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GeschöpfSchöpfung, Geschöpf und Schöpfer
ОглавлениеBiblische AnthropologieAnthropologie redet von Menschen nie ohne einen Bezug zu Gott und von Gott nicht ohne Bezug zu Menschen – ein selbstverständliche Denkvoraussetzung antiker Kultur. Dies prägt auch die christliche TheologieTheologie.
Stellvertreter des göttlichen Herrschers: Eingebunden in die geordnete Welt des Universums und der Tiere repräsentiert der Mensch im Schöpfungsbericht (Gen 1Gen1) als Stellvertreter Gottes dessen Herrschafts- und Bewahrungswillen. Das GeschöpfSchöpfung, Geschöpf ist in die durch den ↗︎ SabbatSabbat, Schabbat strukturierte Zeit eingebunden und durch den Sühne verschaffenden Kult entlastet. Mit diesen grundlegenden Setzungen wird die species Mensch zum Bild Gottes bestimmt (Gen 1,26fGen1,26f; vgl. 5,1–3Gen5,1–3; 9,6Gen9,6 → 3.7 Menschenwürde). In Anlehnung an die ägyptische Vorstellung des Pharaos als Bild der Gottheit übernimmt damit der Mensch die FunktionFunktionen des Repräsentanten und Stellvertreters Gottes auf Erden. In das herausgehobene und enge Verhältnis, das bislang allein der König zu Gott hatte, tritt nun die Menschheit ein. Der ihr in Gen 1,26–28Gen1,26–28 übertragene Herrschaftsauftrag wird als Herrschaft über die Tierwelt gefasst. Universal werden in der „priesterschriftlichen“ Literatur (→ 1.2 Was ist die Bibel?) alle Menschen unabhängig von Herkunft, Volkszugehörigkeit, sozialem oder politischem Status in eine unmittelbare Nähe zu ↗︎ JHWHJHWH gehoben. Nicht mehr der König oder das eigene Volk werden als herausgehobene Größen identifiziert, wie dies bislang im Alten Orient und in Ägypten weit verbreitet war. Vielmehr eignet nun jedem Menschen königliche Qualität. Jede und jeder ist Sachwalter Gottes. Diese Entgrenzung und Universalität formuliert die Urgeschichte, ohne dass daraus weitergehende Konsequenzen gezogen werden.
Sterblicher Erdling und erwachsenes Gegenüber zu Gott: Die Paradieserzählung (Gen 2–3Gen2–3) u.a. „nichtpriesterliche“ Texte setzen mit dem sterblichen „Erdling“, der sich durch die Missachtung der Weisung Gottes von seinem Schöpfer emanzipiert, einen eigenen Akzent. In seiner Selbständigkeit existiert er deutlich unterschieden vom unendlichen Schöpfergott und zugleich in unvermeidlicher KonkurrenzKonkurrenz zu ihm. So wird sein Erwachsen-Werden mit der Fähigkeit, Gut und Böse zu erkennen, kaum zufällig als Schritt aus der bisherigen Gottesgemeinschaft und als erster Ungehorsam erzählt. Zugleich präsentiert diese Geschichte einen Menschen, der sich die Mitwelt der Tiere aneignet, indem er sie benennt (Gen 2,19–20Gen2,19–20), und der auf GemeinschaftGemeinschaft angelegt ist.
Königliche Bestimmung: Auch Psalmen und Psalter preisen den königlichen Menschen in seiner Nähe und Distanz zu ↗︎ JHWHJHWH (Ps 8Ps8) und singen das Lob des Schöpfers (Ps 104Ps104). Die königliche Bestimmung des Menschen aus Gen 1Gen1 wird affirmativ in Ps 8Ps8 und später kritisch in Hi 7Hi7 aufgegriffen. Nach Ps 8 krönt Gott den Menschen mit Ehre und Hoheit und damit mit den Attributen des Königs JHWHJHWH (Ps 29,2Ps29,2; 21,6Ps21,6). Die Gottesnähe und das herausgehobene Gottesverhältnis des Menschen zeigen sich in seinem umsorgenden und gestaltenden Umgang mit den Tieren. Diese stellvertretende Herrschaft wird nirgends als Herrschaft von Menschen über Menschen ausgesagt, welcher damit keine göttliche Legitimität gegeben wird.
Radikale Diesseitigkeit: Komplementär zum Gottesbezug verstehen die alttestamentlichen Anthropologien den Menschen radikal im Kontext seiner Lebenswelt(en). Vor und mit Gott lebt er als diesseitiger Mensch. Im Diesseits liegen seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So orientieren sich die älteren Rechtstexte und die frühe Weisheit pragmatisch am Erhalt der sozialen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen. Erkenntnis und ↗︎ EthikEthik sind auf dieses Ziel gerichtet. Wendet Gott seinem Volk oder den einzelnen Menschen Heil und Lebenskraft (SegenSegen) zu, so verbleibt dies in fast allen Texten des Alten Testaments im Rahmen des diesseitigen irdischen und biologischen Lebens. Dieser Grundzug radikaler Diesseitigkeit zieht sich bis in die Gottesverehrung. Weder der Gott Israels noch seine Verehrung werden auf ein Geschlecht oder auf bestimmte Gestalten von SexualitätSexualität festgelegt. Sexualität wird konsequent im Bereich des Menschen und seiner Geschöpflichkeit verortet. Sie gehört zum diesseitigen Leben. Ihr Gebrauch bzw. der Verzicht auf sie bilden kein Element der Gottesbeziehung. Hinzukommt, dass die Welt des Gottes Israel die Welt der Lebenden ist. Das Totenreich und die Toten werden erst in alttestamentlichen Texten aus spätpersischer und hellenistischerHellenismus, hellenistisch Zeit (4.–1. Jh.v. Chr. ↗︎ HellenismusHellenismus, hellenistisch) als Einflussbereich JHWHsJHWH theologisch einbezogen.