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Systemischer Medienbegriff

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Systemische, konstruktivistische oder auch kulturwissenschaftliche Mediendefinitionen dehnen im Bemühen um theoretische Vollständigkeit ihre Medienbegriffe weit aus und nähern sich dadurch den universellen Medienbegriffen an.

So verwendet Niklas Luhmann in seiner Systemtheorie den Medienbegriff ebenfalls in sehr weiter Bedeutung (zu Luhmanns Medienbegriff s.a. Grampp 2006). Für Luhmann ist ein Medium alles, was unterschiedliche Formen annehmen kann, die sich immer wieder neu zusammenfügen lassen und zerfallen, ohne dass das Medium verbraucht wird. »Ein Medium ist also Medium nur für eine Form, nur gesehen von einer Form aus. […] Das Gesetz von Medium und Form lautet: dass die rigidere Form sich im weicheren Medium durchsetzt« (Luhmann 1995, S. 44). In dieser operativen Bestimmung von Medien mit der Unterscheidung von Medium und Form, bezeichnet Form die Seite der beobachtbaren Kommunikate, in denen Bedeutung sich aktualisiert, während die Medien selbst unsichtbar bleiben und nur an der Kontingenz der Formbildungen erkennbar sind.

Ferner unterscheidet Luhmann drei Typen von Kommunikationsmedien:

• »Sprache ist ein Medium, das sich durch Zeichengebrauch auszeichnet. Sie benutzt akustische bzw. optische Zeichen für Sinn.«

• »Aufgrund von Sprache haben sich Verbreitungsmedien, nämlich Schrift, Druck und Funk entwickeln lassen.« Sie sind auch die Grundlage für die Massenmedien in der modernen Gesellschaft.

• Drittens gibt es die »symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien«, die jeweils einzelnen Funktionsbereichen der Gesellschaft zugeordnet werden. »Wichtige Beispiele sind: Wahrheit, Liebe, Eigentum/Geld, Macht/ Recht« (Luhmann 1984, S. 220 ff.).

Neben diesen Medienbegriffen definiert Luhmann auch den Begriff »Massenmedien«, und zwar im Sinne technischer Verbreitungsmedien, bei denen keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann. Unter Massenmedien versteht er »alle Einrichtungen der Gesellschaft […], die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen [… und dafür] Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen« (Luhmann 1996, S. 10).

Luhmanns Medienbegriff ist von systemtheoretisch und konstruktivistisch orientierten Kommunikationswissenschaftlern aufgegriffen und in unterschiedlichen Varianten weiterentwickelt worden. Als Beispiel soll hier nur der Medienbegriff von Schmidt und Zurstiege vorgestellt werden, die Medien als einen Kompaktbegriff sehen, der semiotische Kommunikationsinstrumente, Medientechnologien, sozialsystemische Institutionalisierungen medientechnischer Dispositive und Medienangebote umfasst, die unter den jeweiligen sozialhistorischen Bedingungen als Gesamtmediensystem selbstorganisatorisch und ko-produktiv zusammenwirken und auf die Entfaltung gruppen- oder gesellschaftsspezifischer Wirklichkeits- und Identitätskonstruktionen einwirken.

Zu unterscheiden sind also »vier Komponentenebenen:

• Kommunikationsinstrumente, d. h. materielle Zeichen, die zur Kommunikation benutzt werden, allen voran natürliche Sprachen;

• Medientechniken, die eingesetzt werden, um Medienangebote etwa in Form von Büchern, Filmen oder E-Mails herzustellen, zu verbreiten oder zu nutzen;

• institutionelle Einrichtungen bzw. Organisationen (wie Verlage oder Fernsehsender), die entwickelt werden, um Medientechniken zu verwalten, zu finanzieren, politisch und juristisch zu vertreten etc.;

• schließlich die Medienangebote selbst, die aus dem Zusammenwirken aller genannten Faktoren hervorgehen (wie Bücher, Zeitungen, Fernsehsendungen etc.)« (Schmidt/Zurstiege 2000, S. 170).

In der Forschungspraxis sind derart weite Medienbegriffe nicht ohne weiteres verwendbar und müssen im Hinblick auf die jeweilige Forschungsfrage eingegrenzt werden.

Qualitative Medienforschung

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