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VIII. Aufgaben und Zuständigkeiten, § 24 Abs. 6

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Der Absatz regelt die Zuständigkeit der GMAV bzw. der eGMAV und grenzt ihren Aufgabenbereich gegenüber demjenigen der MAV ab. Die Regelung weist der zweiten Mitbestimmungsebene eine originäre Zuständigkeit für einrichtungsübergreifende Angelegenheiten zu, wenn sie nicht durch einzelne MAVen innerhalb ihrer Einrichtungen geregelt werden können. Die Bestimmung lehnt sich eng an die Formulierung des § 50 Abs. 1 BetrVG an.

Das Verhältnis zwischen der ersten und zweiten Mitbestimmungsebene ist dadurch gekennzeichnet, dass das einrichtungsübergreifende Repräsentationsorgan (GMAV bzw. eGMAV) der örtlichen MAV weder über- noch untergeordnet ist, vgl. Abs. 6 S. 5.

GMAV und eGMAV sind eigenständige Organe des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und daher an keine Weisungen der MAVen, die ihre Mitglieder entsandt haben, gebunden. Weil jedes Repräsentationsorgan einen eigenen originären Zuständigkeitsbereich besitzt, ist die GMAV bzw. eGMAV auch nicht verpflichtet ist, etwaigen inhaltlichen Vorgaben einzelner MAVen zu folgen.

Wie im Anwendungsbereich des BetrVG, so gilt auch in der MAVO der Grundsatz der strikten Zuständigkeitstrennung.25 Es gibt keine parallelen Zuständigkeiten zwischen MAV und GMAV bzw. eGMAV. Entweder gehört eine Angelegenheit in den Aufgabenbereich der MAV oder in die Kompetenz der GMAV bzw. eGMAV – ein Drittes gibt es nicht.26 Dementsprechend schließen sich die Zuständigkeiten der einzelnen MAV und die originäre Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV wechselseitig aus. Das gilt auch bei sog. Zuständigkeitsüberschreitungen, etwa wenn die MAV und die GMAV bzw. eGMAV über denselben Gegenstand eine Dienstvereinbarung schließen. Geltung kann in diesem Fall nur die von dem zuständigen Organ abgeschlossene Dienstvereinbarung beanspruchen. Die andere Dienstvereinbarung – sei sie nun günstiger oder ungünstiger – ist unwirksam.27

Die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung ist zwingend; sie steht nicht zur Disposition der Betriebsparteien.28 Es gibt auch keine Auffangzuständigkeit der MAV29 und keine Rahmenkompetenz des einrichtungsübergreifenden Repräsentationsorgans.30

Die originäre Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV hängt von zwei Voraussetzungen ab:

a) Die Angelegenheit muss entweder mehrere oder alle Einrichtungen betreffen.

b) Diese Angelegenheit kann nicht durch die einzelne MAV in ihrer Einrichtung geregelt werden.

Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, ist die örtlichen MAV zuständig.31 Das ergibt sich im Wesentlichen aus der Primärzuständigkeit der MAV, die von der Mitarbeiterschaft unmittelbar gewählt und legitimiert ist.32

Eine einrichtungsübergreifende Angelegenheit liegt dann vor, wenn mehrere Einrichtungen betroffen sind. Nicht erforderlich ist, dass es sich um sämtliche Einrichtungen eines kirchlichen Unternehmens handelt; es reicht aus, dass mindestens zwei Einrichtungen betroffen sind.33 Maßnahmen, die sich ausschließlich in einer Einrichtung auswirken, können nicht in die Zuständigkeit einer GMAV oder eGMAV fallen.

Ob eine Angelegenheit eine oder mehrere Einrichtungen „betrifft“, hängt vom Willen des Initiators34 der beteiligungspflichtigen Maßnahme ab, ob also z. B. der Dienstgeber Überstunden, Gleitzeit-, Sonntags- oder Kurzarbeit (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1) nur in einer Einrichtung oder aber in mehreren Einrichtungen einführen will oder ob die GMAV bzw. eGMAV im Rahmen ihres Initiativrechts (vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 1) eine unternehmensweite oder jedenfalls mehrere Einrichtungen betreffende Maßnahme anregen will. Entscheidend ist letztlich der räumliche, persönliche und sachliche Geltungsbereich der beteiligungspflichtigen Maßnahme.

