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Die Neue Mitte Oberhausen: Motor des Strukturwandels für Oberhausen Interview mit Burkhard Drescher

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Herr Drescher, wie haben Sie nach dem Scheitern der Projekte in den 1980er Jahren die Stimmungslage für einen Strukturwandel in Oberhausen Anfang der 1990er Jahre wahrgenommen?

Ich habe es auf einer Podiumsdiskussion der WAZ, zum Entsetzen der Zuhörer, einmal so skizziert: Die Stadt macht den Eindruck, als sei sie in einen tiefen Defätismus verfallen. Die Stimmungslage nach dem Scheitern des World Tourist Centers (WTC) 1988 war so niedergeschlagen, dass man „jegliche Hoffnung hatte fahren lassen“, es herrschte also eine sehr gedrückte Stimmung.

Wahrscheinlich war das dann ein deutlicher Umschwung in der Stimmungslage, die die Stadtbevölkerung erlebt hat.

Anfang der 1990er Jahre, als die Erkenntnisse und die Eindrücke aus dem Scheitern des World Tourist Centers noch ziemlich stark waren, war die Stimmung, wie gesagt, sehr gedrückt. Belegt wurde dies auch durch regelmäßige Befragungen. Das städtische Amt für Statistik und Wahlen führte regelmäßig Bürgerbefragungen durch und daran war abzulesen, dass sowohl die Stimmung gegenüber der Politik als auch gegenüber der Verwaltung und in Bezug auf die Zukunftsperspektive der Stadt sehr negativ war. Die Zustimmungsraten bewegten sich um die 50 Prozent. Das hat dann auch dazu geführt, dass Bemühungen der Wirtschaft entstanden, in Eigeninitiative etwas für den Standort zu tun. Daher stammte der Impuls zur Gründung der EGO, der Entwicklungsgesellschaft Oberhausen. Die EGO war eine Initiative der Wirtschaft. Die Unternehmer in der Stadt trauten Politik und Verwaltung nicht zu, den Strukturwandel zu fördern. Um 1990 wurde die EGO gegründet und diese versuchte, mit eigenen Ideen die Diskussionen zum Strukturwandel anzufachen. Diese Ideen hatten zum Teil einen visionären Charakter. Da ging es z. B. um einen Zukunftspark auf dem damaligen Schlackenberg und ähnliche Themen. Im Ergebnis waren diese Projekte doch weit weg von der Realisierung.

Herr Dr. Ruprecht Vondran war damals Treiber auf Seiten der Wirtschaft. Herr Vondran war Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahlindustrie mit Sitz in Düsseldorf. Er kam aus Oberhausen und kandidierte 1992 für die CDU zum Bundestag. Er setzte sich an die Spitze der Bewegung. Die zentrale Botschaft lautete: Die Wirtschaft muss jetzt den Strukturwandel selber in die Hand nehmen, nachdem die Politik mit dem World Tourist Center 1988 gescheitert war. Eine meiner ersten Bemühungen bestand darin, die getrennten Aktivitäten der Wirtschaftsförderung von Stadt und Wirtschaft zusammen zu führen. Durch viele, viele Gespräche und – ich nenn es mal salopp „Mund-zu-Mund-Beatmung“ der Wirtschaft – gelang das schließlich. Aus der EGO wurde die ENO, die Entwicklungsgesellschaft Neu Oberhausen, eine gemeinsame Gesellschaft von Stadt und Wirtschaft. Aus städtischer Sicht ging es auch darum, die Dynamik der Wirtschaft für das gesamtstädtische Interesse zu nutzen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es damals in der Tat so, dass es zwischen der Wirtschaft und dem Rathaus nur sehr wenig Kommunikation gab.

Das hat letztendlich aber noch nicht zum Stimmungswechsel geführt, sondern das war nur eine wichtige Voraussetzung für den Aufbruch in den Strukturwandel. Die entscheidende Stimmungswende kam durch das Projekt Neue Mitte Oberhausen.

Kann man denn vermuten, dass in dieser Stimmungslage zwischen Stadt und Wirtschaft die beginnende Realisierung des Projektes Neue Mitte mit dem CentrO, dass das die Stimmungslage auch im positiven Sinne beflügelt hat? Dass man der Stadt etwas mehr zugetraut hat, nachdem diese Projektentwicklung in Gang gekommen war?

Zunächst einmal hatte ich den Vorteil, als neuer Oberstadtdirektor und als der jüngste Verwaltungschef überhaupt in Nordrhein-Westfalen, das Vertrauen der Wirtschaft leichter gewinnen zu können. Ich hatte sozusagen die Gnade des „späten Erscheinens“ in Oberhausen. Unbeteiligt an der Vergangenheit rund um das WTC konnte ich sehr schnell die Wirtschaftsvertreter für die städtischen Interessen mobilisieren. Durch Projekte, wie das Technologiezentrum Umweltschutz im ehemaligen Werksgasthaus seit 1991 oder Reformvorhaben, wie das Rathaus ohne Ämter seit 1995, verfestigte sich das Vertrauen bei Wirtschaft und Bevölkerung zusätzlich. Die Neue Mitte Oberhausen hat dann zu dem positiven Gesamtbild entscheidend beigetragen.

Das Projekt ist mir durch die Vermittlung von WestLB und Heinz Schleußer bekannt geworden. 14 Tage nach meiner Ernennung zum Oberstadtdirektor, am 14. März 1991, wurde mir das Projekt in Düsseldorf in der Messe vorgestellt. Ich hatte Herrn Fassbender, den Leiter der in der Stadtverwaltung neu eingerichteten Projektgruppe „O2000“, zur Präsentation mitgenommen. Wir waren die einzigen, die aus Oberhausen das Projekt zu Gesicht bekamen. Im damaligen Führungszirkel der Stadt, wozu Heinz Schleußer, aber auch Friedhelm van den Mond, der damalige SPD-Vorsitzende Dieter Schanz und Mike Groschek als Fraktionsvorsitzender gehörten, haben wir verabredet, dass wir das Projekt noch geheim halten wollten, um nicht ein weiteres Mal, ausgehend von einer hohen Erwartungshaltung, dann Frustrationen in der Bevölkerung auszulösen. Wir wollten es erst öffentlich machen, wenn die Realisierung abgesichert erschien.


