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Der Kampf um die Stahlarbeitsplätze in Oberhausen geht weiter

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Die Hoffnung, dass mit der Inbetriebnahme des neuen Elektrostahlwerks im Februar 1980 die Stahlbasis in Oberhausen langfristig gesichert sei, sollte schon bald ins Wanken geraten. Die Konjunkturkrise zu Beginn der 1980er Jahre traf auch die deutsche Stahlindustrie hart und bedeutete aufgrund deutlicher Produktionsausfälle Kurzarbeit für viele Beschäftigte der Thyssen Niederrhein AG (WAZ, 17. Februar 1982).

Im Juni 1983 verdichteten sich Gerüchte über eine mögliche Stilllegung der Grobblechstraße. Zusammen mit den angeschlossenen Anlagen wären von dieser Maßnahme 1.500 Arbeitnehmer (WAZ, 10. Juni 1983) betroffen gewesen. Alle Appelle und Vermittlungsversuche, die in den nächsten Tagen von Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond, Oberstadtdirektor Dieter Uecker, den Parteien und dem Rat der Stadt, dem MdB Dieter Schanz ebenso wie vom IG-Metall-Bevollmächtigten Heinz Schleußer und dem Betriebsratsvorsitzenden Herbert Mösle an die Unternehmensleitung der Thyssen Niederrhein AG gerichtet wurden, waren letztlich erfolglos.

Überraschend schnell erfuhren TNO-Mitarbeiter und die Stadt ohne eine vorherige Information die befürchtete Entscheidung des Vorstandes der Thyssen Stahl AG, „daß die Grobblechstraße, das Presswerk und alle nachgeschalteten Vergütungsanlagen sowie das Plattierwerk schnellstens stillzulegen sind“ (WAZ, 1. Juli 1983). Am nächsten Tag protestierten 4.000 TNO-Mitarbeiter vor dem Werksgasthaus an der Essener Straße gegen den drohenden Arbeitsplatzabbau. Die Stimmung bei dieser Protestaktion beschrieb die WAZ am 2. Juli 1983 mit den Worten: „Hilflosigkeit, ohnmächtige Wut, Ratlosigkeit oder Resignation las man in den Gesichtern der Demonstrationsteilnehmer“.

Ende August 1983, inzwischen war von dem Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen die Rede, forderte Oberbürgermeister van den Mond die Bürgerschaft und alle gesellschaftlichen Gruppen zum Protest auf mit den Worten: „Unsere ‚leisen‘ Töne haben bisher nicht geholfen, jetzt soll der Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze mit allen friedlichen Mitteln aufgenommen werden“ (WAZ, 26. August 1983). 15.000 Bürger sowie Mandatsträger aus Nachbarstädten und eine Delegation der Henrichshütte in Hattingen versammelten sich daraufhin am 30. August 1983 auf dem Bahnhofsvorplatz zur größten Protestaktion seit der Schließung der Zeche Concordia. Neben dem Oberbürgermeister, dem IG-Metall Ortsbevollmächtigten Schleußer, dem örtlichen DGB-Vorsitzenden Willi Haumann und dem stellvertretenden TNO-Betriebsratsvorsitzenden Willi Victor appellierte auch Stadtdechant Gregor Rehne an den Thyssen-Vorstand mit den Worten: „Eine Wiege, die leersteht, ist Zeichen der Zukunftslosigkeit und der Hoffnungslosigkeit“ (WAZ, 31. August 1983).

Es folgten bange Wochen für die Beschäftigten bis zur TNO-Aufsichtsratssitzung am 24. November 1983, in der die Stilllegung der Grobblechstraße einschließlich Normaladjustage und des Preßwerks beschlossen wurde und damit der Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen in Oberhausen endgültig feststand (WAZ, 26. November 1983).

Im September 1986 gab es erste Warnzeichen für den Fortbestand der Stahlproduktion in Oberhausen. Aber nur Wenige dürften schon damals die dramatische Entwicklung im Sommer des nächsten Jahres geahnt haben. Die Ausgangssituation für die TNO beschrieb der Vorstandsvorsitzende der Thyssen Stahl AG mit den Sätzen: „Allein in den letzten fünf Jahren haben wir bei Thyssen Niederrhein über eine halbe Milliarde Mark verloren“ und weiter: „Es ist nun einmal das Pech für Oberhausen, dass die Stadt mit dem Profilstahl an ein markt- und ergebnismäßig sehr schwaches Produkt gebunden ist“ (NRZ, 9. September 1986). Zu diesem Zeitpunkte war schon bekannt, dass die TNO ab 1. Oktober eine Betriebsabteilung der Thyssen Stahl AG in Duisburg werden und damit ihre Selbständigkeit verlieren würde.