Weitere Voraussetzung für die Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV ist, dass die Angelegenheit nicht durch die einzelne MAV in ihrer Einrichtung geregelt werden kann. Nach heute herrschender Meinung in Literatur35 und Rechtsprechung36 kommt es für dieses „Nichtregelnkönnen“ entscheidend darauf an, ob ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmenseinheitliche oder zumindest einrichtungsübergreifende Regelung besteht, wobei auf die konkreten Verhältnisse vor Ort abzustellen ist. Das Vorliegen eines zwingenden Erfordernisses bestimmt sich nach Inhalt und Zweck des Mitbestimmungstatbestands, der einer zu regelnden Angelegenheit zugrunde liegt. Ein solches zwingendes Erfordernis wird von den Gerichten bejaht, wenn eine unterschiedliche Regelung der Angelegenheit in den einzelnen Einrichtungen sachlich, technisch oder rechtlich nicht zu rechtfertigen ist.37

Die bloße Zweckmäßigkeit einer einheitlichen Regelung genügt nicht.38 Auch das bloße Interesse des Dienstgebers, die Angelegenheit einheitlich zu regeln, begründet die Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV noch nicht.39 Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach einer unternehmenseinheitlichen oder einrichtungsübergreifenden Regelung, sein Kosten- oder Koordinierungsinteresse oder reine Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte genügen nicht, um eine Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV zu begründen.40

Aufgrund dieser Vorgaben durch die Rechtsprechung kann die Frage, wann im konkreten Fall die zwingende Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung vorliegt, kaum abstrakt beantwortet werden. Maßgenblich sind immer die Umstände des Einzelfalles, die Verhältnisse vor Ort und der konkrete Mitbestimmungstatbestand.

Gleichwohl lassen sich heuristische Regeln aufstellen, die eine Entscheidung im konkreten Einzelfall erleichtern. So fallen z. B. personelle Einzelmaßnahmen (§§ 30, 30a, 31, 34, 35) fast ausnahmslos in die Zuständigkeit der MAV und nicht in die der GMAV bzw. eGMAV. Denn Einstellungen, Eingruppierungen, Höhergruppierungen, Kündigungen usw. betreffen die Mitarbeiter einer einzelnen Einrichtung. Dasselbe gilt auch für Versetzungen und Abordnungen von einer Einrichtung in die andere.41 Als potentiell einrichtungsübergreifende Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV fallen können, kommen im Sinne einer Orientierungshilfe in Frage:

• Maßnahmen zur Sicherstellung, dass die Mitarbeiter aller Einrichtungen nach Recht und Billigkeit behandelt werden, dass bei allen Mitarbeitern das Verständnis für den Auftrag der Kirche gestärkt wird und dass es zu einer guten Zusammenarbeit innerhalb der Dienstgemeinschaft kommt (§ 26 Abs. 1),

• Maßnahmen zur Eingliederung und zur beruflichen Entwicklung schutzbedürftiger Mitarbeiter (§ 26 Abs. 3 Nrn. 3 bis 5),

• anhörungs- und mitberatungspflichtige Maßnahmen im Sinne von § 29 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 5, 6, 7, 8, 9, 13, 14, 15, 16, 17,

• zustimmungspflichtige Maßnahmen im Sinne von § 36 Abs. 1 Nrn. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 11, 12,

• Initiativmaßnahmen im Sinne von § 32 Abs. 1 Nrn. 1, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12 sowie im Sinne von § 37 Nrn. 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12.

Zum Abschluss von Dienstvereinbarungen kann die GMAV bzw. eGMAV, wenn eine einrichtungsübergreifende Regelung erfolgt, in folgenden Fällen zuständig sein:

• Planung und Durchführung von Veranstaltungen (§ 38 Abs. 1 Nr. 4),

• Errichtung, Verwaltung und Auflösung sozialer Einrichtungen,

• Inhalt von Personalfragebogen (§ 38 Abs. 1 Nr. 6),

• Beurteilungsrichtlinien (§ 38 Abs. 1 Nr. 7),

• Richtlinien für die Gewährung von Unterstützungen, Vorschüssen, Darlehen und entsprechenden sozialen Zuwendungen (§ 38 Abs. 1 Nr. 8),

• Durchführung der Ausbildung, soweit sie nicht durch Rechtsvorschriften oder durch Ausbildungsvertrag geregelt ist (§ 38 Abs. 1 Nr. 9),

• Durchführung der Qualifizierung (§ 38 Abs. 1 Nr. 10),

• Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen (§ 38 Abs. 1 Nr. 11),

• Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 38 Abs. 1 Nr. 12),

• Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung von wesentlichen wirtschaftlichen Nachteilen (§ 38 Abs. 1 Nr. 13).

Eine Zuständigkeit der GMAV bzw. eGMAV kraft Gesetzes ergibt sich aus § 27b (Wirtschaftsausschuss). Sie hat die Aufgabe – zumindest im Regelfall – den Wirtschaftsausschuss zu errichten und dessen Mitglieder zu bestimmen.

