Читать книгу Die dänischen Eufemiaviser und die Rezeption höfischer Kultur im spätmittelalterlichen Dänemark – The Eufemiaviser and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark - Группа авторов - Страница 4
Eufemiavisor – Eufemiaviser
ОглавлениеZur höfischen Literatur in Dänemark zwischen Mittelalter und früher Neuzeit. Einführung und Forschungsübersicht
Bampi/Richter (Hrsg.), Die dänischen Eufemiaviser, BNPH 68 (2021): 7–14 DOI 10.24053/9783772057502-010
Massimiliano Bampi (Venedig) https://orcid.org/0000-0002-8378-0190
Anna Katharina Richter (Zürich) https://orcid.org/0000-0002-7165-7320
Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge sind größtenteils aus Vorträgen im Rahmen der internationalen Konferenz The EufemiaviserEufemiaviser (dän.) and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark hervorgegangen. Im Zentrum der Tagung, die von den Herausgebern dieses Bandes organisiert wurde und vom 13.–14. September 2018 am Deutschen Seminar der Universität Zürich stattfand, stand die eingehende Beschäftigung mit unterschiedlichen Aspekten der Textüberlieferung der spätmittelalterlichen Eufemiaviser (EufemiaEufemia, Königin von Norwegen-Gedichte) in Dänemark. Hierbei handelt es sich um drei mittelalterliche höfische Versromane, die – benannt nach der Auftraggeberin, der ursprünglich aus Norddeutschland stammenden norwegischen Königin Eufemia (1280–1312) – in komplexen Transmissionsprozessen mit verschiedenen Übersetzungsvorlagen und Bearbeitungsstufen zu Beginn des 14. Jahrhunderts zunächst ins Altschwedische und später, vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ins Mitteldänische übersetzt wurden:1 Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) (Ivan der Löwenritter, welcher auf YvainYvain ou le Chevalier au lion ou le Chevalier au lion von Chrétien de Troyes zurückgeht), Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.) (Herzog Friedrich aus der Normandie) und Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) (Flores und Blanzeflor). Während es in der altschwedischen Tradierung mehrere handschriftliche Textzeugnisse der drei EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) gibt, sind die dänischen Varianten nur in einer einzigen Sammelhandschrift überliefert (Codex Holmiensis K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), Königliche Bibliothek Stockholm, im Folgenden: K 47). Zusammen mit drei weiteren Erzähltexten, die thematisch mit den Eufemiaviser korrelieren (Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis [Persenober und Konstantianobis]; Den kyske dronningDen kyske dronning [Die keusche Königin] und Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin [Der Zwergenkönig Laurin]), stellen sie ein einzigartiges Zeugnis kontinentaler höfischer Erzählkunst in der dänischen Literatur des ausgehenden Spätmittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit dar. Gerade diese Position macht sie so interessant für eine intensivere Auseinandersetzung mit den Vorlagen und mit ihrem literarischen, kulturellen und historischen Umfeld. Auch aus der historischen Sicht auf die Renaissance des Rittertums im spätmittelalterlichen Dänemark, wie sie sich in der Architektur und in Repräsentationsformen höfischer Kultur, der sog. ‚Ritterrestauration‘, manifestieren, bieten diese Texte eine wichtige literarische Perspektive.
Im Unterschied zu den altschwedischen EufemiavisorEufemiavisor (schwed.), denen 2012 eine internationale Tagung in Stockholm gewidmet war (vgl. Ferm u.a. (Hg.) 2015), sind die dänischen Textvarianten in der skandinavistischen Forschung bisher nur marginal behandelt worden, und erst in jüngerer Zeit kommt ihnen vermehrte Aufmerksamkeit zu. Von der früheren Forschung sind insbesondere einige Beiträge zu nennen, die auf verschiedene Weise eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung unserer Kenntnisse dieser Werke und deren Verständnis gespielt haben.
In Jürg Glausers (1986) Artikel zur höfisch-ritterlichen Epik im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dänemark werden die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung im Rahmen der Untersuchung der Sammelhandschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) besprochen. Wenngleich die Betrachtung hauptsächlich auf Den kyske dronningDen kyske dronning fokussiert, werden alle drei Versromane als Teil eines intertextuellen Dialogs diskutiert, der auf den thematischen Gemeinsamkeiten der in dieser Handschrift versammelten Texte gründet.
