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Papst und Kaiser bis zum Frieden von Venedig (1177)
ОглавлениеGegen die kommunale Bewegung in Rom suchte der Papst Hilfe beim deutschen König; nach dem Ende des Zweiten Kreuzzugs drang die Kurie auf einen baldigen Romzug, der aber durch den Tod Konrads III. verhindert wurde. Nach der Königswahl seines Neffen Friedrich I. Barbarossa (1152–1190) sollte der Konstanzer Vertrag (1153) die Grundlagen für eine schnelle Kaiserkrönung in Rom schaffen. Beide Seiten verpflichteten sich darin vor allem, keine einseitigen Verabredungen mit Normannen, Byzanz oder den Römern zu treffen; einen wichtigen Punkt bildete die gegenseitige Wahrung des honor, d.h. des Ranges und der Ansprüche von Papst und Kaiser. Auf der dadurch besonders berührten zeremoniellen Ebene kam es zu einer Irritation, als Barbarossa sich bei einer ersten Begegnung mit Papst Hadrian IV. in Sutri weigerte, den Marschall- und Stratordienst zu leisten, d.h. den Steigbügel und die Zügel des päpstlichen Pferdes zu halten. Wahrscheinlich hatte man es zuvor versäumt, die genaue Ausführung dieses Begegnungszeremoniells zu verabreden. Der König ließ sich jedenfalls davon überzeugen, dass schon sein Vorgänger Lothar III. dem Papst auf diese symbolische Weise Ehrerbietung geleistet hatte, und willigte in die Wiederholung des unterbrochenen Rituals ein. Für eine einseitige Verständigung Barbarossas mit der Kommune war wohl auch aufgrund der Vorstellungen des Staufers von der Bedeutung des Kaisertums und seines Anspruchs darauf kein Platz; die Kaiserkrönung am 18. Juni 1155 konnte deshalb nur unter militärischem Schutz in der Peterskirche erfolgen. Zwar wurde Arnold von Brescia vom Kaiser ergriffen und an den Papst ausgeliefert; zu einer endgültigen Unterwerfung der Kommune kam es aber nicht. Auch der in Konstanz verabredete Zug gegen die Normannen im Süden wurde von Barbarossa vor allem mit Rücksicht auf die Belastungen der deutschen Fürsten und ihrer Vasallen ergebnislos abgebrochen. Der Papst verständigte sich daraufhin, seinerseits gegen die Vereinbarungen von Konstanz handelnd, im Vertrag von Benevent (1156) mit dem neuen König von Sizilien, Wilhelm I. (1154–1166).
Die zunehmende Entfremdung zwischen Papst und Kaiser fand ihren spektakulären Ausdruck im Eklat auf dem Hoftag von Besançon (1156). In einem von Legaten überreichten Schreiben Hadrians wurde das Kaisertum als päpstliches beneficium bezeichnet, was der Kanzler Rainald von Dassel zur Empörung der Fürsten als „Lehen“ übersetzte. Die spätere Klarstellung des Papstes, dass die ebenfalls mögliche Bedeutung „Wohltat“ intendiert gewesen sei, konnte die Wogen nur oberflächlich glätten. Trotzdem lässt sich der bald darauf erfolgte Ausbruch des zweiten jahrzehntelangen Konfliktes zwischen Papst und Kaiser nicht als unausweichliche Konsequenz entgegengesetzter Ideen und Vorstellungen von der Ordnung der Welt verstehen. Diese waren sicher wirksam, doch heißt das nicht, dass man nicht immer wieder in der politischen Praxis hätte zusammenarbeiten können. Zum radikalen Bruch kam es erst, als rivalisierende Kardinalsparteien nach dem Tod Hadrians IV. unter dramatischen Umständen zwei Päpste erhoben (1159). Der eine, Viktor IV., war wohl nicht zuletzt deshalb von der kaisernahen Gruppe und wahrscheinlich auch auf kaiserliche Initiative hin ausgewählt worden, weil man eine Fortsetzung der immer kompromissloseren Politik Hadrians verhindern wollte. Genau dafür stand der von der Mehrheit gewählte Alexander III., zuvor Kardinal Roland von San Marco, der für den Kaiser wohl auch aufgrund seiner Rolle als Legat in Besançon unannehmbar war. Barbarossas Versuch, unter Berufung auf die traditionelle kirchliche Rolle des Kaisers eine Entscheidung des Schismas in eigener Regie herbeizuführen, musste unter den Vorzeichen der nachgregorianischen Kirche erfolglos bleiben: Nur die kaiserliche Partei sandte ihre Vertreter zur Synode von Pavia (1160). Mit dem Papstschisma und den folgenden gegenseitigen Exkommunikationen hatte der Konflikt schon bald nach seinem Ausbruch eine Eskalationsstufe erreicht, die alle Streitfragen wie etwa die Hoheit über das territoriale Erbe der Markgräfin Mathilde von Canossa in Ober- und Mittelitalien („mathildische Güter“) oder die Konkurrenz von päpstlichen und kaiserlichen Herrschaftsansprüchen im Patrimonium Petri in den Hintergrund drängte.
