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5. Bote als Spur

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Dass das Kommunizieren im Wahrnehmbarmachen verwurzelt ist, findet in dem, was ‚Spuren uns sagen‘, also im ‚unfreiwilligen Botentum der Spur‘, sinnfälligen Ausdruck. Spurenlesen ist die Inversion des Botengangs. Bote und Spur verhalten sich zueinander wie Vor- und Rückseite eines Blattes, das vom ‚Übertragen‘ handelt. Die Aktivität des Auftraggebers und Senders wandert vom Boten zum Empfänger. Denn Spuren entstehen erst im Auge ihrer Betrachter, welche eine Markierung als Spur deuten, indem diese eine Absenz präsent macht. Der Spurenleser verhält sich als Adressat von etwas, dessen ‚unwillkürlichen Absender‘ er allererst zu rekonstruieren hat (Krämer 2008: 276–297). Diese Rekonstruktion hat den Charakter einer Entdeckung, einer Einsicht, einer Erkenntnis. Spurenlesen ist die erkenntnistheoretische Version des Botengangs.

Den Boten in umgekehrter Richtung als Spur zu ‚lesen‘, eröffnet das Potenzial von Medienkritik. Wenn wir vom ‚Verschwinden des Mediums im Gebrauch‘ sprechen, bleibt gleichwohl klar, dass die Eigensignaturen des Mediums sich an und in dem von ihm präsentierten Gehalt zwar nicht ‚vordergründig‘, wohl aber als Spur auffinden und rekonstruieren lassen (Krämer 1998). Wird eine Wanderkarte eingesetzt, behandeln die Kartennutzer die Karte so, als ob diese ‚Mittler eines Wissens‘ sei, durch welches Orientierung und Wegweisung möglich wird. Das gilt für Navigationssysteme erst recht. Analysiert man hingegen die kartographischen Gepflogenheiten, die sich in dieser Art von Karte auskristallisieren, indem gefragt wird, warum z.B. Steigungen als Höhenlinien verzeichnet sind oder in welcher Sprache die erste Schweizer Generalkarte verfasst ist, dann bleiben Karten keine ‚Boten‘ eines Territoriums, sondern sind die kulturhistorisch sedimentierte Spur kartographischer Erzeugungstechniken und sozialpolitischer Gegebenheiten. Eine Karte entweder ‚als Bote eines geographischen Wissens‘ oder ‚als Spur kartographischer Erzeugungsbedingungen‘ zu lesen heißt, diese in unterschiedliche Handlungs- und Gebrauchszusammenhänge einzurücken. Bei Aktionen im unvertrauten Terrain wird dem ausgewählten Kartenmaterial vertraut, indem es ‚zielführend‘ eingesetzt wird. Wird eine Karte dagegen als verkörperte Kulturtechnik und Spur ihrer Erzeugungsbedingungen analysiert, ist ein Stück Medienkritik praktiziert. Letzteres geschieht gewöhnlich nicht im unmittelbaren Nutzungsakt: Die Karte wird ihrer medialen Funktion enthoben und vom praktischen Orientierungsmittel in ein Analyseobjekt verwandelt.

Handbuch der Medienphilosophie

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