Pil Dahlerups Überlegungen (1998) zum höfischen Roman stellen die bisher ausführlichste Auseinandersetzung mit den gesamten EufemiaviserEufemiaviser (dän.) im Rahmen der höfischen Kultur dar. Die strukturellen und stilistischen Hauptmerkmale der Texte als Übersetzungen werden in knapper Form dargestellt, außerdem wird das vielschichtige Sinnpotential der Eufemiaviser hervorgehoben, insbesondere bezüglich ihrer ideologischen und mentalitätsgeschichtlichen Tragweite. Dahlerup stellt die dänischen Eufemiaviser nicht nur in den Kontext der (spät)mittelalterlichen höfischen Literatur in Dänemark, sondern betrachtet sie immer auch vor dem Hintergrund der kontinentaleuropäischen Tradition, insbesondere dem Einfluss der französischen und der deutschsprachigen Literatur.
Die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) als Repräsentationen des Ritterromans werden auch von Britta Olrik Fredriksen (1999) als Teil einer Darstellung der dänischen Buchkultur im ausgehenden Mittelalter kurz diskutiert. Genauso wie bei Glauser und bei Dahlerup wird hier das Augenmerk zusätzlich auf andere Texte gelenkt, die mit den Eufemiaviser sowohl gattungsmäßig als auch ideologisch und thematisch eng verbunden sind. Diese Perspektive lässt die Eufemiaviser als Produkt einer breiteren, für ein aristokratisch gesinntes Publikum gedachten Textproduktion erkennen. Hier finden auch andere Handschriften Beachtung, die zusammen mit K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) die gesamte höfische Literatur in Dänemark im Spätmittelalter aufbewahren: Codex Holmiensis K 4 (im Folgenden: K 4), der eine fragmentarische Version des mitteldänischen Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) enthält, und Codex Holmiensis Vu 82Codex Holmiensis Vu 82 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (im Folgenden: Vu 82), in dem Karl MagnusKarl Magnus (schwed.)’ KrønikeKarl Magnus’ Krønike (dän.) (Chronik Karls des Großen) überliefert ist.
In der neueren Forschung, die sich im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelt hat, stehen die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) vor allem als einzelne Werke im Vordergrund. So veröffentlichte Sigurd Kværndrup 2014 die dänische Übersetzung des altschwedischen Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren (Herr Ivan Löwenritter, welcher ebenfalls auf Chrétiens YvainYvain ou le Chevalier au lion zurückgeht) zusammen mit einer eingehenden Diskussion ihrer Rezeption in Schweden. Der letzte Teil des Bandes enthält einige Denkanstöße zum historischen und ideologischen Zusammenhang, in dem die dänischen Übersetzungen entstanden sein könnten. Von besonderem Interesse ist Kværndrups Theorie, wonach die Übersetzung der gesamten Eufemiaviser im Auftrag der dänischen Königin Margrethe I. durchgeführt worden sei.
Anna Katharina Richter (2018) hat sich mit der Überlieferung der Historie von Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) in Dänemark zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit beschäftigt. In ihrem Artikel untersucht sie einige Besonderheiten der gedruckten Überlieferung des dänischen Flores, die als Ausdruck der Retextualisierung im Übergang zum Druck verstanden werden. Massimiliano Bampi (2019) hat zum einen die Handschriftentransmission des Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) und dessen Verhältnis zum altschwedischen Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren untersucht und zum anderen einige preliminäre Überlegungen zum intertextuellen Dialog innerhalb der Sammelhandschriften K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) und K 4 angestellt. Zu diesen beiden Handschriften hat auch Regina Jucknies (2015) in einer Studie gearbeitet, die sich mit dem Verständnishorizont des Publikums von K 47 beschäftigt. Am Beispiel der in den Texten figurierenden Edelsteine lassen sich interessante Verbindungen zwischen der enzyklopädisch-medizinischen Tradition und der höfischen Romane aufzeigen, wie sie gemeinsam in K 4 überliefert sind.
Einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Beschäftigung mit den EufemiaviserEufemiaviser (dän.) leistet ohne Zweifel die Publikation der diplomatischen Editionen der in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) aufgezeichneten Texte, die im Rahmen des Projekts Studér middelalder på nettet digital zugänglich sind (https://dsl.dk/projekter/studer-middelalder-pa-nettet). Die sorgfältig edierten, vollständig lemmatisierten Texte werden von einer ausführlichen Beschreibung sowohl der Handschriften (https://tekstnet.dk/manuscripts) als auch der einzelnen Werke begleitet, die sich als nützliches Instrument für die wissenschaftliche, philologisch fundierte Arbeit an den einzelnen Texten erweist.