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Beatmungsgerät drucklos

Ein 50-jähriger Bauarbeiter stürzt auf einer Baustelle von einem Gerüst etwa vier Meter tief auf den Betonboden. Dort bleibt er bewusstlos liegen und blutet leicht aus beiden Ohren. Das eintreffende Rettungsteam untersucht den Patienten. Folgende Diagnose wird erhoben: Schweres, geschlossenes Schädelhirntrauma mit Verdacht auf Schädelbasisfraktur. Der Patient wird an der Einsatzstelle versorgt. Nach dem Legen von zwei peripher-venösen Zugängen wird die Intubation vorbereitet und eine Narkose eingeleitet. Nach Intubation des Patienten und Überprüfung der richtigen Lage des Tubus durch Auskultation über dem Thorax wird der Patient mit dem mobilen Beatmungsgerät des Einsatzfahrzeuges beatmet. Hierbei kann kein Beatmungsdruck aufgebaut werden, und das Beatmungsgerät löst Alarm aus. Der Patient wird unverzüglich von der Maschine diskonnektiert und mit einem Beatmungsbeutel weiter beatmet. Darauf wird der Patientenstatus erneut reevaluiert und festgestellt, dass der Patient manuell suffizient beatmet werden kann. Da aber kein Grund ermittelt werden kann, weshalb kein Beatmungsdruck mit dem Respirator aufgebaut werden konnte, und die Aufnahmeklinik nur fünf Fahrminuten vom Notfallort entfernt ist, entschließt sich das Team unter Fortführen der Beatmung mit dem Beatmungsbeutel, die Fahrt zur Klink anzutreten. Während des Transportes erfolgt eine problemlose Beatmung mit dem Beatmungsbeutel. Im Anschluss an die Patientenübergabe wird das Beatmungsgerät Schritt für Schritt anhand der Bedienungsanleitung überprüft. Hierbei stellt sich heraus, dass sich ein Riss im Schlauch befindet. Das Fahrzeug fährt – in nicht einsatzbereitem Zustand – zur Rettungswache und tauscht den defekten durch einen neuen, funktionsfähigen Schlauch aus.

Hintergrund

Durch kräftiges Ziehen wurde der Beatmungsschlauch vom Beatmungsgerät gezogen. Hierdurch kam es zu einem Einriss, der offenbar nicht sofort aufgefallen war. Nach Reinigung und Desinfektion des Gerätes war der Schlauch wieder angebaut worden. Eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit gemäß den Vorgaben des Herstellers war von der Besatzung offensichtlich nicht durchgeführt worden. Dass dieser Fall noch einmal glimpflich ablief, hängt damit zusammen, dass die Insuffizienz der maschinellen Beatmung rasch bemerkt wurde. In diesem Fall gilt immer, unverzüglich den Respirator zu entfernen und manuell zu beatmen. Neben der Sicherstellung von Oxygenierung und Ventilation können durch die Beutelbeatmung im Rahmen der Fehleranalyse wertvolle Hinweise gewonnen werden. Wenn die Beatmung mit dem Beutel durchführbar ist, ist ein Fehler des Respirators sehr wahrscheinlich, da andere potenzielle Fehlerquellen eines fehlenden Druckaufbaus, wie etwa eine fehlende oder unzureichende Blockung des Cuffs oder eine Tubusdislokation, ausgeschlossen sind. Damit dieser Grundsatz aber tatsächlich im Bedarfsfall auch angewandt werden kann, darf nie ein Respirator ohne einsatzbereiten Beatmungsbeutel als Back-up-System eingesetzt werden. Dies gilt z. B. auch für jeden Anästhesiearbeitsplatz, wo ebenfalls immer ein Beatmungsbeutel bereitliegen muss. Ein Risiko für den Rettungsdienst ist z. B. der Weg nach dem Entladen aus dem Fahrzeug/Hubschrauber zur Aufnahme im Krankenhaus. Hier muss bei maschinell beatmeten Patienten selbstverständlich auch ein Beatmungsbeutel mitgeführt werden, da immer mit einer Störung des Respirators gerechnet werden muss. Die immer wieder geforderte Messung der endtidalen CO2-Konzentration hätte auch in diesem Fall helfen können, da bei fehlendem Druckaufbau kein Wert zu messen gewesen wäre.

Fehler und Gefahren

 Unsachgemäßer bzw. nachlässiger Umgang mit Material kann die Einsatzbereitschaft gefährden (in diesem Fall das gewaltvolle Abziehen des Beatmungsschlauches).

 Eine Einschränkung der Einsatzbereitschaft kann zur akuten Gefährdung der anvertrauten Patienten führen → bei fehlender Beatmung Hypoxie und Hyperkapnie.

 Der vermeidbare Stress infolge des Materialausfalls kann weitere Fehler und Zwischenfälle begünstigen.

 Unzureichende Überprüfung des Materials vor dem Einsatz.

Fehlervermeidung

❱❱❱

Auf Grundlage der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung – MPBetreibV) § 2 Abs. 5 hat sich der Anwender vor der Anwendung von der Funktionsfähigkeit und dem ordnungsgemäßen Zustand des Medizinproduktes zu überzeugen sowie die Gebrauchsanweisung und sonstige beigefügte, sicherheitsbezogene Informationen und Instandhaltungshinweise zu beachten.

 Überprüfung der Funktionsfähigkeit auf Grundlage der Vorgaben des Herstellers.

 Da Undichtigkeiten bei Respiratoren einer der häufigsten Gründe für Funktionsstörungen darstellen, muss die Dichtigkeit immer geprüft werden. Dies gelingt am besten mit einer Prüflunge, weil damit ein geschlossenes System erreicht wird und dadurch eine Undichtigkeit detektiert werden kann. Dichtigkeitsprüfungen sollten zu jeder Dienstübergabe und nach jeder Reinigung durchgeführt und dokumentiert werden.

 Anbauteile und Beatmungsschläuche dürfen nur von den Personen gewechselt werden, die eine korrekte Einweisung auf Grundlage des Medizin-Produkte-Gesetzes haben.

 Lückenloses Monitoring beatmeter Patienten (Beatmungsdruck, Atemzugvolumen, Atemminutenvolumen, endtidales CO2, Sauerstoffsättigung, Heben des Brustkorbes).

❱❱❱

Zum Abziehen des Beatmungsschlauches immer an dessen Muffe anfassen, um ein Einreißen des Schlauches zu vermeiden.

77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin

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