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3.3 Funktionen der Evaluation
ОглавлениеIn diesem Kapitel wollen wir spezifische Funktionen und Ziele von Prüfungen kurz skizzieren, die mit mehr oder weniger weitreichenden Entscheidungen im Hinblick auf die unterrichtliche Qualitätsentwicklung verbunden sein können. Es lassen sich insb. folgende Funktionen und Ziele unterscheiden, die allerdings nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind und die zum Teil von den Betroffenen (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern, bildungspolitische Entscheidungsträger) unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden können (vgl. zum Folgenden Grotjahn & Kleppin, 2015, Kap. 1.3).
Feststellen des Erreichens von Lernzielen, curricularenCurricula Vorgaben und Standards. Hierbei geht es darum zu überprüfen, ob lehrerseitig oder curricularCurricula vorgegebene Lernziele und/oder schulinterne oder schulexterne Standards erreicht wurden. Lehrerseitige Lernziele können sich sowohl auf MakrokompetenzenKompetenzMakrokompetenz wie die Fähigkeit zum Verfassen eines informellen Briefes beziehen als auch MikrokompetenzenKompetenzMikrokompetenz wie z.B. die Fähigkeit zur Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel für die Textproduktion (z.B. ein bestimmter thematischer Wortschatz)Wortschatz betreffen. CurriculareCurricula Vorgaben und Standards beziehen sich eher auf die z.B. in Kernlehrplänen beschriebenen MakrokompetenzenKompetenzMakrokompetenz, die sich an den Deskriptoren des GERGemeinsamer europäischer Referenzrahmen anlehnen wie z.B.: „Die Schülerinnen und Schüler können … einfache, standardisierte Briefe und E-Mails adressatengerecht formulieren, z.B. Anfragen, Bewerbungen (B1)“ (KMK, 2004, S. 14). Sollten die Lernziele, curricularenCurricula Vorgaben und Standards nicht erreicht werden, dann sind die Gründe hierfür zu analysieren und auf der Basis der Analysen gegebenenfalls Maßnahmen für die Weiterentwicklung des Unterrichts zu ergreifen (vgl. auch Harsch, 2016).
Feststellen von Fortschritten. Hier will man an Hand von so genannten Lernfortschrittstests feststellen, ob und welche Fortschritte einzelne Lernende oder auch eine ganze LerngruppeLerngruppe im Hinblick auf bestimmte Lernziele gemacht haben. Geht es z.B. in einer Unterrichtseinheit um die Vermittlung von Kompetenzen für das Schreiben von Bewerbungen, dann wird überprüft, ob die Schülerinnen und Schüler am Ende der Unterrichtseinheit ein Anliegen, wie z.B. ein Bewerbungsschreiben für ein Auslandspraktikum, textsortenTextsorte- und adressatengerecht schriftlich formulieren können. Ist dies nicht der Fall, dann ist wiederum nach den Ursachen zu fragen. Waren die Bewerbungen z.B. nicht höflich genug formuliert, dann sollte dieser Aspekt im Unterricht fokussiert werden.
Feststellen des Potenzials. Hierzu kann man das bereits erwähnte Verfahren der interaktionistischen dynamischen EvaluationEvaluationinteraktionistisch dynamisch verwenden. Diese geht davon aus, dass der in einer Evaluationssituation gezeigte aktuelle Stand der Schreibkompetenzen nur sehr bedingt eine Vorhersage über die zukünftige Entwicklung der Schreibkompetenzen eines Lernenden oder auch einer Gruppe von Lernenden ermöglicht. Über welches Entwicklungspotenzial ein Lernender verfügt, kann man daran ablesen, inwieweit dieser geeignete Hilfen (z.B. Markierung eines Fehlers; Hinweis zur Fehlerart; Hinweise zu Korrekturmöglichkeiten) zur Verbesserung seines Schreibprodukts und zur Weiterentwicklung seiner Schreibkompetenzen nutzen kann. Genauere Hinweise, wie entsprechende Hilfen vor dem Hintergrund der interaktionistischen dynamischen EvaluationEvaluationinteraktionistisch dynamisch gestaltet und eingesetzt werden können, finden sich in Kapitel 9.5.
