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Amputationsverletzung

Der Rettungshubschrauber wird an einem Sommerabend in ein 50 km entferntes Dorf zu einem Ernteunfall gerufen. Ein 19-jähriger Erntehilfsarbeiter ist mit seinem rechten Bein in eine Mähmaschine geraten. Das Bein wurde subtotal, ca. 30 cm oberhalb des Knies amputiert. Die Rettungskräfte vor Ort haben bereits eine Narkose eingeleitet und drei venöse Zugänge gelegt. Beim Eintreffen liegt der Patient im RTW. Die Beatmung erfolgt seitengleich, der Kreislauf ist stabil. Eine Infusionstherapie mit bisher 1500 ml kristalloider und 1000 ml kolloidaler Infusionslösung läuft. Da die Blutung auf andere Weise nicht zu stoppen war, ist das betroffene Bein im Stumpfbereich mit einem breiten Band abgebunden. Eine Bein-Blutdruckmanschette konnte aus anatomischen Gründen nicht angelegt werden. Über das teilamputierte Bein ist ein blauer Plastikbeutel gezogen. Nach Aussage des bodengebundenen Rettungsteams steht die arterielle Blutung. Da es bereits dunkel wird und die Zeit voranschreitet, verzichtet der Hubschrauberarzt auf eine weitere Inspektion des Wundgebietes und belässt den blauen Plastiksack. Der weitere Bodycheck ist unauffällig. Nach zügiger Umlagerung des Patienten erfolgt der Transport in ein Traumazentrum. Während des Fluges wird der Patient tachykard, eine vertiefte Narkose verändert die Herzfrequenz nicht. Beim Eintreffen im Traumazentrum ist der Patient blass, der Blutdruck beträgt nur noch 100/50 mmHg, die Herzfrequenz 120/min.

Im Schockraum wird bei der Übernahme der Plastikbeutel vom verletzten Bein entfernt. Es entleeren sich mindestens 3 l Blut aus dem Beutel. Aus dem ausgedehnten Wundgebiet ist eine pulssynchrone arterielle Blutung sichtbar.

Hintergrund

Eine arterielle Blutung sollte primär durch manuellen Druck oder einen Druckverband komprimiert und zum Stillstand gebracht werden. In den meisten Fällen gelingt dieses. Falls nicht, besteht meistens die Möglichkeit, eine passende Blutdruckmanschette proximal der Verletzung anzulegen und über den systolischen Wert aufzupumpen. Die Uhrzeit des Komprimierens sollte unbedingt gut sichtbar auf dem Notarztprotokoll oder ggf. auf dem Patienten vermerkt werden.

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Unmittelbar nach dem Lösen einer Kompression oder Abbindung werden metabolische Substrate, die aufgrund des anaeroben Stoffwechsels in der abgebundenen Extremität gebildet wurden, über das venöse Gefäßsystem dem Körper zugeführt, sodass mit einer metabolischen Azidose und einem Blutdruckabfall gerechnet werden muss.

Fehler und Gefahren

 Durch eine insuffiziente Blutstillung kommt es (in diesem Fall unbemerkt) zu einem weiteren Blutverlust und zu einem protrahierten Volumenmangel.

Fehlervermeidung

 Bei jeder Patientenübernahme muss der übernehmende Kollege den Patienten von Kopf bis Fuß gründlich untersuchen.

 Befunde müssen dokumentiert werden.

 Bei Trauma-Patienten muss ein besonderes Augenmerk auf Blutungen nach innen oder außen und auf Frakturen gerichtet werden. Ein Verband sollte aufmerksam betrachtet werden (Cave: durchgebluteter Verband), um sich einen Überblick über die Blutungsverhältnisse zu verschaffen. In diesem Fall hätte die Identifikation einer arteriellen Blutung bereits an der Unfallstelle zu Maßnahmen der Blutstillung führen müssen.

77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin

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