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Die Organisation der Kurie
ОглавлениеMit dem Pontifikat Urbans II. (1088–1099), der sich zumeist außerhalb Roms aufhalten musste und nicht auf die älteren Verwaltungsressourcen der römischen Kirche zurückgreifen konnte, setzte die hochmittelalterliche Institutionalisierung des Papsttums ein. Für den päpstlichen Hof mit Kardinälen, Beratern und Amtsträgern kam jetzt die Bezeichnung „Kurie“ auf. Schon in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts wurde der römische Lateranpalast immer deutlicher zum Zentrum päpstlicher Kirchenherrschaft. Calixt II. und Innozenz II. ließen Repräsentationsräume ausbauen, die mit Darstellungen der päpstlichen Siege über die salischen Kaiser und die Gegenpäpste geschmückt wurden. Ein Fresko, das die Kaiserkrönung Lothars III. durch Innozenz II. darstellte, soll eine auf Druck Barbarossas entfernte Inschrift getragen haben, die den Kaiser als Lehnsmann des Papstes auswies. Das „Konsistorium“, ein Versammlungsraum des Palastes, wurde zum Begriff für das repräsentative öffentliche Auftreten des Papstes im Kreis der Kardinäle und anderer Würdenträger.
Die päpstlichen Legaten wurden nur noch selten aus den Reihen der Landeskirchen bestimmt und mit ständigen Legationen betraut; stattdessen wurden zunehmend Kardinäle aus Rom für begrenzte Aufträge zu Legaten ernannt. Darin spiegelt sich nicht nur die Institutionalisierung des Legatenwesens, sondern auch die wachsende Bedeutung des Kardinalskollegiums für die päpstliche Herrschaft und Verwaltung. Die meisten Päpste des 12. Jahrhunderts kamen zudem aus den Reihen der Kardinäle und hatten schon im Legatenamt die Konsequenzen des universalkirchlichen Leitungsanspruchs und die besondere Situation einzelner Landeskirchen kennengelernt. Immer häufiger wurden die Kardinäle mit ihrer Unterschrift an der Ausstellung päpstlicher Privilegien beteiligt, Ausdruck ihrer Mitwirkung bei der Vorbereitung, Beratung und Formulierung päpstlicher Entscheidungen. Gesamtzahl und Struktur des Kardinalskollegiums, am Beginn des 12. Jahrhunderts sieben Kardinalbischöfe, 28 Kardinalpriester und 17 Kardinaldiakone, blieben wandelbar; dem jeweiligen Papst boten sich dabei Möglichkeiten gezielter Personalpolitik.
Rekrutiert wurden die Kardinäle sowie weitere Berater und Amtsträger für Rechtsprechung und Verwaltung des Papstes nicht nur aus der römischen Kirche, sondern auch aus den aufstrebenden Schulen Frankreichs (s.u. S. 57). Das neue Amt des Kanzlers, der die päpstliche Politik koordinierte und häufig maßgeblich beeinflusste, wurde von einem Kardinal ausgeübt; auch unter den Kämmerern fanden sich sachkundige Kardinäle wie Boso, dem wir eine Wiederaufnahme der frühmittelalterlichen Papstgeschichtsschreibung des Liber Pontificalis verdanken. Die Verwaltung der finanziellen Ressourcen war nicht nur wegen der beständig wachsenden Aufgaben der Kurie ein kaum zu bewältigendes Problem, sondern auch deshalb, weil die Päpste während langer Zeiträume des 12. Jahrhunderts nicht auf Rom und die dort anfallenden regelmäßigen Einkünfte aus dem Patrimonium Petri zugreifen konnten. Immer wichtiger wurden deshalb Zahlungen, die als „Peterspfennig“ von weltlichen Herrschern, z.B. dem englischen König, oder einzelnen religiösen Institutionen geleistet wurden. Im Jahr 1192 hat ein Kämmerer im Liber censuum die Einnahmen der päpstlichen Kammer zusammengestellt, die allerdings nur einen Teil der finanziellen Ressourcen des Papstes ausmachten.
Im Kontext der Kirchenreformen hatten sich die Synoden von regionalen Beratungs- und Entscheidungsgremien zu Foren der päpstlichen Initiative gewandelt. Diese Entwicklung fand am Beginn des 12. Jahrhunderts ihre Fortsetzung: Synoden, die unter päpstlicher Leitung vor allem in Frankreich abgehalten wurden, nahmen die seit Mitte des 11. Jahrhunderts immer wieder formulierten Reformbestimmungen gegen Simonie und Priesterehe auf. Einen ersten Abschluss dieser Thematik brachten die später als Erstes und Zweites Laterankonzil bezeichneten Synoden im römischen Lateranpalast (1123/1139). Allein solche Synoden, die unter päpstlicher Leitung abgehalten wurden, galten jetzt als Universalkonzilien; die Entscheidungen wurden weitgehend vom Papst und seinen Beratern vorbereitet und häufig von den Teilnehmern nur noch bestätigt. In Einzelfällen hatten engagierte Gruppen von Kardinälen und Bischöfen aber durchaus noch die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Auf dem Ersten Laterankonzil musste der Papst die Zugeständnisse des Wormser Konkordats rechtfertigen, auf dem Dritten Laterankonzil fanden die von päpstlichen Beratern vorbereiteten Häresieanklagen gegen verschiedene Theologen keine Zustimmung. Auch Synoden einzelner Kirchenprovinzen wurden jetzt zumeist von päpstlichen Legaten geleitet; die ohnehin wenig ausgeprägte rechtliche und organisatorische Bedeutung des Metropolitenamtes ging noch weiter zurück. Der Erzbischof verstand sich vor allem als Inhaber eines besonderen Ranges, das Pallium drückte seine Nähe zum Papst aus. Weniger rechtliche Kompetenzen als Rangfragen motivierten auch die teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen Erzbischöfen um den Primat einer Landeskirche.