Abb. 1: Burkhard Drescher

Wir schafften es tatsächlich bis zum Oktober 1991 das Projekt geheim zu halten. In der Zwischenzeit hatten wir das Projekt soweit entwickelt, dass wir dann bereits einen städtebaulichen Rahmenplan präsentieren konnten. Nun wussten wir wirklich, dass die Investition auch kommen würde, dass auch das Land NRW bereit war, die Baureifmachung des Geländes zu finanzieren. Trotzdem: Als wir im Oktober 1991 an die Öffentlichkeit gingen, war zunächst die Skepsis sehr groß. Das Stigma, dass Politik und Verwaltung Projekte ankündigten und sich dann die Realisierung zerschlägt, war noch tief verwurzelt. Die Bevölkerung verhielt sich folgerichtig dem Projekt gegenüber zunächst sehr, sehr zurückhaltend. Die Aufmerksamkeit in den Medien war riesengroß. Dem folgte eine kritische Diskussion. Es wurde öffentlich infrage gestellt, ob das Projekt realisierbar sei oder wieder durch Klagen verhindert werden würde. Ebenso wurden die Auswirkungen auf die Stadtteile innerhalb von Oberhausen und auf die Nachbarstädte diskutiert. Allerdings ließ das, nachdem die Realisierungsphase begann, mehr und mehr nach. Step by Step konnte man das an der Stimmung in der Bevölkerung messen. Weil sich dann seit 1993 die Kräne drehten, wurde erkennbar, dass man nicht über Visionen, sondern über ein reales Investment – in Beton gegossen – sprach.

Im Nachgang entsteht durchaus der Eindruck, dass die Erfahrung des World Tourist Centers vom Ende der 1980er Jahre durchaus das Stimmungsbild und die Wahrnehmung von Strukturwandelchancen der Oberhausener Bevölkerung stark beeinflusst hat. Was waren aus ihrer Sicht die entscheidenden Bedingungen für die erfolgreiche Realisierung des CentrO, die zugleich auch den Unterschied zur Situation um das World Tourist Center ausmachten?

Ich scheue wirklich davor zurück, den Vergleich mit dem World Tourist Center zu ziehen, denn damals war ich noch nicht in Oberhausen. Was wir beim Projekt Neue Mitte Oberhausen (NMO) anders gemacht haben, beginnt schon mit dem Namen. Wir haben wirklich versucht, das Projekt mit einer Dachmarke zu versehen, alleine, um die Kommunikation auf „die richtige Bahn“ zu bringen. Außerdem: Die Partner, die wir als Investoren hatten, verfügten über Erfahrung mit dem Strukturwandel. Die Healeys haben in Sheffield ein vergleichbares Projekt realisiert, in der trostlosesten Landschaft aus Industrieruinen, die man sich nur vorstellen kann.

Aber: Der entscheidende Faktor, neben dem überzeugenden, ganzheitlichen Konzept war die Phase der Aktivierung und der Kommunikation. Ich alleine habe in Oberhausen und Umgebung damals um die 250 Veranstaltungen in einem Jahr durchgeführt – nur zum Thema Neue Mitte. Und neben mir haben dieses viele andere Akteure ebenso gemacht. Vom Einzelhandelsverband Essen-Borbeck über die katholische Jugend bis zu den Gewerkschaften, alle wurden direkt umfassend informiert. Wir haben im Grunde durch direkte Kommunikation versucht, das Projekt zu erklären. Und daneben gab es kontinuierlich die Kommunikation über Newsletter und Medienberichte. Wir haben die Landtagsabgeordneten und die Oberbürgermeister der Region sowie die Bezirksplanungsräte regelmäßig mit schriftlichen Informationen versorgt. Und auch für die breite Bevölkerung wurde immer wieder in periodischen Publikationen berichtet: Jetzt ist der Bebauungsplan zur Rechtskraft gelangt, jetzt fangen die Abbrucharbeiten an, jetzt wird der Grundstein gelegt usw. Wir haben intensiv kommuniziert. Und das war aus meiner Sicht ein wesentlicher Grund dafür, warum sich keine großen Widerstände aufbauten. Widerstände, die es dann zwar immer noch mal gegeben hat, kamen vor allen Dingen aus den Nachbarstädten. Obwohl wir versucht haben, die Nachbarn in Arbeitskreisen mit einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den Planungsprozess mitzugestalten. Letztlich sind die formal vorgetragenen Widerstände vor dem OVG in Münster gescheitert. Die Stadt hat in allen Belangen ein rechtssicheres Planungsverfahren durchgeführt.

Wenn man sich die Situation Oberhausens im Vergleich mit den Nachbarstädten um das Jahr 1990 betrachtet, dann kann man sagen, Oberhausen war auf der Landkarte des Einzelhandels und der Freizeitwirtschaft zum damaligen Zeitpunkt eher ein weißer Fleck. Vor dem Hintergrund stellt sich sicherlich noch einmal die Frage, welche Stellung die Region und das regionalpolitische Management zugunsten des Projektes eingenommen haben?

Es stimmt, dass es ohne die regionale Akzeptanz sehr schwer gewesen wäre, die Neue Mitte Oberhausen umzusetzen. Die regionale Akzeptanz ist durch die Kommunikation sicherlich gefördert worden, aber vor allem auch durch das Projekt selber, weil das touristische Gesamtkonzept der NMO allgemein als regional nützlich anerkannt wurde. Auch schon in den frühen Anfängen spielte dabei die Akzeptanz innerhalb des IBA-Prozesses eine große Rolle. Insbesondere der Erhaltung des Gasometers als IBA-Projekt in der Neuen Mitte Oberhausen kam dabei eine enorme Bedeutung zu. Oder auch der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum, als weiteres IBA-Projekt mitten in der Neuen Mitte. Das waren Ankerpunkte, die regional im IBA-Prozess von Herrn Ganser, dem Direktor der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, positiv begleitet wurden und dann zur Akzeptanz auch des konsumorientierten Teils des Gesamtprojektes beitrugen.