DiagnoseDiagnose und Förderung. Die DiagnoseDiagnose soll Lehrkräften, Lernenden und eventuell auch Eltern Informationen liefern, die dann in die weiteren unterrichtlichen Entscheidungen und Handlungen (z.B. Förderung spezifischer Schülerinnen und Schüler, Fokussierung spezifischer Kompetenzbereiche) einfließen. Die diagnostische Zielsetzung sollte möglichst für die Beteiligten transparent sein. Eine DiagnoseDiagnose kann vor Beginn einer geplanten Unterrichtssequenz (LernausgangsdiagnoseDiagnose), während des unterrichtlichen Lernprozesses (LernprozessdiagnoseDiagnose) oder am Ende einer Unterrichtssequenz (LernergebnisdiagnoseDiagnose) durchgeführt werden. Sie kann sich auf individuelle Schülerinnen und Schüler oder auch ganze LerngruppenLerngruppe beziehen und auf der Basis einer gruppenbezogenen oder kriterialen Bezugsnorm erfolgen.
Feedback (Rückmeldungen). Feedback ist dazu gedacht, den Lernenden oder auch den Eltern relevante Hinweise zu den erreichten Kompetenzen, Fortschritten, Defiziten und zur weiteren Entwicklung von Kompetenzen zu geben. Für Lehrkräfte können die Ergebnisse von Prüfungen Anlass sein, ihren Unterricht zu überdenken und gegebenenfalls neu auszurichten. Rückmeldungen können geplant z.B. in Form von systematischen lehrerseitigen Korrekturen von Schreibaufgaben oder auch ungeplant z.B. in Form einer spontanen Reaktion der Lehrkraft auf einen Tafelanschrieb einer Schülerin oder eines Schülers erfolgen (zu Formen des Feedbacks siehe Kapitel 9.2). Darüber hinaus können sich Rückmeldungen auch auf die Leistungen größerer Einheiten wie Schulklassen, Schulen oder Bundesländer beziehen.
Motivierung. Unterrichtliche Prüfungen sollen häufig dazu dienen, Lernende zu erhöhter Anstrengung anzuspornen und sie so z.B. zu veranlassen, bestimmte Kenntnisse zu festigen oder bestimmte Inhalte zu wiederholen. Auch das erfolgreiche Ablegen einer externen Zertifikatsprüfung kann sich positiv auf das Selbstwertgefühl der Schülerinnen und Schüler auswirken und zu weiteren Anstrengungen im Unterricht motivieren.
Entwicklung diagnostischer und reflexiver KompetenzenKompetenzdiagnostisch. Schülerinnen und Schüler können diagnostische und reflexive KompetenzenKompetenzdiagnostisch nur entwickeln, wenn eine informative Rückmeldung zu den Schreibleistungen gegeben wird, die auf transparenten, den Lernenden klar verständlichen Kriterien beruht (zur kriterialen Bewertung und Rückmeldung siehe Kapitel 6, 8 und 9). Die Rückmeldung kann darüber hinaus – auch im Rahmen von Selbst- und Peer-EvaluationenEvaluationSelbstevaluationEvaluationPeer-Evaluation – die Lernenden dazu anregen, sich mit den eigenen Produktionen noch einmal auseinander zu setzen. Diagnostische und reflexive KompetenzenKompetenzdiagnostisch gelten als wichtige Voraussetzung für Lernerautonomie.
Vergabe von NotenBenotung. Die Bewertung von Schreibkompetenzen erfolgt üblicherweise an Hand von Ziffernnoten, denen Punktzahlen zu Grunde liegen und die zum Teil mit zusätzlichen verbalen Beurteilungen verbunden werden. Ohne zusätzliche verbale Beurteilungen bieten ZiffernnotenBenotung im Hinblick auf eine DiagnoseDiagnose und Weiterentwicklung spezifischer Kompetenzen keine inhaltlich relevanten Informationen.