Eine besondere Zuständigkeit kraft Auftrags ergibt sich aus der Regelung in Absatz 6 Satz 4. Danach haben die MAVen die Möglichkeit, ihre Zuständigkeit an die GMAV bzw. eGMAV zu delegieren, allerdings nur im Hinblick auf das Verhandlungsmandat. Ziel dieser Regelung ist die Stärkung der Belange der Mitarbeitervertretungen bei den Verhandlungen mit dem Dienstgeber. Die Entscheidung des Ordnungsgebers basiert auf der Annahme, dass die GMAV bzw. eGMAV aufgrund ihres unmittelbaren Kontakts zur Unternehmensleitung über umfassendere Informationen verfügt, mitunter sachkundiger und professioneller die Interessen der Mitarbeiterschaft vertreten kann als z. B. eine kleinere Mitarbeitervertretung vor Ort. Zu beachten ist: Durch die Übertragung des Verhandlungsmandats ändert sich nichts an der Entscheidungsbefugnis, die weiterhin bei der Einrichtungs-MAV verbleibt. Die GMAV bzw. eGMAV nimmt durch die Delegation also nur die Rolle eines Verhandlungsführers wahr, sie kann keine verbindlichen Entscheidungen oder Vereinbarungen für die beauftragende MAV treffen. Auf diese Weise kann die GMAV bzw. eGMAV auch in Angelegenheiten tätig werden, bei denen eine einrichtungsübergreifende Regelung sinnvoll und zweckmäßig ist, für die sie aber originär nicht zuständig ist oder bei denen ihre Zuständigkeit zweifelhaft ist.42 Besondere praktische Bedeutung erlangt die Übertragung des Verhandlungsmandats vor allem bei der Führung von Verhandlungen über Dienstvereinbarungen. Die Regelung des Abs. 6 S. 4 ist zwingend und kann nicht abbedungen werden. Das Recht zur Übertragung des Verhandlungsmandats kann durch eine, mehrere oder alle MAVen innerhalb eines Unternehmens wahrgenommen werden. Einrichtungen, die über keine MAV verfügen, können von dieser Option keinen Gebrauch machen. Das Recht steht der Interessenvertretung zu, nicht den einzelnen Mitarbeitern oder der Gesamtbelegschaft einer Einrichtung. Erforderlich für die Übertragung des Verhandlungsmandats ist ein Beschluss der MAV (ggf. der MAVen) mit der Mehrheit der Stimmen ihrer Mitglieder (§ 14 Abs. 5). Im Interesse der Rechtssicherheit und der Nachweisbarkeit sollte die Übertragung des Verhandlungsmandats schriftlich erfolgen, auch wenn dies gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. Die Übertragung des Verhandlungsmandats kann jederzeit widerrufen werden, eines besonderen Grundes bedarf es hierfür nicht. Auch der Widerrufsbeschluss bedarf der Mehrheit der Mitglieder der beauftragenden MAV.

Gegenstand der Delegation kann jede Angelegenheit sein, die in die Zuständigkeit der einzelnen MAV fällt. Die übertragene Angelegenheit sollte möglichst konkret umschrieben, die Reichweite der Delegation zumindest bestimmbar sein. Nach überwiegender Ansicht im Schrifttum kann die gesetzliche Zuständigkeit im Anwendungsbereich des BetrVG nicht generell auf die höhere Ebene verschoben werden, um einer „Selbstabdankung des Betriebsrats“ vorzubeugen.43 Allerdings ist diese Gefahr im Anwendungsbereich der MAVO kaum vorhanden, weil – anders als im BetrVG – die materielle Entscheidungsbefugnis stets bei der MAV verbleibt. Daher erscheint es auch vertretbar, dass die MAV ganze Sachbereiche zur Verhandlung an die GMAV bzw. eGMAV delegiert. Denn sie behält kraft Gesetzes immer das Letztentscheidungsrecht in der jeweiligen Angelegenheit und kann darüber hinaus die Delegation jederzeit, ohne dass es eines besonderen Grundes bedarf, widerrufen, wodurch ihre Selbstständigkeit gewahrt bleibt.

Nach der Delegation des Verhandlungsmandats ist die GMAV bzw. eGMAV grundsätzlich verpflichtet, diese Aufgabe wahrzunehmen.44 Das einrichtungsübergreifende Repräsentationsorgan kann das Verhandlungsmandat allerdings ablehnen, wenn die Übertragung nicht wirksam erfolgt ist oder wenn ein Mitwirkungsrecht der übertragenden MAV in der übertragenen Angelegenheit offensichtlich nicht besteht.45

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