Um sich gegen den Kaiser zu behaupten, war Alexander III. zu kirchenpolitischen Kompromissen gegenüber den anderen europäischen Herrschern bereit. Das normannische Königtum hatte schon beim Vertrag von Benevent weitreichende Zugeständnisse erhalten: Die kirchlichen Wahlen in allen Herrschaftsbereichen blieben unter Kontrolle des Herrschers, die Hauptstadt Palermo wurde zur Metropole einer das Königreich Sizilien umfassenden Kirchenprovinz, für deren Jurisdiktionsbereich Appellationen an den Papst und jedes Eingreifen päpstlicher Legaten ausgeschlossen wurden. Um die rechtliche Autonomie der Kirche ging es auch beim spektakulären Konflikt zwischen dem englischen König Heinrich II. und Thomas Becket, dem Erzbischof von Canterbury. Im Zusammenhang mit weiteren Initiativen zum Ausbau der zentralen Königsherrschaft und zur effektiveren Herrschaftspraxis hatten die Assisen (Satzungen) von Clarendon (1164) die Zuständigkeit der königlichen Rechtswahrung vereinheitlicht und dabei auch die Immunität des Klerus (Privilegium fori) beschnitten; straffällig gewordene Kleriker sollten fortan ohne Möglichkeit der Appellation an den Papst dem königlichen Gericht überstellt werden. Nachdem der Erzbischof, zuvor als Kanzler ein Protegé und enger Berater des Königs, die Unterschrift unter die Beschlüsse verweigert hatte, kam es zur Eskalation gegenseitiger Kampfmaßnahmen. Der Papst versuchte, zwischen Erzbischof und König zu vermitteln. Aus dem französischen Exil nach England zurückgekehrt, wurde Becket aber von Gefolgsleuten des Königs im Streit vor dem Altar seiner Kathedrale erschlagen (1170). Auf die allgemeine Empörung über dieses Sakrileg, die eine schnelle Verehrung des Erzbischofs als Märtyrer und die Heiligsprechung durch den Papst schon im Jahr 1172 bewirkte, konnte der König nur durch eine öffentliche Buße und die Rücknahme der umstrittenen Beschlüsse antworten. Die königliche Kirchenherrschaft in England wurde dadurch aber nicht infrage gestellt, und trotz einer vorübergehenden Annäherung an den Kaiser blieb der englische König ebenso wie der französische im Lager Alexanders III. Für diesen entschieden sich auch die Generalkapitel der neuen Orden; das hatte für die von den Staufern intensiv geförderten deutschen Zisterzienser herrscherliche Pressionen bis hin zur Vertreibung zur Folge, während die Prämonstratenser im Reich auf der Seite des Kaisers verblieben und dadurch das Schisma in den Orden hineintrugen.
Die zwischenzeitlich möglich scheinende militärische Entscheidung zugunsten Barbarossas wurde durch eine katastrophale Seuche im kaiserlichen Heerlager vor Rom (1167) verhindert. In der Folge formierte sich der Widerstand oberitalienischer Städte gegen die harten finanziellen und herrschaftlichen Forderungen des Kaisers, formuliert auf dem Hoftag von Roncaglia (1158), im ersten Lombardenbund unter Führung des 1162 zerstörten Mailand. Nach der vernichtenden Niederlage gegen ein städtisches Aufgebot bei Legnano (1176) fand sich Barbarossa schließlich zur Verständigung mit Alexander III. bereit. Der Friede von Venedig (1177) klärte wiederum keine Streitfragen, sondern beendete den Konflikt als solchen: Der Kaiser musste den so lange erbittert bekämpften Papst anerkennen und wurde von diesem nach einem öffentlichen Bußritual wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen. Für die vom Schisma betroffenen kirchlichen Ämter im deutschen Reich fand man pragmatische Lösungen: Weichen mussten nur diejenigen kaiserlichen Bischöfe, die einen Amtsinhaber der Observanz Alexanders verdrängt hatten.