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2.2.3.3 Das Fallbeispiel »Cham Saar«

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Das Fallbeispiel Cham Saar, einer arabischen Käserei im Saarland, suggeriert schon durch den Namen einen nicht unerheblichen Teil des Geschäftskonzepts: die Verbindung zwischen der orientalischen und der europäischen Kultur. Der transkulturelle Entrepreneur im Team ist ein syrischer Geflüchteter, der auf dem saarländischen Georgshof anfangs zunächst größere Mengen an Milch bezog, um diese dann nach seiner Ankunft in Deutschland zu Käse weiterzuverarbeiten (Hartmann & Schilling 2019). Dies bewog die Inhaber des Georgshofs, zu dem transkulturellen Entrepreneur in geschäftlichen Kontakt zu treten, woraus der Entschluss resultierte, die erste arabische Käserei in Deutschland 2017 zu eröffnen. Mit dieser transnationalen Gründung der Cham Saar GmbH gelang es, in dem dicht besetzten und recht reifen Käsemarkt Europas mit vielen etablierten Käsesorten eine Marktlücke zu besetzen. Entscheidend hierfür war das käsespezifische Know-how des syrischen Refugee-Entrepreneurs, das es erlaubte, mit Chalali, Baladia oder Sourki Käsesorten zu produzieren und anzubieten, die jenseits der etablierten Geschmackskonzepte europäischer Sorten liegen. So zeichnen sich Käsesorten arabischen Stils vor allem dadurch aus, dass sie mit Blick auf die Säuernis, den Salzgehalt und die Festigkeit/Konsistenz über ganz andere Geschmacksnoten als in Europa etablierte Käsesorten verfügen. Dies spricht nicht nur die arabisch orientierten Bevölkerungsteile in Deutschland an, die anfänglich im Fokus standen, sondern erlaubt auch, einheimische Käseliebhaber zu akquirieren, was recht rasch anschließend gelang (Hartmann & Schilling 2019).

Durch die neu gegründete Gesellschaft wurde zugleich ein deutsch-syrisches Gründungsteam formiert, das eine wesentliche bessere Ressourcengrundausstattung ermöglichte. Zudem konnten Business Angels zur Bereitstellung von Beteiligungskapital gewonnen sowie lokale Gründungsförderung in Anspruch genommen werden. Durch die gezielte Bereitstellung naturgerechter und ökologisch nachhaltiger Wertschöpfungsstrukturen konnte die Grundlage geschaffen werden, die spezifischen arabischen Käsesorten über Deutschland hinaus rasch in andere europäische Ländermärkte einzuführen. Dies betrifft auch Länder wie Frankreich oder die Niederlande, die als europäische Hochburgen der Käseproduktion gelten. Eine solche Verbreitung im europäischen Kulturraum auch über Ländergrenzen belegt die transkulturelle Ausrichtung dieses Gründungsvorhabens.

Während die ökologische Nachhaltigkeit des Naturprodukts Käse, das in einem anfangs kleinen, nach erfolgtem Wachstum dann mittelgroßen Betrieb hergestellt wurde, offensichtlich ist, sind die gesellschaftliche und ökonomische Nachhaltigkeitsdimensionen erklärungsbedürftig. Die gesellschaftliche Nachhaltigkeit bezieht sich erstens auf die aus sozialer Sicht integrative Gründung eines syrischen Entrepreneurs und deutscher Partner. Zweitens ist das Gründungsteam auch unter Gender-Gesichtspunkten divers besetzt und gleichberechtigt aufgestellt. Ökonomisch ist ein Weg gefunden worden, auf organischem Wege zu wachsen und dabei qualitative wie quantitative Wachstumsaspekte zu harmonisieren (Hartmann & Schilling 2019). Für den Geschäftsaufbau von besonderem Interesse ist die Tatsache, dass Cham Saar nicht als Eco-Venture gegründet wurde, sondern die Nachhaltigkeit mehr oder weniger implizit und damit auf »natürlichem Wege« umgesetzt wurde. Nicht einmal der für 4athlet beobachtbare Nachfragesog oder Technologiedruck mussten Cham Saar auf eine nachhaltige Ausrichtung stoßen. Dies spricht für gesellschaftlich verankerte und/oder im Menschen angelegte Verhaltensweisen, die auf Nachhaltigkeit beruhen.

Das transnationale bzw. transkulturelle Profil von Cham Saar lässt sich wie folgt fixieren: Im Unterschied zu 4athlet ist eine interkulturelle Kompetenz des transkulturellen Entrepreneurs zwar eindeutig erkennbar, aber nicht geschäftsbestimmend. Dies ist eher seine »mixed embeddedness«, die anfangs dazu führt, sich vornehmlich auf seine eigene ethnische Bezugsgruppe zu fixieren. Zusammen mit den lokalen Entrepreneuren wird diese Fokussierung aber rasch relativiert und Zugang zu bestimmten Zielgruppen in Deutschland aufgebaut. Die interkulturelle Kompetenz, die im Gründungsteam noch Verstärkung erfährt, führt ihrerseits zu der Erkenntnis, den gesamten Kulturkreis auch ohne Rücksicht auf Ländergrenzen bedienen zu können. Insofern gehen im vorliegenden Fall netzwerkbezogene Ressourcen und Kompetenzen sowie kognitive Fähigkeiten beim Geschäftsaufbau und der Markterschließung Hand in Hand. Die Geschäftstätigkeit ist bei aller Kulturbezogenheit auf den arabischen Raum kulturverbindend – und damit in spezifischer Weise sozial nachhaltig – angelegt.

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