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1 Jakob betrügt Esau (Gen 27)

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Der Gegensatz zwischen den beiden Zwillingen Jakob und Esau entzündet sich am Streit um das Erstgeburtsrecht und den Erstgeburtssegen (→ Segen). Beide Vorrechte kommen eigentlich Esau als dem älteren der beiden Zwillinge zu. Nachdem Jakob Esau das Erstgeburtsrecht durch den Tausch mit dem Linsengericht buchstäblich „abgeschwatzt“ hat (Gen 25,29f. → Tausch, viel gegen wenig), will er auch noch den Segen des alten Vaters für sich reklamieren. Ausgangspunkt des Geschehens ist der Wunsch des alt gewordenen und blind werdenden Isaak, der den nahen Tod spürt und davor seinen Segen weitergeben möchte. Diesen „letzten“ Wunsch äußert er gegenüber seinem Lieblingssohn Esau, dem Jäger (vgl. Gen 25,27): „Jage mir ein Wild und bereite mir ein Festessen, wie ich es gerne habe“ (Gen 27,3f.). Im Anschluss an dieses Essen wolle Isaak Esau segnen. „Die Weitergabe des Segens verlangt von dem Sterbenden eine letzte, äußerste Kraftanstrengung und Konzentration. Die Mahlzeit als Vorbereitung soll die nötigen Kräfte vermitteln“ (BOECKER 1992, 45).

Die Mutter der beiden Zwillinge, Rebekka, hört den Wunsch Isaaks (Gen 27,5) und sieht die Chance, ihrem Lieblingssohn Jakob den Segen zu verschaffen. Esau geht auf die Jagd, währenddessen nimmt ihr betrügerischer Plan Gestalt an. Ausführlich bereitet sie Jakob auf das vor, was nun zu tun ist (V. 8ff.). Jakob soll zwei Ziegenböckchen von der Herde bringen, die Rebekka ihrem Mann als ein Wildbret der besonderen Art zubereiten will, während Jakob es anschließend dem Vater servieren soll. Die Spannung in der Geschichte erhöht sich durch die von Jakob geäußerte Möglichkeit, dass der Betrug auffliegen könne (V. 11f.; vgl. BAR-EFRAT 2006, 137f.). Die Mutter wischt seinen Einwand rasch beiseite, nimmt alle möglichen Folgen auf sich und der Plan wird umgesetzt. Zunächst wird das Essen von Rebekka gekocht. Dann wird Jakob für die Begegnung mit dem Vater vorbereitet. Er zieht die Kleider des Bruders an (V. 15). Damit er auch sonst nicht auffällt, gebraucht Rebekka eine List, die den fast blinden Isaak täuschen soll. Sie wickelt die Felle der Böckchen um Jakobs Hände. Dadurch wird ein wichtiges äußerliches Körpermerkmal Esaus – die starke Behaarung auch der Hände – nachgeahmt (vgl. dazu Gen 25,25). Jakob tritt dem Vater gegenüber. Auf seine Frage: „Wer bist du?“ (V. 18), antwortet er mit einer glatten Lüge: „Ich bin Esau, dein Erstgeborener“ (V. 19). Isaak wundert sich, dass Esau so schnell von der Jagd zurück ist. Dieser redet sich wiederum mit einer Lüge heraus und gibt vor, Gott habe ihm das Wild gewissermaßen beschert (V. 20). Unklar ist, ob Isaak einen Verdacht schöpft oder nicht. Jedenfalls tastet er Jakob ab, um zu prüfen, ob es wirklich Esau ist, der ihm da gegenüber tritt (V. 21), denn die Stimme erscheint Isaak anders. Nach gründlicher Untersuchung sind alle Bedenken zerstreut. Bevor Isaak von dem angeblichen Wildbret isst, fragt er ein drittes Mal, ob es wirklich Esau ist, der ihm dieses Mahl zubereitet hat (V. 24). Wiederum lügt Jakob ihn an. Daraufhin lässt Isaak sich das Essen bringen, Jakob reicht ihm auch Wein dazu (V. 25). Der Vater bittet Jakob, sich zu nähern und ihn zu küssen (V. 26). Jakob tut dies, dabei riecht Isaak den Duft seiner Kleider, was offenbar solches Entzücken bei ihm auslöst, dass er ihn segnet, wobei die Stichworte Ackerland und Korn und Most im Segensspruch eher die agrarische Lebenswelt Jakobs in den Blick nehmen, und nicht die des Jägers Esau (V. 27). Der Segensspruch selbst (V. 27b–29) umfasst ganz verschiedene Heilsgüter: Die Fruchtbarkeit der Felder genauso wie die künftige Vorrangstellung Jakobs als Familienoberhaupt. Wohlstand und Fülle sind ebenso wie die Ansage der künftigen Herrschaft über Völker in diesem Segen vereint. Der letzte Satz des Segens „steht wie ein magischer Schutzwall um den Gesegneten“ (KLEIN 2007, 45). Mit dem Segen wird Wirklichkeit, was Rebekka im Orakelspruch bei der Geburt der Zwillinge erfahren hatte: „Zwei Völker sind in deinem Leib, zwei Stämme trennen sich schon in deinem Schoß. Ein Stamm ist dem andern überlegen, der ältere muss dem jüngeren dienen“ (Gen 25,23). Der Vater gibt somit Jakob den Segen mit auf den Weg, der eigentlich dem Erstgeborenen zukam.

