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4.5 Positive Aspekte der bipolaren Störung

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In den letzten zehn Jahren beschäftigten sich einige Psychologen mit einer auf den ersten Blick recht ungewöhnlichen Sicht auf psychiatrische Erkrankungen. Es wurde versucht – neben den negativen Konsequenzen psychischer Störungen – auch auf potenzielle positive Aspekte zu fokussieren und diese in die klinische Praxis und Forschung zu integrieren (Wood und Tarrier 2010). Die Befürchtung, dass sich Betroffene nicht ernst genommen fühlen würden, wenn sie nach positiven Erfahrungen in Zusammenhang mit der bipolaren Störung gefragt werden, hat sich nicht bestätigt. Im Gegenteil, Lobban et al. (2012) machten die Erfahrung, dass Patienten mit bipolaren Störungen gerne bereit waren, über etwaige positive Aspekte und Erfahrungen zu sprechen und dankbar waren, dass sich die Forschung für die Gesamtheit ihrer Erfahrungen interessiert. Auch Maassen et al. (2018) bestätigen, dass es Betroffenen wichtig ist, dass auch positive Aspekte der Erkrankung berücksichtigt werden.

Diese Forschung steckt in den Kinderschuhen, aber Betroffene berichten, sich durch ihre Krankheitserfahrungen anderen Mitmenschen verbundener zu fühlen oder stolz auf sich zu sein, eine depressive Krise gemeistert zu haben (Lobban et al. 2012). Die Idee, dass eine manische Episode eine traumaähnliche Erfahrung sein kann und Betroffene daraus letztendlich, im Sinne einer posttraumatischen Reifung, gestärkt werden, ist empirisch noch nicht klar zu beantworten (Galvez et al. 2011).

Wirken sich positive Faktoren auch positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus? Eine vorsichtige Einschätzung auf Basis der noch wenigen Studien ist, dass Spiritualität und Empathie mit einem weniger schweren Krankheitsverlauf in Zusammenhang stehen (Galvez et al. 2011) und eine erste Studie zur Effektivität von einer psychologischen Therapie, die auf Grundsätzen der Positiven Psychologie basiert, wird derzeit in den Niederlanden durchgeführt (Kraiss et al. 2018).

Einen besonderen Stellenwert nimmt die Forschung zur Kreativität ein. Schon früh wurde überlegt, ob ein Zusammenhang zwischen Kreativität und bipolaren Störungen besteht, vor allem, weil es Hinweise gibt, dass viele berühmte Maler, Musiker und Autoren an einer bipolaren Störung erkrankt waren (Jamison 1993). Auch eine prospektive Studie aus Schweden mit Daten von 300.000 Menschen, die über 40 Jahre wiederholt befragt wurden, fand, dass Betroffene mit bipolaren Störungen und ihre Familienangehörige überdurchschnittlich oft in kreativen Berufen tätig waren (Kyaga et al. 2011; 2013). Parallel dazu finden Burkhardt et al. (2019), dass Hoch-Risiko Personen kreativer waren als Personen, die keine Risikofaktoren für bipolare Störungen aufwiesen. Genetische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Kreativität vor allem bei Angehörigen und bei Personen am Rande des Bipolar-Spektrums vorkommt, schwere bipolare Symptome wirken sich eher negativ auf die Kreativität aus (Greenwood 2016). Johnson et al. (2012c) machen in ihrem ausführlichen Überblick zu diesem Thema aber auch darauf aufmerksam, dass methodische Probleme die Ergebnisse beeinflussen könnten.

Einen interessanten Ansatz wählten Folstad und Mansell (2019), indem sie Menschen, die in Bipolar-Selbsthilfegruppen aktiv waren und laut eigenen Angaben an einer bipolaren Störung erkrankt waren, baten, sich zu entscheiden, ob sie – wenn es möglich wäre – die bipolare Störung »ausschalten« wollten oder nicht. Wenn die Entscheidung endgültig wäre, wollten ¾ der Teilnehmer ihre Störung für immer ausschalten. Wäre die Entscheidung reversibel, würde ca. die Hälfte ihre Krankheit nach Bedarf ein- und ausschalten. Als Grund für das Beibehalten oder »Einschalten« gaben die Teilnehmer positive Effekte der Manie, wie tiefe zwischenmenschliche Beziehungen, Produktivität, Energie, Kreativität, Spaß und hohes Selbstwertgefühl, an. Aus psychologischer Sicht können solche positiven Faktoren als Resilienzfaktoren aufgefasst und therapeutisch genutzt werden.

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