Bezogen auf die Situation im Einzelhandel kann man sagen, dass sich die Marktstraße um 1992 längst im Abschwung befand. Als Versorgungszentrum hatte sie über den Stadtteil Alt-Oberhausen hinaus keine Bedeutung mehr. Das war eine Entwicklung, die sich schon in den 1970er/​1980er Jahren abgezeichnet hatte. Wir haben nachgewiesen, dass Kaufkraftströme längst an Oberhausen vorbei gingen. Der Kaufkraftabfluss in die Nachbarstädte, aber auch nach Düsseldorf, war enorm. Wir konnten sagen: Wir binden Kaufkraft wieder in Oberhausen. Dabei bestand der Ansatz von Beginn an nicht darin, nur Kaufkraft aus Oberhausen zu binden, sondern immer stand der touristische Ansatz im Vordergrund der Projektidee. Das hat dann dazu geführt, dass vom CentrO als ein Baustein in der Neuen Mitte kaum Zentrenschädlichkeit für die Nachbarkommunen ausging, weil der Einzugsbereich durch den touristischen Ansatz so breit angelegt war.


Abb. 2: Modell des geplanten CentrO, 1993

Aus heutiger Perspektive haben sicherlich viele Menschen in Oberhausen den Eindruck, dass einzelne Personen von großer Bedeutung für die Realisierung des Projektes waren. S. haben der damalige Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond oder der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer und eben Sie persönlich ganz entscheidend für die Realisierung des Projektes gewirkt. Wie kann man sich das vorstellen? Wie hat die praktische Zusammenarbeit zwischen diesen wichtigen Oberhausener Akteuren ausgesehen?

Grundsätzlich hängen alle Entwicklungen von Ländern, von Städten, von Regionen immer von den handelnden Personen ab. Und wenn Personen nicht miteinander harmonieren, wenn die verschiedenen Entscheidungsträger in einem solchen Entwicklungsprojekt nicht auf einer gewissen gemeinsamen Vertrauensbasis agieren, dann ist das meist das Ende für solche komplexen Projekte. Misstrauen raubt Zeit, raubt Kreativität und behindert letztendlich den Fortschritt. Man muss sagen, das war damals schon ein einmaliges Zeitfenster, das wir da erwischt hatten. Mit Johannes Rau als Ministerpräsident in Düsseldorf hatten wir einen Fürsprecher für den Strukturwandel im Ruhrgebiet und auch für dieses Projekt. Er wusste genau, was hier passierte. Wir hatten die Unterstützung des gesamten Landeskabinetts, also von Klaus Matthiesen als Umweltminister, über Franz Josef Kniola und später Ilse Brusis als Städtebauministern oder auch von Manfred Dammeyer als dem Fraktionsvorsitzenden der SPD– Landtagsfraktion. Alle entscheidenden Akteure auf Landesebene haben dieses große Projekt im Hinblick auf die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Strukturwandels im Ruhrgebiet gefördert. Das besondere politische Gewicht des damaligen Finanzministers Heinz Schleußer war allerdings unser größter Rückhalt. Auf dieser Basis war es auch sehr nützlich, dass ein Vertrauensverhältnis in der Stadt zwischen dem damaligen Oberbürgermeister und mir als Oberstadtdirektor, aber auch mit der Spitze der SPD-Fraktion, Herrn Groschek sowie mit Herrn Schanz als dem Parteivorsitzenden bestand. Auch das Verhältnis zu der großen Oppositionsfraktion im Rat, der CDU, war ausgesprochen gut. Die CDU hat das Projekt ebenso mitgetragen wie die FDP. Nur die Grünen waren damals so wie heute skeptisch, standen abseits. Es hat sich später mit der Person von Herrn Pohlmann als Fraktionssprecher geändert. Jedoch andere Grüne wollten mit dem Projekt nie etwas zu tun haben und haben das CentrO auch kontinuierlich bekämpft.

Die eben genannte persönliche Vertrauensbasis in der politischen Führung der Stadt, über belastbare Kommunikationswege organisiert, war sicherlich eine Voraussetzung dafür, dass es gelungen ist, die ganze Stadtbevölkerung mitzunehmen. Wir haben damals mit hohen Zustimmungsraten von über 80 Prozent, die sich letztendlich auch in Wahlergebnissen niederschlugen, die gesamte Bevölkerung in Oberhausen in eine positive Stimmungslage versetzen können. Es hatte sich verfestigt, dass aus dem Rathaus kein Geschwätz kam, sondern dort wirklich gehandelt wurde, dass wirklich neue Arbeitsplätze entstanden. Oberhausen wurde aus dem Stimmungstief befreit. Dieses wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht eine große Gruppe von Multiplikatoren gewonnen hätten, die das Projekt mit trugen. Dazu gehörte sicherlich auch das Verhältnis zur Wirtschaft. Die Wirtschaft hat viel schneller als manche andere in der Öffentlichkeit erkannt: Es bewegt sich was, es kommen Investitionen in die Stadt. Unsere wichtigsten Multiplikatoren nach innen wie nach außen kamen aus der Wirtschaft. Bei der IHK für Essen, Mülheim, Oberhausen, ob der Senior Kurt Löwenthal oder Manfred Assmacher oder später Dirk Grünewald. All jene, die aus Oberhausen in diesen Wirtschaftsgremien vertreten waren, wurden auf einmal zu ganz praktischen Wirtschaftsförderern der Stadt Oberhausen und haben das Projekt mit Verve vertreten. Auf die konnte man sich verlassen. Das waren alles Bausteine, die das Fundament gebildet haben für so ein riesiges Investitionsvorhaben, das im Ruhrgebiet seit Opel nicht mehr vorgekommen war. Das setzte auch die Region in Erstaunen.


Abb. 3: Haupteingang des CentrO vor der Erweiterung von 2011/​2012

Viele Zeitzeugen und die Tagespresse haben Mitte der 1990er Jahre ganz besonders wahrgenommen und hervorgehoben, dass es bei der Entwicklung und Realisierung des Projektes Neue Mitte Oberhausen ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem Investor Eddie Healey gab. Können Sie uns das schildern, vielleicht besondere Situationen, die besonders in Erinnerung geblieben sind?

Also prinzipiell ist das richtig. Als ich zum ersten Mal das Projekt präsentiert bekam, am 14. März 1991, bin ich aus der Präsentation gegangen und hab’ zu Herrn Fassbender, der mich damals als Leiter der Projektgruppe O. 2000 begleitet hat, gesagt: „Das Projekt wird nie etwas. Das ist zu groß, zu gigantisch. Das können wir nicht umsetzen. Oh weh, oh weh …“.

Und das aus Ihrem Munde!

