LONG, 1980, 681) nur unzureichend beschrieben ist. Im AT ist Berufung weder gesellschaftlich-institutionell noch begrifflich definiert. Entsprechend findet sich zu dem deutschen Begriff „Berufung“ im biblischen Hebräisch kein Äquivalent. Unterschiedliche Lemmata werden im Zusammenhang des Motivs verwendet und rekurrieren auf unterschiedliche Aspekte des Gesamtvorganges. Das Verb „rufen“ (qarā) taucht gelegentlich auf (Ex 3,4; 1 Sam 3,4; Jer 1,5), bezeichnet aber eher eine Anrufung des zu Berufenden durch Gott als eine Berufung. Hier kommt der sprachlich-kommunikative Aspekt des Motivs zum Tragen. Entsprechend begegnet sehr häufig auch einfach das Verb „sagen“ (ʾamār). Gelegentlich wird betont, Gott habe den zu Berufenden schon „vom Mutterleib an erkannt“ (Jaḏaʿ, vgl. Jer 1,5), d.h. „erwählt“ (vgl. Jes 49,1; Gal 1,15). Hier ist der Aspekt eines lange schon feststehenden Plans Gottes präsent, der die Eigeninitiative des Berufenen ausschließt. In eine ähn liche Richtung geht die Bezeichnung des Berufungsvorgangs als ein „Nehmen“ oder „Packen“ Gottes (iaqaḥ, vgl. Am 7,15 und Jes 8,11). Schließlich ist auch von einem „Senden“ durch Gott (šaiaḥ, vgl. Jes 6,8; Jer 1,7; Ez 2,3) die Rede, das den Aspekt der Beauftragung hervorhebt. Daneben können Beistandszusagen („Fürchte dich nicht“ Ez 2,6) und -handlungen (Salbung 1 Sam 10,1, Verleihung des Geistes 1 Sam 16,13; Ez 2,2) treten, sodass unterschiedliche Begriff im Kontext des Motivs ein eigenes Wortfeld „Berufung“ ergeben.

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