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2.3.4 Veränderung beschreiben mit Szenarien

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Eine weitere Möglichkeit, Veränderungen besser zu verstehen und Rückschlüsse für eine nachhaltige Unternehmensgründung zu ziehen, ist die Entwicklung oder Nutzung von Szenarien. Szenarioanalysen werden als Mittel zur Gewinnung und Synthetisierung von Expertenmeinungen über potentielle Zukünfte eingesetzt (vgl. Wright, 2019, 7). Die Szenarioanalyse wurde bereits in den 1950er bei der Rand-Cooperation angewandt, um unterschiedliche mögliche Zukünfte zu antizipieren (Wright, 2019, 7). Szenarien unterscheiden sich insofern von Prognosen, als dass sie mehrere unterschiedliche Zukünfte beschreiben und als Narrativ über extrapolierte Zahlen hinausgehen. Während sich Prognosen für kürzere Zeithorizonte (1-3 Jahre) anbieten, eignen sich Szenarien für Langfristbetrachtungen (mindestens 5 Jahre). Mit Szenarioanalysen werden mögliche zukünftige Entwicklungen, Ereignisse, Gefahren aber auch zukünftige Chancen ermittelt, diskutiert bewertet und als Entscheidungsgrundlage im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung genutzt. Szenarien können dabei für bestimmte Sektoren oder Branchen (z. B. Zukunft der Elektromobilität), Regionen (z. B. Waste Management in Berlin im Jahr 2050), bezogen auf Technologien (Bedeutung der Energieproduktion in der Lausitz im Jahr 2040) entwickelt und diskutiert werden. Zudem können in Szenarien auch Gefahren (z. B. Klimakatastrophen) und deren Konsequenzen (z. B. Einbruch der Tourismusindustrie durch ausgeprägte Waldbrände, eingeschränkter Luftverkehr durch starke Rauchentwicklung) diskutiert werden.

Über die Sammlung und Diskussion von Einflussfaktoren (z. B. Gesetzgebung, Verfügbarkeit von Ressourcen, Qualität der Infrastruktur, Ausmaß der Datensicherheit, Einstellung der Menschen zum Umweltschutz, Entwicklung der Rohstoffpreise) wird die Beeinflussung des betrachteten Sektors (z. B. Mobilität in Berlin in 2050) durch unterschiedliche Faktoren ermittelt und transparent. Insbesondere vor dem Hintergrund kurzer Produkt- und Technologielebenszyklen ist die systematische Entwicklung von Zukunftsbildern besonders wichtig, da sie die Grundlage bildet für Investitions- und Innovationsentscheidungen in der Gegenwart. Die Szenarioanalyse kann somit Ausgangspunkt für die Entscheidung sein, ein neues Geschäftsfeld zu entwickeln, um von teuren oder knappen Rohstoffen unabhängig zu werden oder den Aufbau neuer Lieferketten zu beschleunigen, da das Szenario die Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg bei wenig nachhaltigen Lieferketten durch einen signifikanten Rückgang der Verkäufe an umweltbewusste Kund/innen, die Ressourcenschonung vor den eigenen Konsumwunsch stellen, verdeutlich hat.

Die Szenarioanalyse bietet mit der Einflussanalyse (auch Vernetzungsanalyse) als Teilschritt innerhalb der Szenarioanalyse eine geeignete Methode an, die ein besseres Verständnis des jeweiligen Untersuchungsgegenstandes und seines Umfeldes verspricht. Die Einflussfaktoren können im Bereich »Ökonomie« liegen. Beispiele für Einflussfaktoren sind in diesem Bereich z. B. die Wettbewerbsintensität, das Auftreten neuer Wettbewerber/innen oder die Kooperationsfähigkeit der Unternehmen und Start-ups, die Entwicklung der Nachfrage, das Ausmaß der Kundenakzeptanz für Innovationen. Weitere Faktoren sind dem sozialen und kulturellen Bereich zuzuordnen, wie z. B. die Einstellung der Kund/innen zu Nachhaltigkeit oder demografische Entwicklungen. Innerhalb des Einflussbereiches »Technologie« werden Faktoren, wie z. B. die Geschwindigkeit technologischer Entwicklungen, Usability-Aspekte, mögliche Substitutions- und erforderliche Komplementärtechnologien, die Leistungsfähigkeit von Technologien, die Sicherheit von Technologien oder Performance einer ausgewählten Technologie zusammengefasst (vgl. auch die Darstellungen zur Umsetzung der Einflussanalyse z. B. in Fink, Schlake, Siebe, 2002; von Reibnitz, 1992, 2003). Auch politische oder regulatorische Veränderungen können unter einem Bereich zusammengefasst und Faktoren wie z. B. gesetzliche Bestimmungen und Richtlinien oder die staatliche Förderung ausgewählter Technologie- und Themenfelder umfassen. Weitere Faktoren können z. B. die Verfügbarkeit von Fachkräften für das Unternehmen oder Start-up sein oder die Verfügbarkeit entscheidender Rohstoffe. Im Rahmen einer Einflussanalyse (anderer Begriff: Vernetzungsanalyse) werden nun die Faktoren ermittelt, die einen besonders starken Einfluss auf das Unternehmen oder Start-up im Sinne einer Hebelwirkung haben sowie Faktoren, die stark mit allen anderen Faktoren vernetzt sind (Systemknoten) (vgl. z. B. Mietzner, Hartmann 2017, 14-15).