Also es war mir nach 14 Tagen als Oberstadtdirektor in Oberhausen einfach eine Nummer zu groß. Dann kam aber Herr Healey einige Tage später ins Rathaus und da fand ich den Mann sehr überzeugend. Das hat meine Skepsis jedoch nur bedingt gemindert. Daraufhin bin ich sehr schnell nach Sheffield gereist. Und als ich dann von der Innenstadt von Sheffield durch diese Industrieruinen fuhr und auf einmal dieses riesige Investment sah, da kam bei mir erstmalig der Gedanke: „Wenn der das hier kann, dann gibt es vielleicht doch eine Realisierungschance in Oberhausen“. Der Eindruck vom Umfeld der Meadow Hall war wirklich schlimmer, als jeder Stadtteil im Ruhrgebiet nur sein kann. Und dann war es sicherlich Eddie Healey mit seiner visionären Überzeugungskraft und seiner Flexibilität, der mich davon überzeugt hat, dass man das schaffen kann.

Wobei eines witzig ist: Ich habe ja später für Amerikaner gearbeitet. Ich glaube, mich im Englischen inzwischen gut ausdrücken zu können. Damals war mein Englisch aber so verkümmert, dass ich mich kaum mit Eddie Healey unterhalten konnte. Das war mehr auf Augenkontakt aufgebaut. Wir haben auch nie telefoniert. Darüber hat er sich in späteren Jahren einmal amüsiert. „Wir haben gemeinsam beinahe eine neue Stadt gebaut, ohne je miteinander telefoniert zu haben“. Marion Weinberger, die Beauftragte von Healey, war als Vermittlerin unsere „Telefonleitung“. Das hing damit zusammen, dass mein Englisch damals so schlecht war, dass ich mir zwar ein Bier bestellen, aber nicht über Bauplanungsrecht philosophieren konnte. Das Vertrauensverhältnis wuchs auch darüber, dass wir viel gemeinsam unterwegs waren, wir haben uns vergleichbare Bauvorhaben weltweit angesehen, um für unser Projekt zu lernen und weniger Fehler zu machen. Und dabei habe ich Herrn Healey immer näher kennen gelernt. Es war schon eine sehr, sehr große Vertrauensbasis erreicht. Die hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir bestimmte Dinge auf Zuruf entscheiden konnten. Ich hatte z. B. ein städtisches Anliegen, da brauchten wir jetzt Hilfe. Er hat dann sofort im Gespräch entschieden: Wir lösen das Problem. Das ist heute tatsächlich undenkbar bei global agierenden Immobilienkonzernen mit ihren großen Projektentwicklungen. Aber Eddie Healey war Alleineigentümer, Familienunternehmer. Er konnte ganz alleine entscheiden und er entschied dann über Milliarden. Das waren Abläufe, die man sich heute so kaum mehr vorstellen kann.

Heißt das auch, dass sein Partner, die Logistik-und Transportgesellschaft P & O, ihm großen Freiraum eingeräumt hat, im gemeinsamen Unternehmen Stadium, das in Oberhausen tätig wurde, Entscheidungen zu treffen?

P & O hat die Zwischenfinanzierung gestemmt. Doch sie waren in dem Projekt für uns nicht sichtbar. Das war alles auf dem persönlichen Verhältnis zu Eddie Healey und seinem Sohn Paul, der heute die Geschäfte übernommen hat, aufgebaut. Das hat es natürlich vereinfacht, so ein komplexes Projekt umzusetzen. Wir haben den Bebauungsplan erarbeitet und parallel schon die Altanlagen abgerissen. Als strategische und logistische Leistung findet man das in der Dimension wahrscheinlich – auch bis heute – nicht so oft.

Der Planungsprozess und die Realisierung des Projektes sind Themen, die uns ganz besonders interessieren. Eine Vielzahl von Gutachtern, Stadtplanern, Experten hat mitgewirkt an der Vorbereitung der Planungsphase, ob es jetzt den Verkehr betrifft oder regionale Betrachtungen zum Thema Einzelhandel und Kaufkraft. Wie war die für ein Vorhaben dieser Größenordnung tatsächlich ganz ungewöhnlich schnelle Projektumsetzung in nur gut vier Jahren möglich?

Erstens hatten wir sehr gründlich über eine Projektorganisation nachgedacht. D. h. wir hatten ein, wie ich fand und wie ich auch heute noch finde, sehr effektives Projektmanagementsystem organisiert. Wir haben damals schon einen sogenannten runden Tisch eingesetzt – der war tatsächlich rund und stand im Rathaus, im Raum 117. Und an diesem runden Tisch saß der Investor, die Architekten, externe Juristen und Berater ebenso wie die städtischen Mitarbeiter, und zwar hierarchiefrei. Das war für die eine oder andere Führungsperson im Rathaus ungewöhnlich, wenn Mitarbeiter ihr widersprachen, nur weil ich sie dazu aufgefordert hatte. Alle sollten sich daran gewöhnen, dass an dem Projekttisch nur die fachliche Meinung galt und keine Hierarchien aus der Verwaltung. Wirklich hilfreich war auch, dass wir externen Sachverstand an den Tisch geholt hatten. Der bekannte Stadtplaner Jochen Kuhn aus Düsseldorf z. B. hat den Grundlagenplan erarbeitet, der die Basis des städtebaulichen Gesamtkonzeptes für das Projekt Neue Mitte Oberhausen bildete.

Das erste Projekt in der Neuen Mitte war der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum Umweltschutz ab 1991. Es waren die Pariser Architekten Reichen & Robert, die diese Spiralkonzeption entwickelten. Von dem Rundbau des TZU, um das alte Werksgasthaus herum, haben sie Schleifen gezogen. Das hat Herr Kuhn dann aufgenommen und daraus das ganze städtebauliche Bild für die Neue Mitte gebildet. Das ging im Norden hoch bis zum Dom in Osterfeld. Die Landesgartenschau hat sich später ebenfalls daran orientiert. Wir haben wirklich eine neue Struktur kreiert, weil wir nicht einfach ein beliebiges Shopping-Center haben wollten. Wir waren gemeinsam mit Herrn Kuhn davon überzeugt: Wir können hier für Oberhausen eine Neue Mitte bauen. Deshalb wollten wir dann eine Mixtur von Gewerbe, Freizeit, Einkaufen und Wohnen realisieren. Bis auf Wohnen ist im Grundsatz alles realisiert worden.

