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1.5 Text und StilStil

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Nach allem, was wir gegenwärtig aus der Stilistik1 und aus der Textlinguistik (Heinemann/Viehweger 1991) über die Ganzheitlichkeit des Stilphänomens und dessen Textbezogenheit wissen, kann man von einer – noch näher zu erklärenden – textkonstitutiven Funktion des Stils ausgehen. Dies bedeutet einerseits, dass Stil an den Text gebunden ist, dass es ihn nur im Textzusammenhang gibt und sprachliche Mittel außerhalb des Textes stilistisch nicht eingeordnet und bewertet werden können. Und es bedeutet andererseits, dass − ebenso wie der Stil auf den Textzusammenhang angewiesen ist − die reale Existenz eines Textexemplars auch vom Vorhandensein eines einheitlichen Stils abhängt. Ohne einheitlichen Stil kann man die Textmusterbezogenheit eines Textes, allem voran seine Funktion, nicht erkennen und daher seine Texthaftigkeit nicht bestätigt finden. Text und Stil bedingen einander. Wie lässt sich das begründen? Schon immer gab es in der Stilistik, vor allem in literarisch orientierten Stilauffassungen (vgl. Püschel 2000), Bezüge zum Text. Das beginnt bereits bei den Stilfiguren: Anapher (WiederaufnahmeWiederaufnahme derselben Ausdrücke am Anfang mehrerer Sätze oder Absätze), Epipher (Wiederaufnahme derselben Ausdrücke am Ende mehrerer Sätze oder Absätze) und Parallelismus (im engeren Sinne: gleichlaufende syntaktische Struktur) z.B. sind erst im Kontext mehrerer Sätze möglich, also textgebundene Erscheinungen. Die konsequente und theoretisch begründete Betrachtung der Bezüge von Stil und Text ist aber erst in modernen Stilauffassungen – funktionalen, pragmatischen, semiotischen – zum Thema geworden. Stil wird nun aus verschiedenen Perspektiven als ein deutlich textbezogenes Phänomen betrachtet. Diese Perspektiven sollen kurz angesprochen werden.

Die von der Prager Schule herkommende FunktionalstilistikFunktionalstilistikStilistikFunktionalstilistik (Fleischer/Michel 1975, Fleischer u.a. 1993), die Stil als ein durch außersprachliche Gegebenheiten bestimmtes Phänomen betrachtet, hat einen deutlichen Textbezug. Stil wird als eine sich erst im Text herausbildende Ganzheit betrachtet. Die drei zentralen Kategorien der Funktionalstilistik STILELEMENTStilelement, STILZUGStilzug und STILGANZES sind nur aus dem Textbezug zu verstehen. STILELEMENTE als kleinste Einheiten definieren sich durch ihre Mitwirkung am Stil des gesamten Textes im Sinne der Beziehung von Teil und Ganzem (Fleischer/Michel 1975: 53). Jedes sprachliche Mittel von den Satzzeichen über morphologische, syntaktische und lexikalische Elemente bis hin zu sprachlichen Bildern und Textstrukturen kann Stilelement werden und zum STILGANZEN beitragen. Zwischen Textganzem und einzelnen Stilelementen „vermitteln“ STILZÜGE wie ‚anschaulich, bildhaft, locker, knapp, sachlich‘, Charakteristika, die sich durch den gesamten Text ziehen und ihn stilistisch prägen. Sie konstituieren eine spezifische TextqualitätTextqualität, wobei zu beachten ist, dass dies in der Regel nicht die Leistung eines einzigen Stilzugs ist, sondern die Leistung mehrerer in einer spezifischen Kombination. Der Bezug zu Textsortenstilen wird von der FunktionalstilistikFunktionalstilistik zwar noch nicht in ihrer Anfangsphase, aber in ihrer späteren Entwicklung (Fleischer u.a. 1993) gesehen.