Tabelle 6: Arbeitslose 1960 bis 2010

Quelle: Stadt Oberhausen, Bereich 4 - 5 Statistik und Wahlen

Die Gefahr für das Oberhausener Stahlwerk wurde schnell konkreter. Anfang Dezember informierte der Vorstandsvorsitzende, Dr. Heinz Kriwet, über den durch die schlechte Absatzlage bei Stahlprodukten erforderlichen Abbau von 1.100 Arbeitsplätzen im gesamten Unternehmen, der „mit Sicherheit auch Auswirkungen auf Oberhausen haben werde“ (NRZ, 6. Dezember 1986). Diese zunächst beschönigend angekündigten „auch Auswirkungen“ stellten sich im Februar 1987 als existenzbedrohend für den Stahlstandort Oberhausen heraus. Nur wenige Wochen nach der Bundestagswahl, die am 25. Januar 1987 stattfand, informierten Vorstandsmitglieder der Thyssen Stahl AG den Oberbürgermeister, den Oberstadtdirektor und den Ältestenrat der Stadt über die geplante Schließung weiterer Produktionsstätten in Oberhausen, die den ersatzlosen Abbau von 3.000 Arbeitsplätzen in Oberhausen bedeuten würde. Die Profildrahtstraße und die Drahtstraße sollten stillgelegt werden, das Elektrostahlwerk als Mini-Stahlwerk weiter bestehen bleiben, ebenso wie das Zementwerk (WAZ, 17. Februar 1987).

Emotionaler Höhepunkt der vielfältigen Aktionen im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze bei Thyssen war der Stahlaktionstag am 18. März 1987 unter dem Motto „Stahltod – nein! Oberhausen muss leben“. 35.000 Menschen beteiligten sich am Schweigemarsch von der Essener Straße zum Hauptbahnhof, an der Spitze Oberbürgermeister van den Mond und Duisburgs Oberbürgermeister Josef Krings.

Aus Duisburg und Bottrop kamen Konvois mit mehr als 1.000 Fahrzeugen, Metallarbeiter aus vielen Stahlstandorten in Deutschland beteiligten sich ebenso wie Mitarbeiter der Stadtverwaltung, der EVO und der STOAG, Schulklassen, und Vertreter der Einzelgewerkschaften. Ihre Solidarität mit den Stahlarbeitern erklärten Ruhrbischof Franz Hengsbach in einem Grußwort, Superintendent Walter Deterding, der Vorsitzende des Oberhausener Einzelhandelsverbandes Kurt Löwenthal und der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Heinz Schleußer. Deutliche Worte richtete der IG Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler an die Teilnehmer: „Wir wollen keine Elendsquartiere und Geisterstädte, wie sie der Wildwest-Kapitalismus in den US. geschaffen hat. Wir wollen Arbeit für alle und Gerechtigkeit für jeden“. Oberbürgermeister van den Mond appellierte eindringlich an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft: „Erhaltet die Arbeitsplätze im Revier, streckt notwendige Anpassungsprozesse zeitlich und regional so, dass die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in den Stahlstandorten möglich ist“ (NRZ, 19. März 1987).


Abb. 8: Aufkleber „Stahltod Nein“, gestaltet von Walter Kurowski

In einer Vielzahl von Konferenzen wurde in den nächsten Wochen versucht, die Umsetzung der Thyssenpläne zu verhindern. Aber weder die Bonner Stahlrunde am 31. März 1987, an der Bundeskanzler Helmut Kohl, Arbeitsminister Norbert Blüm und Wirtschaftsminister Martin Bangemann teilnahmen (NRZ, 1. April 1987), noch die Regionale Stahlkonferenz Rhein-Ruhr-Sieg, zu der Arbeitsminister Blüm und die Vertretungen von zwölf Stahlstandorten in NRW am 15. Mai zusammen gekommen waren sowie eine erneute Stahlrunde bei Bundeskanzler Kohl am 16. Mai 1987 brachten greifbare Ergebnisse (NRZ, 16. Mai 1987).

Die endgültige Entscheidung zu Gunsten des vom Thyssen Konzern vorgelegten Strukturkonzeptes fiel in der Aufsichtsratssitzung am 23. Juni 1987, in der der „neutrale Mann“, Alt-Bundespräsident Walter Scheel, dem Konzept zustimmte. Der lange befürchtete „Kahlschlag“ war damit besiegelt. In die allgemeine Betroffenheit mischten sich schon damals besorgte Stimmen zum Fortbestand der Stahlerzeugung in Oberhausen. Friedhelm Richter, Leiter des Vertrauenskörpers bei Thyssen sagte dazu: „Ein Elektrostahlwerk auf der grünen Wiese hat so gut wie keine Chance zu überleben“ (NRZ, 24. Juni 1987). Eine zutreffende Einschätzung, wie sich zehn Jahre später zeigen sollte, denn auch die gute Stahlkonjunktur am Ende der 1980er Jahre konnte letztlich die endgültige Schließung des Elektrostahlwerks im Jahr 1997 nicht verhindern. Am 23. Februar 1988, einen Tag vor der Montanrunde bei Bundeskanzler Kohl, erlebte das Ruhrgebiet unter dem Motto „1000 Feuer an der Ruhr“ mit einer 72 Kilometer langen Lichterkette von Dortmund bis Duisburg, an der sich auch in Oberhausen viele tausend Menschen beteiligten, „die wohl eindrucksvollste Demonstration der vergangenen Jahre“ (NRZ, 24. Februar 1988).

Ende 1989 beschäftigte Thyssen in Oberhausen nur noch knapp 1.500 Mitarbeiter und hatte damit seit Jahresbeginn 1980 fast 5.400 Arbeitsplätze abgebaut. Insgesamt verloren in Oberhausen allein im Bereich der Eisen- und Stahlerzeugung von 1961 bis 1989 rund 12.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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