Für die Gesamtkonzeption haben wir uns sehr viel Mühe gegeben, den Sachverstand, den man republikweit bekommen konnte, einzubeziehen. Also den besten Verkehrsplaner, die besten juristischen Berater und dann noch das Thema Einkaufen. Was ist für das Einkaufen an Kaufkraftpotenzial vorhanden? Welche Projektbausteine sind denn wirklich touristisch zu begründen? Denn es machte wenig Sinn, nur Umschichtungen zwischen Alt-Oberhausen und CentrO oder zwischen Bottrop und CentrO vorzunehmen. Unser Ziel bestand darin, Besucher aus Münster, aus Köln oder aus Erfurt ins Ruhrgebiet zu holen, sie touristisch anzulocken, indem man das Einkaufen als eine Art des moderneren Freizeitvergnügens entwickelt. Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich, möglichst viel Sachverstand zu organisieren, weil es Urban-Entertainment-Center, wie es sie damals im internationalen Maßstab schon gab, in Deutschland noch nicht gab. Warum wir damit keine strategischen Fehler machten? Wir hatten sicherlich einen Investor, der ein gutes „Shopping-Näschen“ hatte und weltweit alle Entwicklungen kannte. Aber zugleich mussten wir das Projekt europäisieren, mehr oder weniger auf deutsche Maßstäbe und dazu noch Ruhrgebietsmaßstäbe herunter brechen. Da waren die vielen, vielen Berater, die wir hatten, höchst sachdienlich.

Sie hatten gerade den Investor Herrn Healey angesprochen und den Planer Herrn Kuhn. Wenn man die Möglichkeit hat, nach England zu reisen und sich die Meadow-Hall in Sheffield im städtischen Umfeld anzusehen, dann fallen durchaus einige gravierende Unterschiede auf, die das dortige, als Solitär errichtete Einkaufszentrum vom CentrO, vor allen Dingen von der gesamten Neuen Mitte als Konzeption deutlich unterscheiden. Wie ist es ihnen gelungen, den Investor Herrn Healey von den Oberhausener Vorstellungen zu überzeugen, nämlich ein breit aufgestelltes, differenziertes Dienstleistungszentrum zu entwickeln?

Das war an sich gar nicht so schwer. Schwieriger waren die amerikanischen Architekten, die Herr Healey mitbrachte, – RTKL, ein amerikanisches Architekturbüro. RTKL hatte viele Shopping-Malls in Amerika gebaut und war auch in Sheffield maßgeblich beteiligt. Die RTKL-Architekten hatten das Ziel, wie es in Amerika üblich ist, dass die Shopping-Malls in sich geschlossene Systeme sind, mit nur vier Eingängen für alle Himmelsrichtungen. Wir wollten aber das Ganze eher mediterran öffnen, in die Stadt integrieren. Darauf sollten die baulichen Strukturen aufbauen. Uns gelang es, die ganze Mall nach außen zu öffnen, also keinen geschlossenen Baukörper zu bilden. Deshalb findet man da sogar zu den Parkplätzen Schaufenster. Das haben wir mühevoll durchgesetzt bei den Architekten. Herr Healey war für diese Fragen sehr offen, hat dafür sogar mehr Geld in die Hand genommen, als funktional notwendig gewesen wäre, wie übrigens für die Begrünung auch. Das haben wir alles gemeinsam in einem mühevollen Prozess erarbeitet. Dafür war besonders wichtig, deutsche Architekten einzubeziehen. In einem Wettbewerb unter Beteiligung internationaler Büros haben wir schließlich RKW aus Düsseldorf ausgewählt. RKW hat es dann übernommen, die Übersetzung der Stadtplanungsideen von Herrn Kuhn und der Stadt in eine architektonische Gesamtlösung zu überführen.

Am Anfang erzählte Herr Healey mir, hatte er vor, schon in Sheffield um die Meadow-Hall herum mehr zu bauen, mehr Entertainment zu etablieren, weil er schon die Grundidee hatte, das Einkaufen neu zu positionieren.

Wir haben damals im Planungsprozess wirklich versucht, weltweite Entwicklungen aufzunehmen. Wo sind Dinge, die wir auf keinen Fall wollen und wo gibt es Ansätze, aus denen wir etwas lernen können? Wir hatten auch eine intensive Diskussion mit der IBA und ihrem Direktor Karl Ganser, der gerade an der touristischen Stadtentwicklung in Deutschland an exponierter Stelle mitgewirkt hat. Dadurch wurde der Plan immer besser und die Akzeptanz nahm zu. Wir kamen immer mehr dazu, neue Wege zu gehen zu einem neuen Zentrum, wo man Einkaufen mit Tourismus verknüpft, so wie es das in Deutschland noch an keiner Stelle bisher gab und auch bis heute nicht gibt. Dabei wollten wir das Ruhrgebiet nicht amerikanisieren, sondern wir wollten schon die europäischen Stadtentwicklungs- und Stadtbilder übertragen wissen. Und der nächste Schritt war, dass wir das Wohnen in die Neue Mitte hineinziehen wollten. Das ist aus vielerlei Gründen nicht gelungen. Einerseits lagen die Ursachen in den Eigentumsverhältnissen begründet, weil die Grundstücke nicht in unserer Hand waren. Andererseits gab es baurechtliche Einschränkungen. Die Abstandserlasse setzten gewisse Grenzen, weil rundherum immer noch Industrie und Gewerbe vertreten war. Das hat sich erst später, als das Stahlwerk Oberhausen im Dezember 1997 stillgelegt wurde, relativiert.

Aus der Perspektive der Landesplanung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gehörte die Darstellung eines hohen ÖPNV-Anteils an den Verkehren zur Neuen Mitte zu den wichtigen Vorgaben. Das erforderte die Planung eines neuen ÖPNV-Konzeptes für Oberhausen, was wiederum zur Wiedereinführung der Straßenbahn von 1994 bis 1996 führte. War die neue zentrale ÖPNV-Trasse für Sie schlicht eine Notwendigkeit zur Realisierung der Neuen Mitte oder doch mehr die Chance zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung des öffentlichen Nahverkehrs in Oberhausen?


