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Vom Handlungsbegriff zu handlungstheoretischen Konzepten

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Natürlich bleiben Handlungstheorien nicht dabei stehen, den Begriff des Handelns zu diskutieren. Vielmehr versuchen sie, ihre Handlungsorientierung zu begründen und darauf unter Verwendung geeigneter Begriffe komplexere Theorien aufzubauen. Dazu entwickeln sie ein Instrumentarium von mehr oder weniger kodifizierten und empirisch fruchtbaren Konzepten, die sich als Bedingungen und Konsequenzen von Handeln begreifen lassen. Dies soll hier exemplarisch am Beispiel des Symbolischen Interaktionismus skizziert werden (vgl. auch Charon 1979; Krotz 2001a)

• Zunächst hängt jedes Handeln und Erleben ab vom (symbolischen) Standpunkt des Individuums und damit von der Perspektive, von der aus erlebt und gehandelt wird. Perspektive ist dabei eine spezifische Strukturierung der Wahrnehmung, in der nicht alles gleichberechtigt ist, sondern die einen Ausschnitt als relevant definiert und diesen ordnet.

• Damit hängt eng der Begriff der Situation zusammen, in der Menschen in Bezug zueinander handeln (Goffman 1980; Markowitz 1979). Dabei meint »Situation« die je aktuelle Interaktionsgrundlage, die alle Beteiligten von ihrer Eingangsdefinition aus fortlaufend aushandeln. Situation ist damit einerseits ein prozessuales Konzept, andererseits der stets notwendige Rahmen, mittels dessen abgegrenzt wird, was zu einer Situation gehört und was nicht, was in ihr möglich ist und was nicht. Hier ist auf das so genannte Thomas-Theorem hinzuweisen, nach dem eine Situation nicht objektiv geprüft werden kann (Thomas/Thomas 1973). Vielmehr gilt, dass Menschen auf der Basis ihrer Definition der Situation handeln, die sie für wahr und wirklich halten – Situationen beinhalten dementsprechend objektive Elemente, sind aber immer Subjekt gedeutete Entitäten, weil sie nur dadurch ihre Kraft entfalten.

• Weiter ist auf den Begriff der Rolle hinzuweisen, durch die die Menschen in einer Situation präsent sind, ein Konzept, das auf die Metapher vom sozialen Geschehen als Theater verweist (Goffman 1997). Ebenso wie in jeder Situation beispielsweise Perspektive und Standpunkt das Erleben der beteiligten Individuen einerseits strukturieren, andererseits einschränken, ist auch der Mensch in keiner Situation als abstraktes Ganzes mit seiner gesamten Biographie und Erfahrung, mit seinem »Wesen« präsent. Vielmehr präsentiert er sich immer in einer situativ bezogenen intentionalen Form, einer Rolle, in der ihn die anderen erleben. Deshalb sind Rollen auch nicht nur gespielt, sondern müssen theoretisch und empirisch als situativer Ausdruck von Identität und Person verstanden werden.

• In seinen sozialen und individuellen Beziehungen, in der Vielfalt der erlebten und gestalteten Rollen und in den darin gemachten Erfahrungen und deren Reflexion entwickelt sich der Mensch als Individuum, das sich umgekehrt dann auch wieder in seiner Identität und seinem Selbstverständnis als Prozess präsentiert (Krappmann 1975). Auf die Bedeutung dieses Begriffs im Rahmen von Handlungstheorien kann hier nur knapp verwiesen werden (vgl. auch Winter u. a. 2003).

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