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Alternatives Equipment nicht verfügbar

Ein 58-jähriger Patient, bei dem seit mehreren Jahren eine arterielle Hypertonie bekannt ist, klagt in den frühen Morgenstunden über zunehmende Atemnot. Die Ehefrau alarmiert schließlich den Rettungsdienst mit dem Notarzt.

Das Team bestehend aus Notarzt, Rettungsassistent und Rettungssanitäter trifft den Patienten im 4. Stock eines Mehrfamilienhauses im Zustand eines akuten Herzversagens mit beginnendem Lungenödem an. Der Patient hat einen Blutdruck von 220/100 mmHg, eine periphervenöse Sauerstoffsättigung von 75 % bei Raumluft und beginnt, sich respiratorisch zu erschöpfen.

Der Notarzt entschließt sich bei dem leicht adipösen Patienten zur Intubation. Zur Narkoseeinleitung verwendet er Fentanyl, Etomidate und Succinylcholin. Trotz maximaler Präoxygenierung steigt die Sättigung vor der Applikation der Medikamente nicht über 89 %. Der erste Intubationsversuch misslingt bei einer laryngoskopisch nicht einstellbaren Stimmritze. Die Sauerstoffsättigung fällt rasch auf Werte von 50 %. Der Notarzt versucht eine Zwischenbeatmung mit dem Beutel, die durch den Vollbart des Patienten erschwert wird. Der Patient kann nur bis etwa 70 % SpO2 aufgesättigt werden. Weitere Intubationsversuche schlagen fehl. Die Maskenbeatmung kann nur mit einem Doppel-C-Griff unter größten Schwierigkeiten durchgeführt werden, gleichzeitig kommt es zu Erbrechen und Aspiration von Mageninhalt. Der Rettungssanitäter läuft aus dem 4. Stock zurück zum Rettungswagen, in dem Larynxmasken und ein Quick-Trach-Set verstaut sind. Nach Anlage einer Intubations-Larynxmaske Größe 5 kann der Patient problemlos ventiliert werden. Danach erfolgt hierüber die Intubation. Der weitere Verlauf ist komplikationslos.

Hintergrund

Der unvorhergesehen schwierige Atemweg ist in der präklinischen Situation deutlich häufiger als in der innerklinischen Anästhesiologie, und somit muss der Notarzt immer damit rechnen. Zudem sind präklinische Atemwegsprobleme aufgrund der Umgebungsbedingungen auch schwerer zu beherrschen. Besondere Probleme in der Präklinik bereiten Verletzungen und Erkrankungen im Gesichts- und Halsbereich wie z. B. ausgedehnte Mittelgesichtsfrakturen, Weichteilschwellungen im Larynx- oder Pharynxbereich sowie Larynxtraumata. Hinzu kommen häufig schwierige Rahmenbedingungen (z. B. ungünstige Lichtverhältnisse, erschwerte Lagerung etc.) sowie die fehlende Nüchternheit der Patienten.

Zwar kann die Inzidenz des schwierigen Atemweges präklinisch kaum beeinflusst werden, jedoch müssen Notarzt und Rettungspersonal bei jeder Atemwegssicherung darauf gefasst und vorbereitet sein. Erfahrung im Umgang sowie die rasche Verfügbarkeit eines alternativen Atemwegsequipments sind genauso wichtige Bestandteile der Narkosevorbereitung wie das Bereitstellen der notwendigen Medikamente. In dem vorliegenden Fall hielt der Rettungswagen ein alternatives Atemwegsmanagement in Form einer Intubationslarynxmaske und eines Quick-Trach-Systems vor. Es ist zu spät, dieses Equipment erst dann holen zu lassen, wenn bereits Komplikationen eingetreten sind. Notfallpatienten haben häufig keinerlei respiratorische Reserven. Das alternative Atemwegsmanagement inklusive Skalpell für die Koniotomie sollten daher routinemäßig vorbereitet werden, um im Notfall sofort einsetzbar zu sein. Gleichzeitig stellt die Ausstattung des RTW und NEF mit dem notwendigen Equipment für ein alternatives Atemwegsmanagement eine conditio sine qua non dar. Notärzte und Rettungsdienstmitarbeiter müssen die Anwendung des vorgehaltenen Equipments beherrschen.

Fehler und Gefahren

 Intubationsschwierigkeiten präklinisch häufiger als innerklinisch.

 Personal ist mental nicht auf den schwierigen Atemweg eingestellt.

 Alternatives Atemwegsequipment wird nicht sorgfältig vorbereitet.

 Alternatives Atemwegsequipment wird nicht auf den Rettungs- oder Notarztwagen vorgehalten.

 Equipment des alternativen Atemwegsmanagements ist den Notärzten und Rettungsassistenten in der Handhabung nicht ausreichend bekannt.

Fehlervermeidung

 Alternatives Atemwegsequipment auf den Rettungswagen/Notarztwagen und Notfallkoffern vorhalten.

 Bei jeder Narkoseeinleitung bzw. Beatmung die Notwendigkeit eines alternativen Atemwegsmanagements einplanen.

 Notärzte und Rettungsassistenten im Umgang damit regelmäßig schulen.

 Mental auf den schwierigen Atemweg vorbereitet sein (die Frage „Was mache ich, wenn die Intubation misslingt und die Sauerstoffsättigung fällt?“ muss vor der Narkoseeinleitung beantwortet sein).

 Genaues Abwägen des Patientenzustands und der eigenen Erfahrung.

 Nicht das Zeitgefühl verlieren und beim wiederholten Versuch der Intubation die Pulsoxymetrie ignorieren und die Maskenbeatmung vergessen. Der Patient wird nicht durch die unmögliche Intubation sondern durch den Sauerstoffmangel geschädigt.

77 Fehler und Irrtümer in der Notfallmedizin

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