Abb. 4: Innenaufnahme aus dem Centro-Mitteldom, 1996

Der entscheidende Punkt war wirklich, schon unter Klimaschutzgesichtspunkten – obwohl das damals nicht wie heute das politische Thema Nummer eins war – zu überprüfen: Welche Transportmöglichkeiten gibt es, um die erwarteten Käuferströme leistungsfähig zu bedienen? Was sind die effektivsten Methoden, was sind auch die umweltfreundlichsten? Das spielte damals schon eine große Rolle. Ich möchte auf Folgendes zurückkommen: Das Projekt Neue Mitte sollte eine neue Mitte für Oberhausen werden. Und von daher sollte sie auch erschließungstechnisch eine neue Mitte werden. D. h. wir wollten von da aus auch die Stadtquartiere anbinden. Wir haben die Straßenbahn von Mülheim über die Innenstadt von Oberhausen am Hauptbahnhof vorbei, dann in die Neue Mitte und von dort bis in die Innenstadt von Sterkrade weiter geführt. Es gab aber auch Planungen, sie sogar bis nach Schmachtendorf zu führen. Wir haben die Trassenplanung dafür gemacht. Auch in Richtung Essen wollten wir Oberhausen anbinden. Das alles war durchgeplant, war durchgerechnet. Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben, ob wir unsere Ziele mit der Straßenbahn erreichen können. Denn eine U-Bahn, das war uns klar, wäre viel zu teuer gewesen. Duisburg baute damals eine U-Bahn-Verbindung für 120 Millionen D-Mark pro Kilometer. Das war jenseits jeder Realisierungschance. Wir haben andererseits diskutiert, ob man das Verkehrsvolumen mit dem Bus-Verkehr bewältigen kann. Da hat es schon heftige Diskussionen gegeben. Der damalige STOAG-Vorstand wollte unbedingt Busse. Ich war sehr früh für die Straßenbahn als Verkehrsmittel, weil wir viele nicht mehr genutzte Werksbahntrassen hatten und es bot sich einfach an, diese als neue Straßenbahntrassen zu nutzen. Das haben wir dann ab dem Hauptbahnhof realisieren können. Deshalb war das Ganze relativ preisgünstig. Es hat sich im Alltag schließlich auch bewährt. Man konnte einen relativ hohen ÖPNV-Anteil im ▶ Modal Split aller Verkehrsmittel erreichen, also den von etwa zwölf Prozent auf 25 bis 30 Prozent stark erhöhen ÖPNV–Anteil an allen Verkehrsmitteln. Ein weiteres Ziel war, hohe Grünflächenanteile zu erreichen. Die Landesgartenschau 1999 in Osterfeld war ein Teilprojekt der Neuen Mitte. Ehemals verbotene, mit ▶ Altlasten verseuchte Flächen, sollten der Freizeitgestaltung zugeführt werden. Im Nachhinein betrachtet lässt sich feststellen, wir haben uns damals durchaus auf der Höhe der Stadtentwicklungsdiskussion in Deutschland bewegt.

Dann spielt ja neben dem CentrO über viele Jahre hinweg bis heute der Gasometer eine ganz herausragende Rolle für das touristische Erscheinungsbild der Stadt, auch sicherlich für die Identifikation der Oberhausener mit ihrer Stadt. Der Gasometer am Rhein-Herne-Kanal ist heute einer der spannendsten Ausstellungsräume, die es in Deutschland gibt. In den 1990er Jahren gab es eine spannungsreiche und emotionsgeladene Entscheidungsphase über den Abriss oder den Erhalt des Gasometers. Öffentlichkeit und Politik waren durchaus gespalten. Wie war Ihre persönliche Haltung in dieser Entscheidungssituation?

Die Ruhrkohle hatte 1992 den Abriss des Gasometers bei der zuständigen Bauordnungsbehörde beantragt und die hatte den Abriss genehmigt. Und dann lag die Genehmigung für den Abriss auf meinem Schreibtisch. Ich habe sie festgehalten und die Diskussion abgewartet. Die Diskussion wurde sehr stark von einigen Oberhausener Aktivisten, Roland Günter, Hartwig Kompa und Walter Kurowski seien hier genannt, vorangetrieben. Aber auf der anderen Seite ebenso von Professor Karl Ganser, dem Direktor der Internationalen Bau Ausstellung Emscher Park. Die ersten Nutzungsideen kamen auf und Projektvorschläge wurden auf den Tisch gelegt. Eine Idee war, den Gasometer zum Hochregallager umzubauen. Dann wollte jemand mit alten Lufthansa-Flugzeugstühlen ein Planetarium einbauen. Es gab also die verrücktesten Ideen bis zum Indoor-Golfplatz. Aber all diese Projektideen haben mich nicht überzeugt und ich war dann wirklich der Meinung, wir können es uns finanziell nicht erlauben, das Ding zu unterhalten. Deshalb war ich eher geneigt, die Abrissgenehmigung an die Ruhrkohle weiter zu geben.

Doch dann kam Herr Ganser und stellte mir das Projekt „Feuer und Flamme“ vor. Das war eine Ausstellung über die Industriegeschichte des Ruhrgebietes. Er hat mir dazu die Umbaupläne gezeigt. Ich bin dann mit ihm im Gasometer gewesen, wir sind unten in den Gasschlauch hinein gekrochen, da hing die Scheibe noch ganz tief. Er hat mich schließlich überzeugt, dass es Sinn macht, aus dem Gasometer eine Ausstellungshalle zu machen. Nun kommt aber Eddie Healey wieder ins Spiel. Es ging damals wie heute bei allen Projekten um Fördermittel. Die waren damals zwar leichter zu bekommen als heute, aber nicht so der Eigenanteil. Mir war eines klar: Wenn ich in den Rat der Stadt mit dem Vorschlag gehe, dass die Stadt 640.000 D-Mark als Eigenanteil auf den Tisch legen sollte, würde ich scheitern. Denn die Haushaltssituation war damals ähnlich wie heute, so dass man keine zusätzlichen Ausgaben tätigen wollte und konnte. Und dann bin ich zu Herrn Healey gegangen und habe gesagt: „Mr. Healey, für Ihr Projekt da unten am Fuß des Gasometers brauchen wir ein industriekulturelles Erbe wie den Gasometer. Sind Sie bereit, die 640.000 DM auf den Tisch zu legen?“ Und er hat sich dazu bereit erklärt. Allerdings war das eine Ausfallbürgschaft. Die ist später nie in Anspruch genommen worden, weil das Ganze sich dann über erfolgreiche Ausstellungen wirtschaftlich so positiv entwickelte. Also ich war nun überzeugt, dass wir „das Ding“ erhalten müssen. Wir haben dann im Rat dafür gekämpft. Herr Ganser und ebenso Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond waren vorher in den Fraktionen. Es war jetzt wieder die alte Führungsmannschaft, die gesagt hat: Okay, wenn das so ist, dass es die Stadt keine Mark kosten wird, dann kann das Ding als Ausstellungshalle erhalten werden. Viele sind davon ausgegangen: Da findet jetzt einmal eine Ausstellung statt und dann ist die Zukunft des Gasometers wieder offen. Wir haben also die Fördermittel bekommen; es kostete die Stadt kein Geld und wir durften den Umbau realisieren. Dann lief die Ausstellung und die Ausstellung hat uns alle überrascht, weil der Zustrom enorm war. Ich glaube da waren 240.000 Besucher im ersten und noch einige mehr im zweiten Jahr.

