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Zur Relevanz der Bindungstheorie im Rahmen der gestalttherapeutischen Arbeit mit Säuglingen und Kleinkindern
ОглавлениеDie Bindungstheorie geht auf John Bowlby, englischer Psychiater und Psychoanalytiker, Mitte der 50er Jahre zurück. Sie wird an vielen anderen Stellen ausführlich beschrieben und soll daher hier nur knapp, jedoch der Bedeutsamkeit wegen angeführt werden. Die Relevanz der Bindungstheorie sehe ich für die Gestalttherapie:
• in der Erkenntnis und theoretischen Ausformulierung, dass frühe Erlebnisse, (wie Trennung von der Schlüsselbezugsperson oder Misshandlung) auch später eine Bedeutung haben und sich als pathogene Faktoren im Bindungs-/Kontaktverhalten auswirken können (Störung als Reflexion früher Erfahrungen),
• in der Erkenntnis, dass die Verfügbarkeit von Bezugspersonen in frühen Jahren ausschlaggebend sein kann für die Entwicklung zwischenmenschlicher Beziehungen,
• in der Erkenntnis, dass eine Verhaltensbeobachtung von Kindern mit ihren Eltern wichtige Informationen für Diagnostik und in der Folge für die therapeutische Behandlung bietet (Minde, in: Spangler, 1995) und
• in der Untermauerung, wie enorm wichtig eine »sichere Basis« für den Klienten im therapeutischen Kontext ist – denn nur so kann er sich, schmerzhaft en Themen nähern und zu seiner Selbstunterstützung und seinen Ressourcen finden.
• Die theoretische Formulierung führt zu wissenschaftlicher Überprüfbarkeit und zu den wichtigen präventiven Interventionen.
Nach Bowlby werden die frühkindlichen Bindungserfahrungen für zwischenmenschliche Beziehungen verinnerlicht wie eine Art »Arbeitsmodell«. Somit haben alle Befunde zur menschlichen Frühentwicklung Konsequenzen für die psychische Belastbarkeit des weiteren Lebens, für das In-Einklang-Sein von Gefühlen, die emotionale Ausgeglichenheit, für das Verhalten in sozialen Situationen und für die Frustrationstoleranz.
Eine direkte terminologische Umlegung des »sicheren Bindungsmodells« auf das Gestaltkonzept erscheint nicht einfach, denn schon die Dauerhaft igkeit, die der Begriff »Bindung« impliziert, steht im Kontrast zum Momentanen des Kontakt-Begriffes. Stimmig erscheint mir die Benennung »Modell der inneren Kontaktsicherheit«.
Mary Ainsworth (1913-1999), Psychologin und Mitarbeiterin in Bowlbys Forschungsgruppe in London, ist es zu verdanken, dass dessen Thesen über die Bedeutung der frühen Mutter-Kind-Beziehung empirisch belegt werden konnten und erstmals eine Skala zu mütterlicher Feinfühligkeit und eine Klassifizierung des Bindungsverhaltens entworfen wurde. Mit Feinfühligkeit der Bindungsperson ist die Wahrnehmung der Verhaltensweisen des Säuglings, die zutreffende Interpretation dieses Verhaltens, die prompte Reaktion auf seine Äußerung und die Angemessenheit der Reaktion gemeint (vgl. Ainsworth 1978).
Ainsworth und ihre MitarbeiterInnen konnten drei verschiedene Qualitäten von Bindungsverhalten zwischen Bezugsperson und Kind beobachten (A) avoiding – unsicher-vermeidend, B) balanced – sicher gebunden, C) crying – ambivalent-unsicher; eine vierte Bindungsqualität D) disoriented – desorientiert/desorganisiert kam 1986 von Main & Solomon hinzu).
Aus den Erfahrungen also, die ein Kind in seinem ersten Lebensjahr macht – interaktiv und kommunikativ – resultiert ein Gefühl von Gebundenheit; je nach den Erfahrungen kommt es zu verschiedenen »Färbungen«, die eben die verschiedenen Qualitäten von Bindung ergeben.