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Handeln im Computerspiel

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Das Medium, in dem die haptischen Aktivitäten programmatisch in den Vordergrund treten, ist das Computerspiel. Die Agency oder Selbstwirksamkeit der Spielenden, die das Spiel auf verschiedenste Weise beeinflussen und dessen Verlauf graduell mitbestimmen können, ist seit dem Aufkommen der Game Studies eines ihrer zentralen Anliegen. In den deutschsprachigen medienpädagogischen und medienpsychologischen Game Studies wird Agency in der Regel als Selbstwirksamkeit erforscht (siehe z. B. Klimmt 2006; von Salisch/Kristen/Oppl 2007; Trepte/ Reinecke 2010). Insbesondere die Faszination von Kindern im Kontrollerleben wird hier als eines der zentralen Momente verhandelt (siehe z. B. Fritz 2003).

Janet H. Murray (1997) prägte als eine der ersten Forscherinnen das Konzept der Agency als Form des Computerspielerlebens. Aufbauend auf Laurels Arbeit über Human-Computer Interaction (Laurel 1993) definiert Murray Agency zusammen mit Immersion und Transformation als elementare Charakteristika des Spielerlebens: Agency ist die »satisfying power to take meaningful action and see the results of our decisions and choices« (Murray 1997, S. 126). Da durch die spezifische Feedback-Loop-Struktur eines Computerspiels die (haptische) Eingabe der Spielerinnen und Spieler direkt in eine sichtbare Veränderung des Bildschirms übersetzt wird, können die eigenen Handlungsentscheidungen unmittelbar nachvollzogen werden. Computerspielumgebungen sind demnach ein ideales (aber nicht singuläres) Umfeld, um das Gefühl der Selbstwirksamkeit bzw. Agency entstehen zu lassen. Murrays Ansatz hat noch weiterführende Implikationen: Zunächst ist Agency als Form des Erlebens, als »aesthetic pleasure« konzeptualisiert (ebd., S. 128), welches durch bestimmte textuelle Strukturen bedingt ist. Darüber hinaus weist Agency drei verschiedene Ausprägungen auf: die Modifikation der Umgebung, die Navigation durch den Raum und die absichtliche Fehlinterpretation einer virtuellen Umgebung (ebd., S. 129 ff.), also eine Um-Interpretierung.

Murrays und Laurels Pionierarbeit hat eine Vielzahl von Folgearbeiten zu Agency und Computerspielen angestoßen, die jedoch nur selten über eine oberflächliche Beschreibung des Phänomens hinausgehen. Die überwiegende Mehrheit der Ansätze erkennt zudem nicht das medienübergreifende Potenzial und enthält keine Verortung des jeweiligen Ansatzes in handlungstheoretischen und kommunikationswissenschaftlichen Theorien. Ansätze, die das Konzept in einiger Tiefe behandeln, finden sich z. B. bei Carr u. a. (2004), Jørgensen (2003), Mateas (2004), Pearce (2002), Tanenbaum/ Tanenbaum (2010) oder Wardrip-Fruin u.a. (2009). In Anlehnung an psychologische Konzepte der Agency (z. B. Bandura 2001) kristallisiert sich auch in den Game Studies die Notwendigkeit heraus, Agency als differenziertes Erleben zu betrachten, das sich auf individueller Ebene beispielsweise durch das Lösen von Problemen (Jørgensen 2003; Mateas 2004; Wardrip-Fruin u. a. 2009), auf kollektiver Ebene durch gemeinsames Spielen (Pearce 2002) und auf einer kreativen Ebene z. B. durch die Erstellung von Fan Art (Schott 2008) abspielt. Für die Textebene zeigt sich, dass die Affordance, der Aufforderungscharakter eines Textes, als wichtiges Element für die Entstehung von Agency einbezogen werden muss (Wardrip-Fruin u.a. 2009, S. 3). Um die Spielende im Spiel zu aktivieren, muss das Material, d. h. die mediale Gestaltung, ihnen verdeutlichen, was sie konkret im Spiel machen können.

Den unterschiedlichen Ansätzen ist gemein, dass zwischen einer arbiträren Interaktivität (Tastenbedienung) und einer nachhaltigen Form der Einflussnahme, der Agency, unterschieden wird. Es wird also zwischen verkörperlichten Handlungen unterschieden, die für die Bedeutungsebene des Spiels relevant sind (Agency), und solchen, die lediglich das Spiel in seiner Materialität erhalten (haptische Interaktivität).

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