Der Erfolg hat die Erwartungen übertroffen?

Ja, die Erwartungen wurden weit übertroffen. Und dann wurde nicht mir alleine, sondern auch dem Rat der Stadt und der Verwaltung langsam klar: Das wird auch langfristig ein wichtiges Thema. Daraufhin haben wir dann eine eigene GmbH gegründet und eine Geschäftsführung eingesetzt, die auch heute noch den Gasometer managt. Seit dieser Zeit kommt der Gasometer ohne einen Zuschuss der Stadt aus. Seit 2007 bekommt die Gesellschaft lediglich vom RVR einen Zuschuss für die Instandhaltung. Seit 1994 läuft der Gasometer erfolgreich. Die damaligen Besucherzahlen sind heute längst überholt, weil es auch Jahre gegeben hat mit um die 400.000 Besuchern. An den Befragungen der Besucher ist ablesbar, der Gasometer ist ein Ausstellungsgebäude, das weit über Oberhausen hinaus Ausstrahlungskraft hat. Inzwischen ist er das Wahrzeichen der Stadt Oberhausen.

Der Gasometer hatte aber noch eine ganz andere Bedeutung: In der Bauphase des CentrO war er schon umgebaut, 1994/​1995. Und da die Skepsis bei den Oberhausenern, aber auch bei Investoren, noch immer ausgeprägt war, ob das CentrO unter dem Gasometer wirklich in der angekündigten Größe und Vielfalt gebaut wird, war es für mich immer wieder eine entscheidende Überzeugungstat, mit den Menschen auf den Gasometer zu fahren. Einmal vom Dach blicken und feststellen: Ach tatsächlich, guck mal, da wird gebaut! Das galt übrigens auch für die Landesgartenschau. Da konnte man auch sehen, tatsächlich, da wird abgerissen, die bauen da wirklich! Das steht nicht nur in der Zeitung und ist nicht nur ein Sonderblatt der Stadt, sondern es wird tatsächlich gebaut! Also: Die Besucher des Gasometers erhielten durch diese Anschauung vom Dach einen direkten Bezug zu dem gesamten Entwicklungsprozess der Neuen Mitte Oberhausen. Da erst haben viele Oberhausener begriffen, was in ihrer Stadt passiert. Das „Sehen, Fühlen, Anfassen“ war entscheidend.

Sie haben uns gerade einen sehr interessanten Einblick gegeben, dass der Direktor der Internationalen Bauausstellung, Karl Ganser, einen Beitrag zu dieser Entscheidungssituation über den Gasometer beigesteuert hat. Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Karl Ganser?

Das persönliche Verhältnis war am Anfang, vor allen Dingen von seiner Seite, von Skepsis geprägt. Ich war damals mit 40 Jahren als Oberstadtdirektor ein relativ junger Verwaltungschef – ich wurde eher mit dem Macher-Image in Verbindung gebracht. Ich war vorher Stadtkämmerer in Grevenbroich und hatte dort als Wirtschaftsförderer ein Profil entwickelt. Karl Ganser aber hatte einen anderen Anspruch. Schließlich wollte er aus dem Ruhrgebiet sogar mal einen Nationalpark der Industriekultur machen. Ich kam vom Niederrhein und daher waren das für mich Dinge, die eher fremd waren. Ich habe dann viel von ihm gelernt. Dann hat er gesehen: Die in Oberhausen bekommen mit Drescher etwas umgesetzt. Und, als ich dann zum Erhalt des Gasometers meinen Beitrag geleistet hatte, auch das TZU umgebaut werden konnte, da hatte ich mir bei ihm einen gewissen positiven Stellenwert erarbeitet. S. hat sich später zwischen uns ein regelmäßiger Schriftverkehr entwickelt; ich habe ihn immer angeschrieben mit „großer Meister“. Das war witzig und ironisch gemeint, hatte aber einen ernsten Hintergrund: Ich habe nicht die städtebaulichen, wissenschaftlichen Grundkenntnisse und die Visionen von Karl Ganser, da konnte ich nur von ihm lernen. Da war ich Lehrling. Das habe ich auch aufgenommen, so gut ich konnte und dabei viel in realen Projekten umgesetzt. Was ich damals gelernt habe, ist mir bis heute sehr zugute gekommen bei meiner Einsichtsfähigkeit in städtebauliche Probleme. Daraus hat sich entwickelt, dass ich auf seinem siebzigsten Geburtstag war und auch meine Frau immer noch mit ihm Kontakt hat.

Zu den ganz wichtigen IBA-Projekten in Oberhausen, über die Neue Mitte hinaus, zählt die Umgestaltung des Oberhausener Hauptbahnhofs auch als ein Projekt zur Aufwertung der Innenstadt. Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht das IBA-Projekt Hauptbahnhof Oberhausen?

Es gibt in Oberhausen eine ganze Perlenkette von Projekten, die einen hohen Stellenwert haben. Das alles waren Projekte, die wir unter der Überschrift O.2000 versuchten als ganzheitliches Konzept zum Strukturwandel umzusetzen. Da gehörte der damals „fiese“ Bahnhof dazu, der schließlich 1996 umgebaut wurde. Es war unser Ziel, den Urzustand des Bahnhofs aus der Bauphase von 1930 bis 1934 wieder herzustellen. Das ist ja weitgehend so geschehen. Es war ein ganz wichtiges Projekt. Und es war damals ein Glücksfall, denn damals in der Umstrukturierungsphase der Deutschen Bahn AG hatten wir das Glück, dass es einen Generalbevollmächtigten gab, der die verschiedenen Töchter der Bahn AG koordinieren durfte. Er hatte die Macht zu entscheiden. Sonst ist man bei der Bahn immer ins Leere gelaufen, weil niemand zuständig war. Und da war auf einmal einer, der saß in Essen, und ich bin dann oft zu ihm gefahren. Er hat gesagt: „Herr Drescher, Sie haben Recht, das machen wir so.“

Und dann konnten wir mit den Mitteln des Landes, mit den Ministern Zöpel und Kniola, den Umbau als IBA–Projekt umsetzen. Wir hielten das städtebaulich von der Qualität des Gebäudes für einen ganz wichtigen Schritt zur Stärkung der Innenstadt. Dazu gehört auch der Bahnhofsvorplatz. Das Gebäude ist sehr gelungen. S. sehen die anderen Bahnhöfe im Revier noch lange nicht aus. Wie das ganze Stadtquartier zwischen Bahnhof und Rathaus Oberhausen, welches in späteren Jahren mit dem Parkstadtkonzept eine deutliche Aufwertung erhielt.