Betrachtet man fremdsprachliche Tests und Prüfungen aus einer bildungspolitischen Perspektive, dann zielt deren Einsatz im Schulkontext stets auch auf Rechenschaftslegung und Qualitätsentwicklung. In diesem Zusammenhang wird häufig im Hinblick auf den Einsatz von Tests und Prüfungen auch der Begriff LernstandserhebungLernstandserhebung verwendet. So werden etwa Vergleichsarbeiten wie VERA-8Vergleichsarbeiten auch als eine Form der LernstandserhebungLernstandserhebung angesehen (vgl. Kniffka, 2016 sowie auch Groß Ophoff, 2013).1LernstandserhebungDiagnoseLerngruppe Im Rahmen dieses Monitoring-Paradigmas lassen sich folgende spezielle Funktionen und Ziele formulieren, die sich wiederum überschneiden können:
Evaluation von erreichten Kompetenzen. Es sollen mit Hilfe standardisierter Tests Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welches NiveauNiveaustufe Lernende oder auch größere Bildungseinheiten zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem bestimmten Kompetenzbereich tatsächlich erreicht haben. Ein Beispiel hierfür ist die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) aus dem Jahre 2003/2004 zur Entwicklung von sprachlichen Fähigkeiten. Hierbei wurden insb. rezeptiveKompetenzrezeptiv und produktive KompetenzenKompetenzproduktiv untersucht – unter Einschluss von Schreibkompetenzen (vgl. DESI-Konsortium, 2008).
Evaluation des Erreichens von bildungspolitischen Zielen. Es sollen mit Hilfe standardisierter Tests Erkenntnisse darüber gewonnen werden, inwieweit spezifische bildungspolitische Ziele erreicht wurden, wie etwa die BildungsstandardsBildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss. Entsprechende Untersuchungen fanden in den Jahren 2008 (Französisch), 2009 (Englisch) sowie 2015 (Englisch und Französisch) für HörverstehenHörverstehen und LeseverstehenLeseverstehen statt. Für die Überprüfung von Schreibkompetenzen wurden zwar 2007 und 2008 TestaufgabenAufgabenTestaufgaben entwickelt und pilotiert (vgl. die Hinweise in Kapitel 2.5), allerdings u.a. aus Gründen des hohen Bewertungsaufwandes nicht flächendeckend für die Überprüfung der BildungsstandardsBildungsstandards eingesetzt. Ergebnisse aus Überprüfungen bildungspolitischer Ziele können für die Weiterentwicklung von CurriculaCurricula (Formulierung realistischer Lernziele) genutzt werden.
Vergleich größerer Bildungseinheiten. Es können z.B. Klassen, Schulen, Regionen oder auch ganze Länder an Hand standardisierter Tests verglichen werden. Beispiele hierfür sind die Ländervergleiche/BildungstrendsLändervergleich/Bildungstrend sprachlicher Kompetenzen in der ersten Fremdsprache in den Jahren 2008/2009 und 2015 im Rahmen der Überprüfung der BildungsstandardsBildungsstandards (vgl. Köller, Knigge & Tesch, 2010; Stanat, Böhme, Schipolowski & Haag, 2016 sowie auch Kapitel 2.3). Ein anderes Beispiel, allerdings nicht aus dem fremdsprachlichen Bereich, ist die PISA-Studie.
Positive Beeinflussung des Unterrichts. Fremdsprachenunterricht soll die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, sprachliche Handlungen in für sie (potenziell) relevanten lebensweltlichen Situationen auszuführen. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch von KompetenzKompetenz- und HandlungsorientierungHandlungsorientierung gesprochen (vgl. Europarat, 2001; KMK, 2004 sowie auch Kapitel 2 und 5). Der Einsatz lebensweltlich relevanter PrüfungsaufgabenAufgabenPrüfungsaufgaben zum Schreiben kann dazu beitragen, dass die Prinzipien der Kompetenz- und HandlungsorientierungHandlungsorientierung im Unterricht tatsächlich umgesetzt werden. Erreicht man die intendierte positive Veränderung des Unterrichts durch die Prüfungsaufgaben, dann spricht man von einem positiven Washback-Effekt (vgl. Kapitel 4.2.4.1).