Im Rahmen einer Einflussanalyse wird der Einfluss der Faktoren untereinander mit Hilfe einer Matrix bewertet und es werden Aktiv- und Passivsummen gebildet, die anzeigen, wie stark einzelne Faktoren andere Faktoren antreiben oder angetrieben werden. Von Interesse für die weitere Analyse sind die Faktoren mit besonders hohen Aktivsummen (Hebel) und Faktoren mit hohen Aktiv- und Passivsummen (Systemknoten). Diese Analyse unterstützt die Auswahl von max. 10-12 Schlüsselfaktoren. Sollen eigene Szenarien entwickelt werden, geschieht dies auf der Grundlage der ermittelten Schlüsselfaktoren, für die in einem nächsten Schritt Projektionen, also unterschiedliche mögliche zukünftige Entwicklungen abgeleitet werden. In die Projektion fließen auch die in Megatrends beschriebenen Entwicklungen ein. Ein Szenario kann bspw. durch Effekte der Shared Economy oder durch neue Formen der Arbeit beeinflusst werden oder die Auswirkungen des demographischen Wandels als ein wesentliches Element zu Grunde legen. Für die Entwicklung von Projektionen zu ausgewählten Schlüsselfaktoren können Expert/innen (z. B. Technologieexpert/innen) in Form von Interviews einbezogen werden. Sie können über Branchenverbände identifiziert werden aber auch insbesondere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, wie z. B. Fraunhofer-Institute, sind typische Anlaufstellen für die Identifikation von Expert/innen.

Auch das Beobachten der Start-up-Aktivitäten (z. B. mit Hilfe des Start-updetectors, www.startupdetector.de) und Signalen gibt häufig Aufschluss über neue technologische Entwicklungen, da Start-ups neue Technologien in eine Anwendung überführen und Gründer/innen über ein ausgeprägtes Überblickswissen im jeweiligen Technologiefeld verfügen (vgl. Mietzner, Hartmann, 2017, 23). Durch das Clustern der ermittelten Zukunftsprojektionen entstehen unterschiedliche Szenarien, die unterschiedliche mögliche Zukunftsbilder beschreiben. Die Untersuchung des Geschäftsmodells vor dem Hintergrund unterschiedlicher Szenarien erlaubt das Ableiten strategischer Optionen als Grundlage für konkrete Maßnahmen, die priorisiert werden müssen und durch Projektsteckbriefe und Arbeitspakete operationalisiert werden. Dabei wird z. B. das aktuelle Geschäftsmodell vor dem Hintergrund von Szenarien geprüft. Dabei empfiehlt es sich, jedes der entwickelten Szenarien zu untersuchen, um Chancen zu erkennen, aber auch um mögliche Risiken wahrzunehmen und entsprechende Reaktionen abzuleiten. Der hier präsentierte kurze methodische Überblick verdeutlicht, dass die Entwicklung von Szenarien ein komplexer Prozess sein kann, der ein gewisses Methodenverständnis voraussetzt. Neben dem hier vorgestellten Vorgehen sind weitere methodische Ansätze möglich. Auch die Auseinandersetzung mit vorhandenen Szenarien, die z. B. durch Branchenverbände entwickelt wurden, kann eine Grundlage bilden, um mögliche Veränderungen in der Zukunft zu diskutieren und diesen Wandel zu gestalten. Leitszenarien können dabei einen strategischen Rahmen vorgeben, der die Ableitung von Handlungsoptionen in der Gegenwart im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung unterstützt.

Bei der Entwicklung von Szenarien geht es nicht vordergründig um eine möglichst genaue Treffsicherheit eines Szenarios. Die Zukunft ist ungewiss und auch mit Szenarien wird es nicht möglich eine Zukunft »vorherzusagen«. Ziel der Szenarioanalyse ist vielmehr die Auseinandersetzung mit Einflussfaktoren, die – je nach ihrer möglichen Entwicklung – unterschiedliche Zukunftsentwicklungen visualisieren helfen. Wichtig ist zu diskutieren, wie sich z. B. starke Einschränkungen im Luftverkehr auf die Art des Reisens und damit verbundenen Aktivitäten auswirken, unabhängig davon, ob ein Vulkanausbruch, ein lang andauernder Streik oder Reisebeschränkungen aufgrund einer Pandemie die Ursache dafür sind. Durch die Diskussion dieses Szenarios können Ideen für alternative Produkte und Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle entstehen.

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