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2. Sprachlichkeit

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Das Konzept „Sprachlichkeit“ – im Gegensatz zu „Sprache“ – beinhaltet vor allem drei Aspekte, die für die Didaktik der Sprachen und verwandte Forschungsbereiche von Bedeutung sind.

Zum einen wird die Perspektive auf die Akteure gerichtet, d.h. Sprache wird nicht, wie in strukturalistischen Sprachauffassungen üblich, als vom Sprecher/Lerner getrenntes „sprachliches System“ verstanden, sondern als soziale Praktik der Lernenden selbst und Teil ihrer Identität. Diese Positionierung beinhaltet eine Abwendung von vorrangig kognitiv-mentalistischen Auffassungen von Sprache bzw. Spracherwerb. Kennzeichnend hier ist etwa die einflussreiche Debatte um einen Artikel von Firth & Wagner (1997; 2007), in dem diese eine vorrangig kognitiv ausgerichtete Spracherwerbsforschung und damit einhergehende Konzepte wie z.B. das Konzept des native speakernative speaker, von interlanguageinterlanguage oder Input/OutputInput/Output kritisieren und im Gegenzug ein poststrukturalistisches Konzept von Sprache bzw. Sprachenlernen/Spracherwerb eingefordert hatten. Sprache wurde von ihnen nicht individualistisch, monolingual und formalistisch verstanden, sondern eindeutig praxeologisch, sozial und kontextgebunden (2007: 802). Wie später Pennycook (2010) feststellt:

To look at language as a practice is to view language as an activity rather than a structure, as something we do rather than a system we draw on, as a material part of social and cultural life rather than an abstract entity. (Pennycook 2010: 2)

Diese Position führte u.a. dazu, im deutschen Sprachraum von „Sprachlichkeit“ bzw. auch von „SpracherlebenSpracherlebnis“ (Busch 2013: 18ff.) zu sprechen und stärker in den Blick zu nehmen, wie Menschen – und zwar individuell wie auch kollektiv – Bedeutung und Bedeutungssysteme konstruieren, inszenieren oder erzählen. Die Lernenden werden als sinnstiftende, reflektierende und sich erinnernde Wesen verstanden (vgl. Hu 2013). Im englischsprachigen Raum spricht man zunehmend auch von „LanguagingLanguaging“ (Swain 2006), betont also durch die verbale Form den Handlungscharakter von Sprache.

Eine zweite wichtige Dimension dieses soziokulturellen Verständnisses von Sprache bzw. SprachlichkeitSprachlichkeit in Lehr-Lernzusammenhängen betrifft die Idee des Sprachenrepertoires. Mit Rückgriff auf Gumpertz (1964) und Bakhtin (1981) wird SprachenrepertoireSprachenrepertoire z.B. bei Busch folgendermaßen definiert (2013: 20):

Das Repertoire wird als Ganzes begriffen, das jene Sprachen, Dialekte, Stile, Register, Codes und Routinen einschließt, die die Interaktion im Alltag charakterisieren. Es umfasst also die Gesamtheit der sprachlichen Mittel, die Sprecher_innen einer SprachgemeinschaftSprachgemeinschaft zur Verfügung stehen, um (soziale) Bedeutungen zu vermitteln.

Dieses Konzept ist der bislang eingebürgerten Vorstellung von MonolingualismusMonolingualismus diametral entgegengestellt, da es die scharfen Trennungen zwischen Ein- bzw. ZweisprachigkeitZweisprachigkeit/Bilingualismus wie auch generell die Vorstellung von klar voneinander abgrenz- und zählbaren Sprachsystemen (L1, L2) aufbricht und auf grundsätzlich vorhandene „heteroglossische RessourcenRessourcenheteroglossische“ verweist (↗ Art. 2).

Ein dritter wichtiger Aspekt betrifft den Zusammenhang von Sprache und Identität. Im angloamerikanischen Raum hat vor allem Norton auf die enge Verbindung von SprachenlernenSprachenlernen und IdentitätIdentität hingewiesen:

Whereas some linguists may assume, as Noam Chomsky does, that questions of identity are not central to theories of language, we as L2 educators need to take this relationship seriously. The questions we ask necessarily assume that speech, speakers and social relationships are inseparable. […] In this view, every time language learners speak, they are not only exchanging information with their interlocutors, they are also constantly organizing and reorganizing a sense of who they are and how they relate to the social world. They are in other words, engaged in identity construction and negotiation. (Norton 1997: 410)

Aus der Perspektive dieser soziokulturellen Theorien sind Sprachenlernende Mitglieder sozialer und historischer Gemeinschaften, die Sprache als dynamisches Werkzeug – nicht zuletzt zur Aushandlung von IdentitätIdentität – verwenden. Es ist bemerkenswert, dass die Entwicklungen in der Identitätstheorie und in den soziokulturellen Ausrichtungen von Spracherwerbsforschung (↗ Art. 51) und Didaktik der Sprachen durchaus konvergierende Züge aufweisen, wie im Folgenden dargestellt wird.

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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