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7. Die graphische Interaktion von Punkt und Linie eingesetzt als Erkenntnismittel
ОглавлениеJohann Heinrich Lambert (1728–1777) arbeitet im Kreuzungspunkt von Philosophie, Mathematik, empirischer Naturwissenschaft und Kartographie. Er ist ein Pionier auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Gebrauchs von Graphen und Diagrammen (Bullynck 2008; Shynin 1966; Vogelgsang 2004), eingesetzt als ‚Denkzeuge‘, welche heterogene Erkenntnisverfahren wie Begriff und Anschauung, Theorie und Empirie, universelles Gesetz und singuläre Messdaten in einem graphischen Vermittlungsakt aufeinander beziehbar machen (Lambert 1765, 426f.).
Um Messfehler zu vermeiden wird in Experimenten eine Messung mehrmals wiederholt und ein Durchschnittswert gebildet, um diejenigen Versuche auszusondern, deren Abweichung vom Durchschnittswert am höchsten ausfällt. Lambert entwickelt eine rein graphische Methode, wie das Umgehen mit Messfehlern kontrollierbar und schließlich korrigierbar wird.
Abb. 1: Gerade Linie
Er trägt partikuläre Messergebnisse als Punkte in einem Hilfsliniensystem ein und verbindet diese durch eine gerade Linie. Die ermittelten (Mess-)Punkte enden – hier durch kleine Buchstaben gekennzeichnet – jeweils vor oder hinter dieser Geraden, denn die Punkte verändern sich zwar ansteigend, doch das Maß ihrer Veränderung ist nicht konstant. Lambert zeichnet anstelle einer Zickzack-Verbindung zwischen den faktischen Messpunkten eine gerade, also kontinuierlich ansteigende Linie ein – „gleichsam wie Mitten durch“ (Lambert 1765, 476). Lambert geht von der Voraussetzung aus, dass der Messung ein gesetzlicher, linearer Zusammenhang zugrunde liegt und dass die gerade Linie dieses allgemeine Gesetz darstellt, welches den ermittelten Daten implizit ist und explizit gemacht wird durch die ‚idealiter‘ verfahrende graphische Linie. Wenn aus immer auch fehlerbehafteten experimentellen Messungen arithmetisch der Mittelwert gebildet wird, so liegt dieser Wert genau auf der eingezeichneten Linie: Das sind hier die Punkte G, g und γ. Die auf der Fläche vollzogene Verbindung zwischen singulären Daten (= Punkten) und einem universellen Gesetz (= Linie) nutzt Lambert, um Abweichungen in der Empirie zugunsten der akzentuierten Deutlichkeit der gradlinigen geometrischen Repräsentation zu korrigieren.