Читать книгу Qualitative Medienforschung - Группа авторов - Страница 107

Partizipatorische Strukturen im Fernsehen

Оглавление

Medienhandeln beinhaltet also verschiedene Formen des Wirksamwerdens. Interpretative Aktivitäten gehören ebenso dazu wie kognitiv-informationsverarbeitende Aktivitäten. Im Alltagsgebrauch wird Handeln jedoch hauptsächlich mit physischen, verkörperlichten Aktivitäten gleichgesetzt. Interaktivität, mit der haptischen Bedienung von Steuerungselementen gleichgesetzt, gilt deswegen im allgemeinen Verständnis als aktive, als kognitiv-interpretierende oder kommunizierende Handlungen. So wird beispielsweise das lineare Fernsehen oftmals als nicht interaktives Medium ohne Feedbackstruktur dargestellt. Aus handlungstheoretischer Perspektive ist diese Argumentation jedoch nicht haltbar, denn die Rezipientinnen müssen im oben erläuterten Sinn auf vielfältige Weise aktiv werden, um sich eine Fernsehsendung zu erschließen. Doch weist die überkommene Aktiv-Passiv-Dichotomie auf einen durchaus relevanten Punkt hin: Haptische Aktivitäten ergänzen auch hier die vielfältigen kognitiven (und emotionalen) Aktivitäten. Bereits seit seinen Anfängen experimentierte das Fernsehen mit verschiedenen Formen der interaktiven Publikumseinbindung. In Westdeutschland wurde 1964 mit Der goldene Schuss das erste interaktive Fernsehprogramm vorgestellt, bei dem die Zuschauer anrufen konnten und per Zuruf eine auf einer Kamera befestigte Armbrust steuerten. Mit Einführung der TED-Technologie (1979) übernahmen zahlreiche TV-Shows das Prinzip der Zuschauerpartizipation in die Struktur ihrer Sendung. Eines der erfolgreichsten Showformate der letzten Jahre, Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! (RTL, seit 2004), bindet die Zuschauerinnen und Zuschauer mittels permanenter Ansprache durch das Moderatorenteam als strukturellen Bestandteil des TV-Textes ein und ermöglicht ihnen zugleich, über zahlreiche mediale Kanäle wie Twitter oder Facebook auf verschiedene Weise zu partizipieren (vgl. Eichner 2014, S. 201 ff.). Auch narrative TV-Formate bemühen sich mitunter um mehr Zuschauerpartizipation, so beispielsweise der Tatort Plus (2012, 2013 und 2014), in dem das Publikum selbst in ein Begleitspiel eingebunden online ermitteln konnte, oder die transmediale ARTE-Produktion About Kate (2013), in der die Zuschauer die Möglichkeit hatten, über soziale Medien mit der fiktiven Figur Kontakt aufzunehmen.

Das Fernsehen lässt sein Publikum also auf verschiedenen Ebenen eingreifen – beispielsweise durch Televoting, die Einbindung von sozialen Medien oder auch durch Mitspielen auf der Website. Konvergierende, computerbasierte Technologien und Infrastrukturen ermöglichen direkte Rückkopplungskanäle, welche die traditionelle Einteilung in lineare, nicht interaktive Medien wie Film und Fernsehen auf der einen Seite und nicht lineare, interaktive Medien wie Videospiele und Internet auf der anderen Seite auflösen. Schließlich stellt sich in Zeiten konvergierender Medien die grundsätzliche Frage nach einem neuen Verständnis von Medienkommunikation, das nicht mehr vom Medium oder vom Medientext aus denkt, sondern die sozial eingebetteten Medienaktivitäten der Nutzerinnen und Nutzer, die Doing Media, als Ausgangspunkt nimmt (vgl. ebd., S. 100).

Qualitative Medienforschung

Подняться наверх