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Wohnungsbau für die «Gartenstadt»

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Ein dringliches Problem war die Wohnsituation der weniger bemittelten Menschen. Die Bevölkerungszahl war vor dem Krieg rasch gewachsen und hatte sich nur vorübergehend infolge des Wegzugs kriegsdienstpflichtiger Ausländer reduziert.53 Während des Kriegs liess die Verteuerung der Materialien die Bautätigkeit stark zurückgehen. Besonders auch die hygienischen Zustände waren in manchen Häusern erbärmlich. Insgesamt verfügten 1920 in Zürich 88 Prozent der Wohnungen über einen Abtritt, 26 Prozent über ein eigenes Bad und 10 Prozent über eine Etagen- oder Zentralheizung.54 In der Situation grosser Knappheit griffen die Behörden auch zu rein protektionistischen Massnahmen. So ermöglichte es gegen Kriegsende ein Bundesratsbeschluss, Personen ohne Ortsbürgerrecht (auch Schweizer) aus einer Gemeinde wegzuweisen. Der Zürcher Stadtrat machte, durch einen SP-Vorstoss dazu aufgefordert, von diesem Recht häufigen Gebrauch.

Der Bau kommunaler Wohnungen, vorerst nur für das eigene Personal, hatte schon vor dem Krieg begonnen, wurde 1918/19 mit einigen zum Teil noch kasernenartigen Projekten forciert, musste dann aber aus finanziellen Gründen vier Jahre unterbrochen werden. Ab Mitte des Jahrzehnts wurden weitere «Kolonien» angelegt, auch über eine städtische Stiftung. Eine Hebelwirkung hatte die Förderung des genossenschaftlichen und anderen gemeinnützigen Wohnungsbaus durch günstige Abtretung von Land, mit Beiträgen und Darlehen. Von 1924, als die Bedingungen dafür gelockert wurden, bis 1928 erstellte oder subventionierte die Stadt etwa 4800 neue Wohnungen, während rund 5500 private entstanden.55 In Volksabstimmungen fand diese Politik breiten Rückhalt.

Die Wohnbauprojekte waren einerseits Teil der Sozialpolitik, folgten andererseits einer städtebaulichen Konzeption. Zürich war Ende des 19. Jahrhunderts ohne eigentliche Planung gewachsen. Zunehmende Nutzungskonflikte, Versorgungs- und Verkehrsbedürfnisse legten es nahe, nach einer Ordnung für die Zukunft zu suchen. Nach dem Vorbild von «Gross-Berlin» wurde daher in Absprache mit dem Kanton und den Nachbargemeinden von 1915 bis 1918 ein Wettbewerb für einen Bebauungsplan durchgeführt, der in «Gross-Zürich» auch die Vororte einbeziehen sollte.56 Diese Lancierung zur Kriegszeit, nach längerer Vorbereitung, ist bemerkenswert, ebenso die Tatsache, dass ein Teilnehmer mit recht kühnen Visionen, Hermann Herter, in der Folge zum Stadtbaumeister ernannt wurde. Zu seinen Vorschlägen gehörten etwa ein neuer Hauptbahnhof links der Sihl mit zwanzig Gleisen, die massive Erweiterung beider Hochschulen auf der Hangkante, kreuzungsfreie Strassen, aber auch ein System grosszügiger Grünflächen im Sinn der «Gartenstadt» – einer Leitidee, die noch lange wirksam bleiben sollte. War damit in England um die Jahrhundertwende eine neue Stadt auf der grünen Wiese gemeint, so ging es in Zürich um grüne Korridore, eine freigehaltene Zone als Gürtel rund um die Stadt sowie um eine lockere Bebauungsart. Die «Gartenstadt», die sich natürlich nicht ganz konsequent realisieren liess, hob den Stadt-Land-Gegensatz gewissermassen auf und gab der Kapitale des Kantons neuartige Perspektiven. Und in den wohlgeordneten Siedlungen, am deutlichsten in den Kleinhaus-Kolonien, schienen sich soziale und (klein)bürgerliche Vorstellungen zusammenzufinden.

Um die Entwicklung zu steuern, erwarb die Stadt systematisch Grund und Boden. Zum einen wurden so Wiesen und Wälder geschützt, zum anderen wurde Land allenfalls mit Gewinn zur Erstellung von Einfamilienhäusern oder aber günstig für grössere Wohnungsprojekte veräussert. Bei der Gestaltung unterstützter Vorhaben sprach der Stadtbaumeister ein gewichtiges Wort mit. Unter anderem achtete er auf eine Anordnung, bei der ein öffentliches Gebäude dominant zur Geltung kam, zum Beispiel das Schulhaus Letten, um das sich geschwungene Wohnbauten (ab 1921) gruppieren. Eine radikale «Sanierung» der Altstadt – geplant war etwa ein Strassendurchbruch vom Zähringerplatz zum Pfauen – kam nicht zustande. Tiefgreifende Veränderungen zog hingegen etwa die Verlegung der zum linken Seeufer führenden Bahnlinie nach sich; über dem neuen Tunnel wurde eine repräsentative Achse, ausgerichtet auf den Bahnhof Wiedikon, angelegt. An privilegierten Lagen wie am oberen Zürichberg schritt die Erstellung von Villen und anderen Privathäusern voran. Monumental präsentiert sich etwa die 1920 eingeweihte Kirche Fluntern, wie die Universität ein Werk der Architekten Karl Moser und Robert Curjel.

Da es Höhe und Dichte der Bebauung zu vermeiden galt, vergrösserte sich der Flächenbedarf. Planer und Politiker dachten folglich auch an eine zweite Eingemeindung, zumal die Bevölkerungszahl ab Mitte des Jahrzehnts wieder stark zunahm. Eine Initiative, die über die heutige Stadt hinaus auch Kilchberg, Schlieren, Oberengstringen und Zollikon einschloss, wurde 1929 von den kantonalen Stimmberechtigten verworfen, eine zweite, sich auf acht Gemeinden beschränkende und somit Landgemeinden-verträglichere Vorlage erhielt 1931 mehr als eine Zweidrittelmehrheit.

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