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3.1 Ernährungssysteme
ОглавлениеWas und wie wir essen, ist nicht nur zentral für unsere Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, sondern auch entscheidend für die menschliche Gesundheit. Trotz der wachsenden Weltbevölkerung nahm der Anteil der Menschen, die an Unter- und Mangelernährung leiden, im letzten Jahrhundert rapide ab, aktuell sind etwa 680 Millionen Menschen davon betroffen. Für die nächste Dekade prognostizieren die Vereinten Nationen allerdings eine Zunahme auf 840 Millionen Menschen, was einem Anstieg der Prävalenz von 8,9 auf 9,8% gleichkommt (FAO o.D.). Parallel dazu ist die Prävalenz von Erkrankungen durch Fehlernährung vor allem in reichen Ländern massiv angestiegen. Global hat mehr als jeder Dritte Übergewicht, 677 Millionen Menschen sind fettleibig, 1,13 Milliarden Menschen haben Bluthochdruck und 422 Millionen Menschen leiden an adultem Diabetes (Global Nutrition Report 2020).
Ungesunde Ernährungsweise ist eine der führenden Todesursachen weltweit geworden (Willett et al. 2019).
Auch aus Umweltperspektive ist unser aktuelles Ernährungssystem problematisch, unter anderem entstehen zwischen 21% und 37% der globalen Emissionen in diesem Bereich (Rosenzweig et al. 2020). Übernutzung des Bodens und exzessiver Einsatz von Chemikalien führen zu Erosion, Verlust an Artenvielfalt, Boden- und Wasserverschmutzung. In der Folge sinkt der Ertrag landwirtschaftlicher Flächen, was wiederum zur Erschließung neuer Flächen und damit zum Eindringen in immer mehr naturbelassene Habitate führt. Zudem nimmt die Qualität unserer Ernährung aufgrund der Umweltveränderungen ab. Weniger Diversität und eine geringere Anzahl von Bestäubern führen zum Rückgang der Ernten von vitamin- und nährstoffreichen Pflanzen. Erhöhte CO2-Level in der Atmosphäre begünstigen zudem einen Rückgang von Nährstoffen wie Eisen und Zink, beispielsweise in Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Reis.
Der Ernährungssektor steht damit vor mehreren Herausforderungen gleichzeitig. Er muss:
1. die Weltbevölkerung mit ausreichend gesunden Lebensmitteln versorgen,
2. den eigenen ökologischen Fußabdruck verringern und
3. sich an die bereits vorhandenen Umweltveränderungen anpassen.
Um unser Ernährungssystem auf eine Zukunft innerhalb planetarer Grenzen auszurichten, sind wichtige Veränderungen notwendig. Eine bewahrende Landwirtschaft muss unsere Ökosysteme schützen, zum Beispiel durch einen reduzierten Einsatz von Pestiziden. Ein weiterer zentraler Hebel ist der Konsum. Der hohe Fleischkonsum in Ländern des Globalen Nordens, in Deutschland 2019 rund 59 kg pro Kopf (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 2020), erhöht die Prävalenz nicht-übertragbarer Erkrankungen, gleichzeitig belastet er unseren Planeten zum Beispiel durch den hohen Landbedarf der Tierhaltung. Etwa 30% der global verfügbaren Fläche werden dafür genutzt, dieselbe Menge wird für den Anbau von Tierfutter benötigt (Herrero et al. 2016). Die EAT-Lancet Commission on Healthy Diets from Sustainable Food Systems hat daher 2019 einen umfassenden Vorschlag für eine umweltfreundlichere und gesündere Ernährung ausgearbeitet, die sogenannte Planetary Health Diet (Willett et al. 2019). Die vorgeschlagene Umstellung in Richtung einer fleischarmen, vorwiegend pflanzlichen Ernährung, würde nicht nur den Flächenbedarf reduzieren, sondern den ökologischen Fußabdruck unserer Ernährung auch durch eine Reduktion des Methanausstoßes in der Tierhaltung drastisch verringern. Weitere Probleme durch die Massentierhaltung wie ein nicht rationaler Einsatz von Antibiotika sowie ethische Bedenken könnten ebenfalls reduziert werden. Als Win-win-Situation für Mensch und Umwelt könnte die Planetary Health Diet bis zu 11 Millionen vorzeitige Todesfälle jährlich vermeiden, während gleichzeitig plantare Grenzen respektiert würden (Willett et al. 2019).
Letztlich ist zudem die Reduktion von Verschwendung essenziell. Auf allen Stufen, von der Produktion bis zu den Verbrauchern, gehen etwa ein Drittel aller erzeugten Nahrungsmittel verloren. Enorme Mengen an Fläche und Wasser werden also für die Herstellung von Produkten eingesetzt, die niemals konsumiert werden. Durch die Minimierung dieser Abfälle könnten bis zu 10% der globalen Emissionen eingespart werden (Rosenzweig et al. 2020). Siehe auch Kapitel II.8, II.22 und II.28.