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Einseitiger Patriotismus

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Überwand ein im Krieg belebter Patriotismus gesellschaftliche Trennungen? Mit Blick auf die deutsch-welsche Divergenz hatte Carl Spitteler mit seiner berühmten Rede im Dezember 1914 bewusst gemacht, «dass der politische Bruder uns nähersteht als der beste Nachbar und Rassenverwandte». Auch ein soziales Werk konnte als Beitrag zur Erneuerung der Schweiz verstanden werden. So wollte Maurice Champod, Propagandachef der Firma Maggi und dann Initiant der im Kern 1917 in Winterthur gegründeten Pro Senectute, mit seinem «Appell an den vaterländischen Sinn […] das Gefühl der Zusammengehörigkeit stärken».13

Besonders trat allerdings der militärische Aspekt des Patriotismus hervor. Der Aktivdienst konnte eine verbindende Erfahrung sein. In Robert Faesis «Füsilier Wipf» wird zudem bilanziert: «feldtüchtig – welttüchtig» –, eine Kurzformel für die Erziehungsfunktion der Armee.14 Für die vom Krieg «zu des Vaterlandes Schutz» geforderten Opfer wurde auf Initiative der kantonalzürcherischen Unteroffiziersgesellschaft das flammenförmige Denkmal auf der Forch errichtet. An dessen Einweihung durch den Bundespräsidenten und weitere Behördenvertreter (ohne die Zürcher SP-Stadträte) nahmen 1922 Zehntausende von Personen teil. Die meisten der 371 in der Kriegszeit ums Leben gekommenen Wehrmänner waren Opfer der Grippeepidemie während des Ordnungsdienstes gegen den Landesstreik. Daher wird das Monument überspitzt auch als «Siegerdenkmal des Zürcher Bürgertums gegenüber der Arbeiterbewegung» interpretiert.15

Als tatsächlich eingesetztes Instrument zur Verteidigung der bürgerlichstaatlichen Ordnung wirkte die Armee jedenfalls auch polarisierend. «Es kann nur von Gutem sein, wenn der Stadt Zürich das internationale Bild durch einen vaterländischen Einschlag, den Anblick des Militärs, etwas verdorben wird», meinte Divisionär Emil Sonderegger im Mai 1919, als sich die Regierung für den Rückzug der Ordnungstruppen aus Zürich aussprach.16 Anlässlich des Landesstreiks formierten sich zudem Bürgerwehren, Organisationen von Freiwilligen zur Unterstützung der Ordnungstruppen. Die Zürcher Stadtwehr trat namentlich beim lokalen Generalstreik im August 1919 in Funktion, musste aber grösstenteils untätig bleiben. Der als Dachorganisation der Bürgerwehren gegründete Schweizerische Vaterländische Verband stellte einen «Werkdienst» (als Streikbrecher) auf, spielte im Hintergrund eine gewisse politische Rolle und betätigte sich später insbesondere als Zuträger des Staatsschutzes.17

Der Anfang des Jahrhunderts aufgekommene Diskurs der «Überfremdung» erhielt eine gewisse Eigendynamik. Der Anteil der Ausländer in der Schweiz betrug 1914 rund 15 Prozent, in Zürich das Doppelte, ging dann jedoch zurück. Leonhard Ragaz sah «unser Volkstum […] mit Auflösung bedroht».18 Das Thema kam auch an einem kantonalen Parteitag des Freisinns Ende 1919 zur Sprache.19 Ein Ausweg wurde nicht nur in Restriktionen gesehen, wofür die Schaffung der Eidgenössischen Fremdenpolizei 1917 steht, sondern ebenso in vermehrten Einbürgerungen. Virulenz gewann ein negatives Ausländerbild durch die spezifische Verbindung mit Antikommunismus (dem Verdacht sowjetischer Agitation) und allenfalls auch Antisemitismus.20 Revolutionären Umtrieben sollte ein verstärkter Staatsschutz entgegenwirken. Die betreffende Strafrechtsrevision, die «Lex Häberlin», scheiterte aber 1922 in einer eidgenössischen Abstimmung. Gleichzeitig wurden zwei ausländerfeindliche Initiativen aus Kreisen des Vaterländischen Verbands massiv verworfen. Die kantonalzüricherischen Stimmberechtigten sagten 1923 knapp Ja zur Forderung einer Initiative, den Ausländern (in fragwürdiger Analogie zum Militärpflichtersatz) eine Sondersteuer aufzuerlegen. Die zur Umsetzung des Beschlusses nötige Verfassungsänderung wurde aber 1927 verworfen.21

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