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a) Begriffsbestimmung

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Die sprachliche und damit auch kulturelle Bildung von Einheiten und ihre Konturierung durch Grenzziehung einerseits und die Subversion sprachlicher und kultureller Grenzen andererseits sind Grundoperationen von Literatur, deren Untersuchung unmittelbar Aufschluss über den kulturpolitischen Stellenwert von literarischer Mehrsprachigkeit verspricht. Diskutiert wird dies unter dem Schlagwort der Identität.

In die Kulturtheorie ist der Identitätsbegriff in erster Linie durch die Übertragung aus psychologischen Diskussionszusammenhängen eingegangen. Entscheidend ist hierbei die Auffassung, dass sich Identität nur durch Abgrenzung erzeugen lässt, so dass dem jeweils Ausgeschlossenen eine konstitutive Bedeutung für das Selbst zukommt. Diese Operation wird auch auf Gruppen bezogen und dann als Mechanismus der Konstruktion kultureller Identität bzw. Alterität beschrieben. BatesonBateson, Gregory spricht in diesem Zusammenhang von »Schismogenesis« (BatesonBateson, Gregory, »Culture Contact and Schismogenesis«). Die Zuschreibung von Andersartigkeit (›Othering‹) wird so zum Mechanismus der Stabilisierung von kultureller oder Gruppen-Identität.

Das wahrscheinlich wirkmächtigste Werkzeug zur Normierung und Kodifizierung von Einzelsprachen und damit zur Konstitution der Identität von Sprachen ist die Identifikation von Fehlern. Diese Operation ist unmittelbar mit Mechanismen der kulturellen Identitätsbildung verbunden. Sprachkompetenz ist in der europäischen Geschichte seit jeher Ausweis kultureller Zugehörigkeit. Mit Blick auf die Geschichte der Grammatik lässt sich behaupten: »Zur Grammatik gehört wesentlich eine Migrations- und Integrationspolitik« (StockhammerStockhammer, Robert, Grammatik, 318), die regelt, wer und was der jeweiligen Sprache zugehörig ist und wo demnach die Grenzen dieser Sprache zu anderen Idiomen verlaufen.

Gerade der Begriff der (Sprach-)Kompetenz verweist allerdings auch auf die Grenzen eines Begriffs von kultureller Identität, der auf der Operation der »Schismogenesis« aufbaut. Denn Sprachkompetenz muss in jedem Einzelfall als komplexes Gefüge von Fähigkeiten angesehen werden, die sich auf unterschiedliche Strukturebenen der Sprache und auf unterschiedliche Einzelsprachen beziehen können. Auch Kulturkompetenz umfasst im Einzelfall dann sehr divergente, nach Rollen und Gesellschaftsbereichen ausdifferenzierte Fertigkeiten. Daher wird im Folgenden vorgeschlagen, kulturelle Identitäten als je unterschiedlich definierte Bündel kultureller Fähigkeiten zu bestimmen, also als Bündel von Fähigkeiten, bedeutungsunterscheidende Differenzen erkennen und einsetzen zu können, insbesondere auch sprachliche.

Literatur und Mehrsprachigkeit

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