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2.2.2 Diskurslinguistik nach Foucault

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Wie bereits angemerkt, sind für die humanwissenschaftliche Prägung des Begriffs ‚Diskurs‘ die Arbeiten Michel Foucaults grundlegend. Jedoch verfolgt gerade Foucault das Projekt einer terminologischen Verunklarung, wie es übrigens vielen Texten des französischen Poststrukturalismus gemeinsam ist. Gegen die Annahme einer Geschlossenheit und Eindeutigkeit von Bedeutungen werden offene Konzepte, zerfaserte Kategorien und Vieldeutigkeiten zum Gegenstand und Verfahren des wissenschaftlichen Schreibens. Der Versuch, ‚Diskurs‘ nach Foucault zu definieren, scheitert daher regelmäßig. Wir müssen geradezu davon ausgehen, dass Foucault die bereits in der französischen Sprache vorhandene Mehrdeutigkeit des Substantivs discours für ein kaleidoskopartiges terminologisches Spiel nutzt. Bereits in seinem für die Diskurslinguistik zentralen Text „L’ordre du discours“ (1972, dt. 1974) finden sich unterschiedliche Bedeutungen des Terminus, wie z.B. Diskurs als GesprächGespräch, Abhandlung, Aussagenverbund, Handlungsstruktur.

Es ist nicht möglich, eine eindeutige Rekonstruktion des linguistisch relevanten Diskursbegriffs bei Foucault vorzunehmen. Durchaus sinnvoll ist es aber, einige seiner Annahmen als Ausgangspunkt einer Diskurslinguistik nach Foucault zu bestimmen. Die Präposition nach kann sowohl temporal als auch modal verstanden werden: in zeitlicher Nachfolge zu Foucault und in Anlehnung an seine Theorie und Methode.

Wir stimmen mit Foucault zunächst darin überein, dass der Diskurs eine „Gesamtheit von Zeichen“ (Foucault 1973: 74) ist, d.h. ein Aussagensystem. Foucault führt dies in der „Archäologie des Wissens“ (1969, dt. 1973) aus. Im gleichen Text findet sich auch der epistemologische Diskursbegriff, der den Diskurs als WissensformationWissensformation beschreibbar macht. Bis heute arbeitet die theoretische Diskurslinguistik an der Auflösung dieses Widerspruchs: Diskurs als Aussagensystem gegenüber Diskurs als Wissensformation. Bei aller Differenzierung der dabei eingenommenen Standpunkte stimmt man mit Foucaults Absage an geschlossene Kategoriensysteme überein. Es gibt danach keine eindeutige Semantik von Aussagen in Texten. Bedeutung und Wissen, die komplexe Organisation unserer Gedanken, all das, was wir wissen, was wir sagen und hören, wird als diskursiver Effekt, als Ergebnis von anonymen Formationen des Wissens verstanden.

Wörter verweisen also nicht auf eine verlässliche Bedeutung, sondern bedeuten etwas dadurch, dass sie in einem spezifischen diskursiven Umfeld erscheinen. Die Diskurslinguistik nach Foucault grenzt sich daher von semantischen Analysen ab, die Texte als alleinige Rahmenkonstruktionen für die Bedeutungsbildung annehmen. Abgelehnt werden auch Konzepte, die sprachliche Bedeutung als Resultat von individuellen Intentionen beschreiben. Deutlich werden kann das, wenn man versucht, die Bedeutung von Freiheit zu ermitteln. Man wird sehen, dass die Semantik von Freiheit nicht das Resultat einer Bedeutung in singulären Texten ist oder weil jemand darunter etwas Bestimmtes versteht oder verstehen will, sondern weil das Wort in einem komplexen Feld von Haltungen und Einstellungen, von sprachlichen Routinen, von Macht und Regulierung erscheint. Dieses Feld ist dynamisch, so dass die Bedeutung von Freiheit sich je nach Diskurszusammenhang ändert. Ja, wir können sogar sagen, dass vermeintlich eindeutige Bedeutungsdimensionen des Substantivs, wie seine Abgrenzung gegenüber Unfreiheit, äußerst fragil sind. Freiheit bedeutet in demokratischen Gesellschaftsordnungen etwas gänzlich anderes als in Diktaturen. Die Bedeutung von Aussagen verdichtet sich also im Diskurs. Wörter und Aussagen haben keine Bedeutung an sich, sondern Bedeutung ist ein diskursiver Effekt, die Stellung im Diskurs ist ausschlaggebend dafür, was eine Aussage bedeutet. Wenngleich man Foucault immer wieder dem so genannten Poststrukturalismus zurechnet, ist sein Diskursbegriff in dieser Hinsicht ganz strukturalistisch, denn eine der Grundannahmen des Strukturalismus lautet: Der Wert eines Elementes resultiert aus seiner Stellung im System. Beispielhafte Analysen von Freiheit in unterschiedlichen Texten können das verdeutlichen.

Foucault (1974) zeigt, dass die Zugehörigkeit einer Aussage zu einem Diskurs reguliert wird. Ein Feld von AkteurenAkteur regelt anonym und zumeist ohne unmittelbare Intention, was diskursiven Status erlangt und was nicht. Als Regeln nennt Foucault KONTROLLE, SELEKTIONSelektion, ORGANISATION und KANALISIERUNG. Wir werden uns damit noch befassen (siehe 2.4.2). Der Diskurs ist nicht nur ein intertextueller Effekt, sondern eben ein Mechanismus der Strukturierung dessen, was wann und wie gesagt und gedacht wird. Damit verbunden ist auch eine Frage nach der Beziehung von Akteuren, Wissen und Macht.

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