Esau, der zwischenzeitlich auf der Jagd war und erschöpft nach Hause kommt, bereitet das vom Vater gewünschte Essen zu und bringt es ihm in der Hoffnung auf den in Aussicht gestellten Segen (V. 30f.). Auch hier folgt die Frage des Vaters: „Wer bist du?“ (V. 32). Als Isaak hört, dass es Esau ist, reagiert er schockiert. Der Betrug ist nun offenbar, wobei noch unklar ist, wer davon profitiert hat, und Esau ist maßlos enttäuscht (V. 33): Er schreit buchstäblich auf und ist verbittert über das, was ihm angetan wurde. Sein Wunsch „Segne auch mich“, ist Ausdruck völliger Verzweiflung (V. 34). Vater und Sohn wissen nun um das listige Tun Jakobs. In einem doppelten Wortspiel wird es festgehalten: „Zu Recht ist sein Name Jakob, denn er hat mich nun zweimal betrogen. Meine Erstgeburt hat er genommen, und siehe, nun hat er meinen Segen genommen“ (V. 36).

Diese Worte bringen den Namen Jakob mit dem ähnlich klingenden Verb ʿāqaḇ „betrügen“ in Zusammenhang, und steigern die Aussage noch durch das Wortspiel bəḵôrāh „Erstgeburt“ und bərāḵāh „Segen“. Diese doppelte Paronomasie unterstreicht die Bedeutung des Gesagten. Isaak rekapituliert daraufhin den über Jakob ergangenen Segen in umgekehrter Reihenfolge, um schließlich auf dessen ausdrückliche Bitte hin auch Esau mit einem Segen (!) auszustatten (vgl. dazu WILLI-PLEIN 2002); doch dieser Segen bleibt hinter dem für Jakob weit zurück (V. 37–40). Wichtig ist, „dass in der Geschichte vom Isaak-Segen (…) alle fünf Sinne einbezogen werden, entweder durch den Erzähler oder durch die beteiligten Personen“ (BAR-EFRAT 2006, 31): Das nachlassende Sehvermögen Isaaks, das geschmackvolle Essen, der Tasttest Isaaks bei Jakob, das Hören der Stimme Jakobs und das Riechen an seinen Kleidern – all dies spielt bei der Durchführung des Betrugs eine wichtige Rolle.

Der erschlichene Segen ist Ausgangspunkt für die dramatische Folgeentwicklung in der Beziehung zwischen Esau und Jakob. Esau ist Jakob feindlich gesonnen, ja er plant den Tod Jakobs (Gen 27,41), sobald der Vater gestorben ist. Wiederum spielt Rebekka für das Folgende eine entscheidende Rolle. Sie erfährt von Esaus Plänen und rät Jakob zur Flucht zu ihrem Bruder Laban (Gen 27,42f.). Damit ist der Zielpunkt der Flucht angegeben, der im Folgenden wichtig sein wird (zu den verschiedenen, im Zusammenhang der Flucht erwähnten Ortsangaben vgl. BLUM 1984, 164ff.). Wenige Tage solle Jakob dort bleiben, bis sich der Zorn Esaus gelegt hat. Daraus aber wird nichts: „Zwanzig Jahre wird die Abwesenheit Jakobs von der Heimat und Familie dauern“ (BOECKER 1992, 52), und Rebekka dürfte bei seiner Rückkunft schon tot gewesen sein, doch wird ihr Tod nicht explizit berichtet. Die möglichen Auswirkungen des Betrugs werden Jakob viele Jahre später bei seiner Rückkehr nach Kanaan intensiv beschäftigen (vgl. Gen 32f.). Die Frage ist nämlich, ob der Zorn des Bruders sich zwischenzeitlich gelegt hat oder ob ihm noch immer am Tod des Bruders liegt. Erst die unmittelbare Begegnung der beiden bringt die Antwort. Esau nimmt die Geschenke des Bruders als Zeichen der Versöhnung an (Gen 33). Bevor es dazu kommt, erfährt Jakob selbst, wie es ist, von einem Verwandten betrogen zu werden.

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