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a) Begriffsbestimmung

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Literarische Mehrsprachigkeit wird in der jüngeren Forschung schwerpunktmäßig mit Blick auf Fragen der Kulturdifferenz diskutiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass Sprachdifferenzen für Kulturdifferenzen stehen können oder sie überhaupt erst erzeugen. Im Folgenden werden die begrifflichen und historischen Voraussetzungen dieser Engführung erläutert. Dabei stehen weniger die beispielsweise in der Soziologie geführten Grundlagendiskussionen im Vordergrund, etwa zum Zusammenhang von Gesellschaftsstruktur und Kultur. Vielmehr wird Kultur aus einer dezidiert philologischen Perspektive in den Blick genommen.

Obgleich (oder weil) der Kulturbegriff grundlegend für die Geisteswissenschaften ist, gehört er zu ihren umstrittensten Konzepten. Grob lassen sich dabei zwei Tendenzen der Begriffsbestimmung erkennen: Kultur gilt einerseits als gesellschaftliches Gedächtnis und mithin als Grundlage für gesellschaftliche Bedeutungskonstitution (›Kultur als Text‹). Andererseits wird die normative Funktion von Kultur geltend gemacht. Dann gilt Kultur als Inbegriff gesellschaftlicher Regeln. Beiden Vorstellungen von Kultur ist gemeinsam, dass sie deren Grundlagen als kontingent ansehen, ihr aber dennoch Determinationskraft zuschreiben. Vorgeschlagen wird hier, Kultur als Bezeichnung für das (grundsätzlich offene) Bündel von Mechanismen zu verstehen, die einer Gesellschaft Signifikanz bereitstellen, d.h., bedeutungsunterscheidende Differenzen (nicht bereits Bedeutungen). Aus dieser Bestimmung lassen sich sowohl der semantische als auch der regulative Stellenwert von Kultur ableiten (dazu Abschnitt c).

Insofern Sprachsysteme auf Phonemen und Graphemen (und ihren Korrespondenzen) als ihren kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten aufbauen, ist der Zusammenhang zum Kulturbegriff evident: Sprache ist, weil sie systematisch Signifikanz erzeugt, Teil von Kultur. Sprachdifferenzen lassen sich daher auch als Differenzen in der Art und Weise der Signifikanzerzeugung beschreiben und damit wiederum auch als Kulturdifferenzen. Diese Beschreibung setzt voraus, dass es neben Sprache weitere Mechanismen und Strukturebenen von Kultur gibt, z.B. ikonische oder akustische Zeichensysteme, das individuelle Gedächtnis inklusive der psychischen bzw. neuronalen Mechanismen, auf denen es beruht, oder auch digitale Algorithmen, die unabhängig von psychischen und/oder sozialen Operationen Signifikanzen erzeugen.

Literatur und Mehrsprachigkeit

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