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7.1 Rechtliche Grundlagen und Aufgaben

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Die Aufgaben der Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sind in den Bundesländern nur teilweise und meist nur grob gesetzlich geregelt. Eher lassen sich die Aufgaben aus untergesetzlichen Regelungen entnehmen, z. B. Ministerialerlassen. Beispielsweise sei der Ministerialerlass des nordrhein-westfälischen Schulministeriums vom 08.01.2007 genannt. Bisweilen werden die Aufgaben erst auf niedrigerer Ebene, ggf. sogar nur in einrichtungsinternen Beschreibungen konkretisiert. Zu denen muss dann geklärt werden, inwieweit sie verbindlich sind, denn solche Aufgabenbeschreibungen können auch im Entwurfsstadium stecken geblieben sein und kursieren später dann als vermeintlicher Maßstab.

Im Allgemeinen bieten Schulpsychologinnen und Schulpsychologen ihre Dienstleistungen an, so dass das Angebot erst angenommen werden muss. Angeboten werden die schulpsychologischen Dienstleistungen an Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrende und Schulen. Der Angebotscharakter hat rechtlich erhebliche Relevanz, wenn es um die Rechtfertigung eventueller Grundrechtseingriffe geht, denn die Inanspruchnahme des Angebots ist in aller Regel auch die Einwilligung in eventuelle Grundrechtseingriffe.

Es kann insbesondere um die durch Art. 2 GG (Grundgesetz) geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Klientels gehen, seien es Lehrende als Erwachsene, seien es Schülerinnen und Schüler als Minderjährige. Und es kann bei minderjährigen Klientinnen und Klienten um einen Eingriff in das sog. Elternrecht gem. Art. 6 Abs. 2 GG gehen.

Natürlich ist nicht jedes schulpsychologische Angebot gleich ein Grundrechtseingriff. Z. B. kann eine »Erstberatung« zunächst nur der Information über das schulpsychologische Angebot und dem Aufbau der Vertrauensbeziehung dienen. Sobald aber die schulpsychologische Dienstleistung intime Daten betrifft und interventiv wirkt, ist von einem Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen auszugehen. Für einen solchen Grundrechtseingriff bedarf es einer Rechtfertigung in Form der Einwilligung.

Außerdem ist grundsätzlich auch die Privatsphäre des Elternhauses bzw. der Eltern durch Art. 2 GG geschützt, weswegen grundsätzlich die Ausforschung der familiären Verhältnisse unzulässig ist.

Weiterhin ist das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten, mit der Folge, dass grundsätzlich Erziehungsmaßnahmen der Eltern zu respektieren sind. Das führt dann zu einer Konfliktsituation, wenn Minderjährige eine schulpsychologische Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen, die Zustimmung der Eltern aber fehlt oder (noch) unbekannt ist und Minderjährige die Einbeziehung der Eltern verweigern. Hier liegt eine verfassungsrechtliche Interessenkollision vor, die im Sinne »praktischer Konkordanz« zum Ausgleich gebracht werden muss. Dieser Ausgleich geschieht manchmal schon in der Aufgabenbeschreibung psychologischer Dienste, in dem dort die Zustimmung der Eltern ausdrücklich vorgesehen ist: Dann ist abstrakt bereits entschieden, dass das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen zurückzustehen hat. Fehlt eine Regelung, ist zwischen dem Elternrecht und dem Selbstbestimmungsrecht abzuwägen. Dabei kommt es auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit der minderjährigen Person an, auf die Schwere und Reichweite der Angelegenheit und auf die Eingriffstiefe in das Elternrecht, wobei prinzipiell dessen Gewicht mit zunehmendem Alter der minderjährigen Person abnimmt. Geht aus der Abwägung das Selbstbestimmungsrecht der minderjährigen Person als überwiegend hervor, haben ggf. die Eltern den mittelbaren Eingriff in ihre Privatsphäre hinzunehmen, wenn die Schulpsychologin bzw. der Schulpsychologe Familieninterna erfährt.

Das Aufgabenspektrum in der Schulpsychologie hat sich allerdings häufig erweitert. Neben konzeptioneller Arbeit, Vorträgen usw., bei denen nebensächlich ist, ob sie nur angeboten werden, weil mit ihnen typischerweise keine Grundrechtseingriffe einhergehen, seien die Gefahreneinschätzungen in Notlagen erwähnt. Diese Aufgaben der Gefahreneinschätzung verlassen häufig zwangsläufig den Angebotscharakter. In solchen Notfallsituationen erfolgt ggf. ein Eingriff ohne die z. B. ansonsten erforderliche Einwilligung der Eltern. Deshalb ist gerade dafür eine eher ausführliche und verbindliche Aufgabenbeschreibung sinnvoll bzw. nötig, die sich möglichst nachvollziehbar auf eine gesetzliche Ermächtigung zurückführen lässt.

Aber auch außerhalb von Notfällen kann sich die Rechtfertigung eines Eingriffs ergeben, ohne dass es zwingend einer Einwilligung bedarf: Wenn z. B. eine Schule oder Lehrende eine Schulpsychologin oder einen Schulpsychologen in die eigene Maßnahme einer erzieherischen Einwirkung einbindet, kann deren Handeln und Einwirken z. B. auf den Klassenverband auch ohne Einwilligung der Eltern gerechtfertigt sein, weil es der Gewährleistung einer geordneten Unterrichts- und Erziehungsarbeit oder dem Schutz der Mitschülerinnen und Mitschüler, Lehrenden oder anderer beteiligter Personen oder Sachen in verhältnismäßiger Weise dient.

Zwar gibt es inzwischen auch in schulpsychologischen Beratungsstellen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, die approbiert sind. Das ändert jedoch nichts daran, dass Psychotherapie grundsätzlich keine schulpsychologische Aufgabe ist, weshalb die Landespsychotherapeutenkammern auch dann nicht für Schulpsychologinnen und Schulpsychologen zuständig sind, wenn diese approbiert sind.

Es geht bei schulpsychologischen Dienstleistungen um das informationelle Selbstbestimmungsrecht, wenn Daten bzw. Geheimnisse Betroffener an Dritte weitergegeben werden, seien es Eltern, Lehrende, die Schule oder das Jugendamt. Solche Weitergaben sind (erneute) Grundrechtseingriffe. Vor diesem Grundrechtseingriff sind die Betroffenen grundsätzlich geschützt durch das Datenschutzrecht, bei Schulpsychologinnen und Schulpsychologen aber insbesondere durch die sogar strafbewehrte Schweigepflicht gem. § 203 Strafgesetzbuch (StGB); entweder die betroffene Person willigt ein oder es liegt eine Befugnis oder Pflicht zur Weitergabe vor.

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