Für die pragmatisch-textlinguistische StilistikStilistikFunktionalstilistikStilistikGraphostilistikStilistik, wie man sie von Sandig (1978, 1986) vertreten findet und neuerdings in ihrer großen Arbeit zur „Textstilistik des Deutschen“ (22006) dezidiert unter dem Textaspekt vorgestellt bekommt, ist der Textbezug unentbehrlich. Stil wird hier mit dem Ansatz einer pragmatisch verstandenen Text- und Textmusterlinguistik (Sandig 2006: 3) und der ethnomethodologischen KonversationsanalyseKonversationsanalyse unter kognitiven und prototypischen Aspekten erfasst. „Stil ist Bestandteil von Texten, er ist die Art, wie Texte zu bestimmten kommunikativen Zwecken gestaltet sind.“ (Sandig 22006: 3)

So werden Texte außer den üblichen Beschreibungen anhand von Lexik, Grammatik, Lautung und Stilfiguren auch z.B. im Hinblick auf Thema, TextmusterTextmuster (Textsorten) oder Aspekte ihrer Materialität betrachtet. (Sandig 22006: 2f.)

Der weite Stilbegriff, der hier vertreten wird, bedeutet, dass Textsortenstile einbezogen und vollständige Stilinterpretationen ganzer Texte vor dem Hintergrund ihres gesellschaftlichen Handlungsbereichs vorgenommen werden. Stil verleiht mit Hilfe von „Struktur-Eigenschaften von Äußerungen bzw. Texten“ (Sandig 22006: 19) sozialen Sinn, d.h., durch die Sprachform wird mitgeteilt, „was die HandlungHandlung ist, wer sie [die Handelnden, U.F.] sind, wer der intendierte AdressatAdressat ist, was die Situation ist“ (ebd.).

Die Auffassung, dass Stil Bedeutung habe und Sinn vermittle, wird − in einem semiotischen stiltheoretischen Ansatz, bezogen auf literarische Texte – auch von Lerchner (2002a, b) vertreten. Auch bei ihm ist, was er mit Bedeutung und Sinn meint, strikt auf den Text bezogen. Er betrachtet Stil als an das komplexe Zeichen ‚Text‘ gebundene Information, die sich auf der Ebene der Form des Textes konstituiert. Diese sich aus den semantischen und strukturellen Beziehungen des Gesamttextes ergebende sekundäre Information – intersubjektiv und kommunizierbar – nennt er KONNOTATIVE TEXTPOTENZ und meint damit das Rezeptionsangebot, das nur über die Wahrnehmung der Form des Gesamttextes erfassbar ist und das emotional-assoziative Bewusstseinsprozesse auslöst. Textgebundenheit wird auch bei semiotisch orientierten Stilauffassungen vorausgesetzt, die ihr Augenmerk u.a. auf die Kategorie der ‚Gestalt‘ richten, eine Kategorie, die dann wichtig wird, wenn man Stil als Mittel der Sichtbarmachung und Hervorhebung versteht. Stilistischer Sinn im oben beschriebenen Verständnis „als ‚Bedeutung‘ der stilistischen Textstruktur“ (Sandig 1986: 25) oder als „konnotative Textpotenz“ (Lerchner 2002b) kann nur über die Form, die ‚Art des Machens‘ und die ‚Art des Gemachten‘, verdeutlicht und verstanden werden, d.h. durch die einem Stilwillen folgende einheitliche durchgehende Gestaltqualität (Fix 1996: 317).

So viel zur Textgebundenheit von Stil aus der Sicht der Stilistiker. Wie sieht es nun aber mit dem Blick der Textlinguistik auf das Verhältnis von Text und Stil aus? Gibt es, wie es eine Textgebundenheit von Stil gibt, auch eine Stilgebundenheit von Texten? Während es, wie gezeigt wurde, innerhalb durchaus verschiedener Spielarten der Stilistik einen Konsens über die Textgebundenheit von Stil gibt und die jeweilige Sicht auf die Textgebundenheit von entscheidendem Einfluss für die Etablierung des Kategorieninventars und für die Praxis der Stilanalyse ist, ist die Lage in der Textlinguistik deutlich anders. Zwar wird in der Regel „fraglos vorausgesetzt, dass dem Text Stil eignet“ (Püschel 2000: 479), es wird jedoch nicht ausgeführt, in welcher Weise das bewirkt wird. Stilfragen sind für Textlinguisten offensichtlich kaum von Interesse. Umso bemerkenswerter ist daher der resümeeartige Überblick, den Heinemann/Viehweger (1991: 255ff.) geben, und ganz besonders zu würdigen ist der knappe Hinweis Sowinskis (21999) auf den Stil als Element der Einheit des Textes. Seine Bemerkungen zum „charakteristischen Stil“ und zum „Stilbruch“ sagen in nuce das Entscheidende:

Das Erkenntnisinteresse ist […] in Stilistik und Textlinguistik ganz verschieden, dementsprechend sind es auch die Erschließungsmethoden. Wenn man allerdings innerhalb der Textlinguistik nach den konstituierenden Faktoren eines Textes fragt, die die Einheit eines Textes ermöglichen, so erweist sich auch der jeweils charakteristische Stil als ein solches textprägendes Mittel. Stilbrüche dagegen signalisieren mitunter textliche Verschiedenheiten. (Sowinski 21999: 10)

Die von Sowinski gebrauchte Kategorie ‚konstituierende Faktoren eines Textes‘ steht in inhaltlicher Nähe zu den Kriterien der Textualität. Wie man nun auch zu der oben angesprochenen Frage steht, ob man die Kriterien der Textualität um weitere ergänzen möchte oder nicht, die Einbeziehung des Kriteriums der stilistischen Einheit ist angesichts der Tatsache, dass diese den Text mit konstituiert, eine Notwendigkeit. STILISTISCHE EINHEIT als ein „textprägendes Mittel“ (Sowinski) gehört zum Textbegriff als ein textzentriertes Kriterium notwendigerweise hinzu.

Keinem Zweifel unterliegt es, dass Textoberfläche und -tiefenstruktur die unentbehrlichen zwei Seiten/Ebenen eines jeden Textes sind, und die Analysemöglichkeiten von KohäsionKohäsion und KohärenzKohärenz sind hinlänglich untersucht worden. Dass damit jedoch nicht schon alles Notwendige zur Sprachgestalt gesagt wird, ist möglicherweise noch nicht bewusst genug. Textkonstitutiv ist nicht nur die Existenz von Strukturen, Beziehungen und Bedeutungen. Es genügt nicht, diese zu konstatieren. Man muss vielmehr auch ein übergeordnetes Prinzip der Herstellung von KohäsionKohäsion und KohärenzKohärenz im Blick haben, das in der Einheitlichkeit der Wahl der Mittel besteht − mit dem Ziel, eine einheitliche „Textatmosphäre“ herzustellen und damit zum einen den individuellen Textstil zu kreieren, zum anderen aber auch, dem TextmusterTextmuster einer Textsorte und dessen sprachlich-formulativem Anspruch gerecht zu werden.

Während der erste Gesichtspunkt – Herstellung eines durchgehenden Werk- und Individualstils – hier vernachlässigt werden kann, er ist nicht zwingend bzw. häufig nicht signifikant, muss auf den Textsortenstil genau eingegangen werden. Es sollte bei der Betrachtung von Texten über die textgrammatischen und textsemantischen Fragestellungen hinaus auch darum gehen, dass ein Text sich in seiner Ausformung an seine Funktion, an die Intention, die er verfolgt, anpassen muss und dass er der Situation zu entsprechen hat, in der er als „kommunikative Okkurrenz“, als Element sprachlich-kommunikativen Handelns, verwendet wird (siehe Kap. 5). Alle Erscheinungen, die wir auf der Textoberfläche finden, sind von den Faktoren der Kommunikation bestimmt und an der Konstitution des Textstils beteiligt. Für die Frage nach der Berechtigung einer Textstilistik bedeutet das: Alles, was auf der Textoberfläche umgesetzt wird, folgt Stilprinzipien, die für den gesamten Text gelten. Dies muss in der Analyse berücksichtigt werden. Stil ist also ein Teil der Textbedingungen, weil er sich – dies ist der eine Teil der Begründung – erst im Text entfaltet und weil es ohne ihn – dies ist der andere Teil – ein klar erkennbares Textexemplar einer Textsorte nicht gäbe.

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