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2. Vom ‚Verschwinden‘ der Medien in ihrem Vollzug:
das transitorische Medium

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Gehen wir von einer alltäglichen Erfahrung im Umgang mit Medien aus, in der sich eine Art von ‚Ent-Autonomisierung‘ als ein integraler Aspekt der medialen Funktionslogik zeigt. Medien kommt die Eigenart zu, dann, wenn sie etwas zur Erscheinung bringen, für die Nutzerwahrnehmung zu verschwinden (Mersch 2002 a: 56, 2002 b: 132ff.; Groys 2000: 22; Engell u.Vogl 2000: 10; Krämer 2008: 26ff.). Medien aisthetisieren, indem sie selbst an-aisthetisch werden. Das ‚gute Medium‘ macht sich unsichtbar im Gebrauch. Wir hören den Inhalt einer Rede, aber keine Schallwellen, sehen einen Kinofilm und keine Leinwand. Medien vergegenwärtigen etwas, indem sie selbst dabei zurücktreten. Sie ziehen die Nutzer unmittelbar in das hinein, was sie übertragen und lassen das, was sie vermitteln, als Unmittelbares, Unvermitteltes erscheinen. Vermittelte Unmittelbarkeit‘ hat Walter Benjamin (1916: 142) dies genannt. Die Unsichtbarkeit des Mediums wird zum Garanten dafür, dass dessen Botschaft hervortreten kann, wie umgekehrt das Auffälligwerden des Mediums innerhalb seines Gebrauchsaktes die Präsentation seines Gehalts unterläuft und stört. In der Digitalisierung zeigt sich diese Tendenz als Telos einer Interface-Entwicklung, bei der die Mensch-Maschine Interaktion via Computerbildschirm immer ‚natürlicher‘ und unauffälliger sich vollziehen soll: von den schriftlichen Kommandozeilen früher Computer zu den Icons der graphischen Interfaces über die Touchscreens bis hin zur anvisierten Sprach- und Blicksteuerung. Distelmeyer (2017: 17) spricht vom Paradox der Selbstverleugnung des Vermittelnden.

Auf diese ‚mediale Gebrauchslogik‘ weist auch die Herkunft des Wortes (Bahr 1999: 273ff. und Hartmann 2000: 16). Der ‚terminus medius‘ kommt in der syllogistischen Schlussfigur in den beiden Prämissen vor und stiftet deren Verbindung; doch im Schlusssatz der conclusio ist eben dieses Wort, das als begriffliches Scharnier fungierte, getilgt und verschwunden. Eine logische Verbindung stiftend, macht der ‚terminus medius‘ sich selbst überflüssig.2

Keine Frage, dass die Selbstneutralisierung des Mediums keineswegs ausnahmslos gilt: Gerade die modernen Künste entwickeln gegensinnige Verfahren, ihre Medialität augenfällig zu machen und deren Selbstzurücknahme zu unterlaufen und umzukehren. Doch gerade diese artifizielle Außerkraftsetzung des Entzugs der Medien in ihrem künstlerischen Vollzug unterstreicht nur die Ubiquität und Selbstverständlichkeit, mit der wir im Alltag erwarten, dass Medien ‚reibungslos‘ – sozusagen: stumm – ihren Dienst versehen: Der Bildschirm sollte nicht flimmern, das Radio nicht rauschen, die Handschrift noch leserlich sein … Ein Zug zur Transparenz, Unauffälligkeit, Zurückgenommenheit in der physischen Signatur grundiert die Gebrauchslogik von Medien und charakterisiert deren ‚transitorische Dimension‘ – die selbstverständlich immer und jeder Zeit zugleich bedroht ist: bei den technischen Medien spätestens, wenn der Strom ausfällt.

Handbuch der Medienphilosophie

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