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Etwas Wesentliches übersehen

RTW und NEF sowie der Rettungshubschrauber werden zeitgleich zu einem Verkehrsunfall mit einem eingeklemmten Patienten gerufen.

Noch während des Anflugs des Hubschraubers gelingt es den ersteintreffenden Kräften der Feuerwehr und des Rettungsdienstes, den Patienten aus dem Fahrzeug zu befreien.

Nach Eintreffen des RTH-Notarztes berichtet der bodengebundene, zuerst eingetroffene Notarzt über sein Untersuchungsergebnis: primär bewusstloser, blasser Patient mit einem Blutdruck von 120 mmHg systolisch, Puls 100/min, Atmung dyspnoeisch, Pupillen seitengleich und reagibel. Kopfschwartenverletzung rechts occipital, aufgehobene Atemgeräusche links sowie mehrere Frakturen im Ober- und Unterschenkel links. Es wurde bereits eine Infusion angelegt, und der auf der Vakuummatratze liegende Patient hat eine Sauerstoffmaske erhalten. Er ist mit einem Anzug bekleidet, Jacke und Hose wurden aufgeschnitten.

Beide Ärzte stellen die Verdachtsdiagnose eines Pneumothorax und besprechen die weitere Versorgung. Dabei wird geplant: die Schaffung zweier weiterer venöser Zugänge, eine Narkoseeinleitung wie bei einem nicht nüchternen Patienten, die Anlage einer Thoraxdrainage auf der betroffenen Seite sowie die Ruhigstellung der Frakturen mittels Vakuumschiene. Die Arbeiten benötigen einige Zeit, und während der eine Arzt die Thoraxdrainage einlegt, legt der andere Arzt als zweiten Gefäßzugang noch einen zentralen Venenkatheter über die Vena subclavia auf der betroffenen Seite.

Plötzlich kommt es zu einem Blutdruckabfall und einem weiteren Pulsanstieg. Jetzt wird vermutet, dass der Patient intraabdominell blutet. Er wird vollständig entkleidet, und es zeigen sich deutliche Gurtmarken quer über dem Abdomen. 30 Minuten nach Eintreffen des RTH an der Einsatzstelle wird der Hubschraubertransport unter Gabe von Noradrenalin als Perfusor in ein Zentrum der Maximalversorgung angetreten.

Im Schockraum ist der Patient bradykard, und es kann kein Blutdruck mehr gemessen werden. Die noch im Schockraum durchgeführte Laparotomie während der Reanimation des Patienten zeigt einen Abriss der A. mesenterica superior. Der Patient verstirbt noch im Schockraum.

Hintergrund

Das abdominelle Trauma ist eine der Hauptgefahren für verunfallte Patienten. Okkulte Blutungen ins Abdomen bleiben oft lange verborgen, und die Möglichkeiten einer Intervention bei diesen Blutungen sind präklinisch kaum gegeben. Daher kommt es bei der Primäruntersuchung darauf an, diese Blutungen möglichst rasch zu erkennen und einen schnellen Transport zu einer chirurgischen Klinik zu ermöglichen. Zeitaufwendige Maßnahmen wie das Legen eines zentralen Venenkatheters verbieten sich bei der vermuteten Diagnose einer intraabdominellen Verletzung.

Im beschriebenen Fall hat der ersteintreffende Notarzt eine abdominelle Verletzung nicht erkannt, weil der Patient abdominell nicht untersucht wurde. Arbeiten zwei Ärzte an der Einsatzstelle, so wollen beide in der Regel vermeiden, den anderen zu schulmeistern, jedoch hätte eine ausführliche zweite Untersuchung bei dem vollständig entkleideten Patienten wahrscheinlich wichtige Hinweise auf ein abdominelles Trauma gegeben, und es wäre ein rascherer Transport durchgeführt worden.

Dies wäre eine typische Situation des Crew Resource Managements: Es sollte den Beteiligten an einer Einsatzstelle gelingen, sich zu ergänzen ohne sich gegenseitig bloßzustellen, um wichtige Fakten des Falles zusammenzubringen. Dies ist umso schwieriger, da es sich an Unfallstellen oft um verschiedene Rettungsteams handelt, die sich nicht kennen und nur durch den Zufall zusammengeführt werden.

Das Legen von zentralen Venenkathetern an der Einsatzstelle sollte die Ausnahme bleiben und nur dem Erfahrenen vorbehalten sein, wenn es zum Beispiel nicht gelingt, einen periphervenösen oder ossären Zugang zu schaffen. Thoraxdrainagen sollten nur dann gelegt werden, wenn klinische Symptome eines Spannungspneumothorax bzw. andere respiratorische oder zirkulatorische Gründe dafür sprechen.

Fehler und Gefahren

 Keine vollständige klinische Untersuchung durchgeführt.

 Schwer verletzter Patient wurde nicht vollständig entkleidet.

 Der zweite Notarzt verzichtet auf die Komplettierung der Untersuchung.

 Zeitverlust durch ZVK-Anlage.

Fehlervermeidung

 Standardisierte Untersuchung nach Trauma-Algorithmus.

 Festlegung des Teamleiters und damit des Verantwortlichen.

 Keine Anlage von ZVK oder Thoraxdrainage ohne zwingenden Grund.

 Übung des Konflikt- und Gesprächsmanagements bei Rettungsteams.

77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin

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