Abschließend möchten wir noch ein Mal zur Neuen Mitte Oberhausen zurückkehren. Nach der Stilllegung des Elektrostahlwerkes an der Osterfelder Straße im Dezember 1997 wurde diese frühere Betriebsfläche von Töchtern der Stadt Oberhausen aufgekauft und baureif gemacht. Im Gegensatz zum CentrO war hier die Stadt in einer anderen Rolle, in der Rolle eines aktiven Projektentwicklers für den O.VISION Zukunftspark. Hat die Stadt diese Rolle im Gefühl eines neuen, gewachsenen Selbstbewusstseins nach der erfolgreichen Realisierung der Neuen Mitte übernommen oder war das aufgrund der besonderen Bedingungen dieser Fläche eine zwingende Notwendigkeit?

Also ich glaube, dass wir als Stadt bei der Gesamtkonzeption der Neuen Mitte immer Projektentwickler waren. Der Unterschied zu O.VISION bestand darin, dass wir beim CentrO einen Investor hatten, der große Teile der Fläche bebaut hat und dieses nach unseren Vorstellungen. Das hatten wir beim Stahlwerk nicht. Wir hatten in der Tat geänderte Bedingungen, denn bei der Komplexität der Entwicklung für das Stahlwerksgelände konnte man das nicht mit einem Investor allein machen. Wir hatten vor, das Thema „Wohnen“ neu aufzugreifen und in Zukunftsbranchen zu investieren.

Wenn man das Stahlwerksgelände, diese wichtige Fläche zwischen Oberhausen und Essen, einer echten Zukunftsentwicklung zuführen wollte, blieb uns gar keine andere Wahl, als das Ganze in die städtische Hand zu nehmen. Wir haben dann zunächst mit Fördermitteln das Gelände baureif gemacht. Parallel entwickelten wir tolle Projektideen. Wobei man sagen muss, da hatte sich das politische Umfeld nach der Jahrtausendwende wesentlich geändert. Die Landesregierung war nicht mehr die Landesregierung von Johannes Rau und es fehlte der Mut, in Strukturwandel zu investieren. Und erst recht der Mut auch in Kauf zu nehmen, dass mal etwas schief gehen kann. Bei der IBA sind ebenfalls Dinge schief gegangen – das war die Normalität. Die Landesregierung hatte nicht mehr den Mut, große Dinge zu bewegen. Stattdessen war die Bereitschaft zur Baureifmachung als Gewerbegebiet noch gegeben. Dann folgte auch verbale Unterstützung. Aber der Mut, solche Dinge wirklich umzusetzen und dann öffentlich zu fördern, der war ziemlich schwach ausgeprägt. Wir hatten allerdings auch Großes vor. Ja, wenn man das heute betrachtet, ist die Dimension der Pläne aus dem Selbstbewusstsein erwachsen, was wir alles schon realisiert hatten und was wir glaubten stemmen zu können. Wir waren da vielleicht ein bisschen sehr mutig, das will ich nicht verhehlen. Auf der anderen Seite hätte die Landesregierung damals klar und mutig gesagt: „Bis dahin und nicht weiter!“ Dann hätte man Manches vielleicht noch mit privaten Investoren machen können.

Auf jeden Fall bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass es richtig ist, wenn Kommunen mit städtischen Gesellschaften solche wichtigen, zentralen Flächen für die Entwicklung der Stadt sichern.

Einmal noch nachgefragt: Im Jahre 2006 hat die nordrhein-westfälische Landesregierung nach langen Jahren der Projektentwicklung den O.VISION Zukunftspark endgültig abgelehnt. Wenn man das aus heutiger Sicht betrachtet, was hat die Stadt Oberhausen in dieser Projektentwicklung gut gemacht und was hätte man aus der heutigen Betrachtung eventuell noch besser machen können?

Einerseits gab es bis 2004 die Zusagen der Landesregierung, bis zu einem bestimmten Kostenpunkt das Zentrum des Projektes, nämlich den Gläsernen Menschen als Ausstellungsgebäude für Mensch und Gesundheit sowie den Umbau des ehemaligen Stahlwerks, zu fördern. Aus meiner heutigen Sicht ist immer noch schade, dass dies alles nicht realisiert werden konnte. Das Stahlwerk mit der Straßenbahnhaltestelle wäre für die gesamte Region ein Highlight gewesen. In Düsseldorf wurde uns zwar immer gesagt, ja, wir werden das fördern. Aber durch das administrative Tun im Wirtschaftsministerium wurde die Realisierung hinausgezögert und schließlich unmöglich gemacht.

Man hätte aus Oberhausener Sicht vielleicht früher darauf setzen müssen, z. B. den Gläsernen Menschen anders und mit privaten Investoren zu realisieren. Es gab ja Interesse, nicht in der schönen organischen Form, wie wir uns das gedacht hatten, so ein Projekt zur Gesundheit zu realisieren, sondern abgespeckter, kostengünstiger. Auch die Straßenbahnhaltestelle wäre kleiner besser zu realisieren gewesen. Aber: aus heutiger Sicht ist es schwierig dieses zu beurteilen. Ich würde sagen, wenn die Landesregierung frühzeitig – vielleicht in 2002 – abgesagt hätte, hätten wir in Oberhausen versucht mit Privatinvestoren das Projekt eine Nummer kleiner zu fahren und es trotzdem zu realisieren, um die Entwicklungspotenziale für die gesamte SWO-Fläche nutzen zu können.

In der Schlussphase von O.VISION von 2004 bis Anfang 2006 war ich dann nicht mehr an den Diskussionen beteiligt und nicht mehr im Amt. Und dann sollte man besser schweigen.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4

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