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Biblische EthikEthik im Kontext der Moralphilosophie

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Es geht in der ↗︎ EthikEthik also um ein Nachdenken über Formen, Begründungen und Ziele des Handelns, die nicht nur für eine Situation gelten, sondern auch auf andere übertragbar sind. Wird dieses verallgemeinernde Nachdenken zu einem übergreifenden System entwickelt, kann man mit gutem RechtRecht die Ethik auch als die „Theorie des Handelns“ bezeichnen. Die Ethik unterscheidet sich so gesehen vom Ethos bzw. der Moral, die das richtige Tun nach Gewohnheit oder Standesethos bestimmen. Auf die Frage, warum eine Pflegemaßnahme so und nicht anders vollzogen wird, würde man im Ethos-Horizont antworten: „Das haben wir hier schon immer so gemacht“, im Kontext der Ethik würde man z.B. sagen: „Weil Lebenserhaltung die höchste Norm ist, machen wir das so.“ oder: „Man sollte so handeln, damit der Patient möglichst wenig Schmerzen hat.“ Man erkennt dabei, dass es unterschiedliche Begründungsmuster gibt: bei dem ersten liegt eine Norm voraus (Lebenserhaltung), aus der das richtige Tun abgeleitet wird (= deontologische Ethik). Beim zweiten wird die Bewertung des Handelns aus einem erhofften Ziel (Schmerzreduktion) gewonnen (= teleologische Ethik). Die Grundform der Ethikbegründung ist aber in beiden Fällen das Argumentieren mit Vernunft.

Man wird deshalb zu RechtRecht fragen dürfen, ob in der Bibel solche Formen argumentativer EthikEthik vorkommen, oder noch grundsätzlicher, ob es berechtigt ist, von einer „Ethik der Bibel“ zu sprechen. Statt eine „Theorie des Handelns“ finden wir Erzählungen, Gleichnisse, Briefe. Paulus hat z.B. namentlich genannte Menschen (vgl. Philemon) in bestimmten Gemeinden angeschrieben, so dass man diese Texte als Gelegenheitsschriften bezeichnet hat. Gleichwohl zeigen gerade auch die Paulusbriefe, dass Paulus grundsätzlich formuliert, dass er verschiedene Güter abwägt, oder Urteile argumentativ begründet. Es geht also in den biblischen Texten um mehr als um eine rein situative Moral oder den Spiegel eines Ethos der frühen Christ*innen. M.E. darf man mit gutem Recht zumindest von einer „impliziten Ethik“ der Bibel sprechen.

Dies gilt umso mehr, weil die biblischen Schriften im Prozess der KanonisierungKanonisierung in einen verallgemeinernden Rang von „Heiligen Texten“ gekommen sind. KanonKanon, kanonisch heißt wörtlich übersetzt „Maßstab“ (→ 1.2 Was ist die Bibel?). Die Sammlung der biblischen Bücher ist für die christlichen GemeinschaftenGemeinschaft maßgebend, und zwar nicht nur für den GlaubenGlaube an Gott und Jesus, sondern auch für das Handeln. Auch wenn heute kaum noch jemand von der Bibel als der norma normans, der alles übergreifenden und bestimmenden Norm reden wird, kann man doch auch sagen, dass eine theologische EthikEthik ohne Rückbezug auf die Bibel ihre Basis verliert.

Man wird allerdings genau überlegen müssen, wie die Bibel in die Handlungsbegründung der Gegenwart eingespielt wird. Dabei gilt es, ihre geschichtliche Entstehung und spezifische Sprechweise ernst zu nehmen und zugleich Brückenschläge in den und aus dem aktuellen Diskurs zu ermöglichen. Einfache Ableitungen sind ebenso problematisch wie radikale Brüche. Es mag bei diesem „hermeneutischen Aushandlungsprozess“ hilfreich sein, sich immer wieder an der Bibel selbst zu orientieren und in den auslegenden GemeinschaftenGemeinschaft in einen konstruktiven Dialog über die bleibende Geltung einzelner Texte zu treten.

Biblisches Arbeitsbuch für Soziale Arbeit und Diakonie

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