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2.3 Veränderung gestalten – Nutzen und Wirkung von Trendbetrachtungen, Signalen und Szenarioanalysen für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung Dana Mietzner 2.3.1 Treiber von Veränderungen
ОглавлениеZentrale Treiber von Veränderungen sind z. B. der demographische Wandel, veränderte gesellschaftliche Werte, die Digitalisierung mit ihren Auswirkungen auf nahezu alle Bereiche des Lebens und Wirtschaftens oder ein verändertes und zunehmend stark auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Konsumverhalten. Sie beeinflussen signifikant die Handlungsweisen, die Entwicklung und das Angebot von Produkten und Dienstleistungen sowie die Gestaltung der Geschäftsmodelle von Start-ups aber auch etablierten Unternehmen. Die Auswirkungen des dynamischen sozialen, rapiden technologischen aber auch kulturellen Wandels kann besonders im Bereich der digitalen Technologien (Telekommunikations- und Informationstechnologien, Netzwerke und Künstliche Intelligenz) beobachtet werden (vgl. Pelton, 2019, 64). Ein Beispiel dafür ist die Musikindustrie, die im Jahr 2003 mit dem iTunes Store von Apple (damals noch iTunes Music Store) die Art des Konsums, der Sammlung und Verbreitung von Musik durch die kostenpflichtige Bereitstellung von Musiktiteln im MP4-Format revolutionierte und auch für den iPod (Apple music player) eine entsprechende Marketingplattform darstellte. Inzwischen ist dieses früher sehr erfolgreiche Geschäftsmodell überholt und wurde von Streaming Diensten wie Spotify oder Deezer abgelöst (vgl. Châlons, Duft, 2016, 20), die unter einigen Einschränkungen (Werbeunterbrechung, reduzierte Qualität) auch einen kostenlosen Musikkonsum ermöglichen. Digitale Technologien haben eine Vielzahl von weiteren Branchen verändert, wie z. B. den Bankensektor mit FinTechs oder den Gesundheitsbereich mit einem Angebot an digitalen Gesundheitsapplikationen oder Plattformen, wie z. B. der Corona-Warn-App, Apps zur Unterstützung des Umgangs mit Allergien, Migräne, psychischen Problemen oder Apps als Begleiter in der Schwangerschaft. Digitale Technologien, wie z. B. im Bereich der Künstlichen Intelligenz, das Internet der Dinge, die Robotik oder das Cloud Computing, ermöglichen eine vernetzte Welt, aber auch neue Formen der Arbeit (z. B. Remote Working, Coworking), Kollaboration und automatisierte Prozesse (vgl. Urbach, Röglinger, 2018, 2). Die meisten dieser Technologien sind nicht per se revolutionär; sie bilden aber durch die kontinuierliche Erhöhung ihrer Performance, deutlich bessere Netzwerkverbindungen sowie durch eine breite Verfügbarkeit und Nutzung die Grundlage für Innovationen (vgl. Urbach et al., 2019, 123). Das Geschäftsmodell von Twitter verdeutlicht diesen Zusammenhang. Twitter hat die Art der Sammlung, Aufbereitung und Verbreitung von Informationen ohne Nutzung einer eigenen neuen Technologie verändert, indem es vorhandene und sich schnell entwickelnde Technologieplattformen nutzt (vgl. Downes, Nunes, 2013, 48). Auch Airbnb, eine der größten Vermietungsplattformen, besitzt keines der angebotenen Zimmer, keine Wohnungen oder Häuser, genauso wie Uber kein eigenes Taxi besitzt (vgl. Goodwin, 2015) oder Paul Camper, eine Plattform für den Wohnmobilverleih von privaten Eigentümern und Eigentümerinnen, kein eigenes Wohnmobil. Möglich wird das Auffinden der Angebote auch hier durch leistungsfähige digitale Plattformen, neue Möglichkeiten durch Big Data und soziale Netzwerke, um die Verfügbarkeit und Qualität zu prüfen, Anbieter/innen und Nachfrager/innen zusammenzuführen sowie Buchung, Abwicklung und Zahlung sicher, schnell und komfortabel zu unterstützen. Dabei setzen die Start-ups und Betreiber/innen dieser Plattformen ohne den Besitz der eigentlichen Güter vorhandene Branchen und herkömmliche Geschäftsmodelle nachhaltig unter Druck. Sowohl Airbnb als auch Uber oder Paul Camper nutzen die Prinzipien einer Sharing Economy oder der sog. »Collaborative Consumtion«, die durch neue Konsummuster mit positiven Effekten für eine ökologische Nachhaltigkeit geprägt wird (vgl. Heinrichs, Grundenberg, 2012). Dabei favorisieren Nachfrager/innen die Möglichkeit der Miete oder des Nutzens bei Bedarf anstelle des privaten Besitzens. Gleichzeitig erfordert dies die Bereitschaft der Anbieter/innen, die eigene Wohnung, das eigene Auto oder Wohnmobil anderen, z. B. gegen eine Nutzungsgebühr, zur Verfügung zu stellen. Während früher der Besitz eines oder mehrerer Autos noch als Statussymbol galt, bevorzugt die Generation der »Millennials« Angebote wie car2go, Uber, den E-Scooter-Verleih von Start-ups wie TIER oder Jump (vgl. auch Millennials und die Sharing Economy in: Arthursson, 2013).
Etablierte Unternehmen aber auch Start-ups stehen somit vor der Herausforderung, technologische Entwicklungen und Möglichkeiten aber auch gesellschaftliche Veränderungen kontinuierlich zu beobachten, frühzeitig wahrzunehmen, zu bewerten, resultierende Innovationspotenziale zu nutzen aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Produkte und Dienstleistungen sowie die Tragfähigkeit des jeweiligen Geschäftsmodells fortwährend auf den Prüfstand zu stellen. Die Auswirkungen des Klimawandels, Luftverschmutzung, Verschmutzung der Meere oder der CO2-Gehalt der Atmosphäre haben die Umsetzung neuer Konsummuster, ein verändertes Konsumverhalten bei einer immer größer werdenden Gruppe an Verbraucher/innen ausgelöst. Auf der Seite der Unternehmen wächst der Druck, Rohstoffquellen, Lieferketten und Geschäftsmodelle nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch nachhaltig zu gestalten. Der Begriff ökologische Nachhaltigkeit umfasst den Schutz der Umwelt, indem alle Umweltsysteme der Erde im Gleichgewicht gehalten werden und die Umweltbelastungen auf ein Minimum reduziert werden. Dabei sollten die natürlichen Ressourcen nur in dem Maße verbraucht werden, wie sie auch in gleicher Zeit wieder nachwachsen (vgl. Brikwedde, 2010, 47). Eine ökonomische Nachhaltigkeit wird mit Wirtschaftssystemen in Verbindung gebracht, die auch langfristig betrieben werden können durch einen verantwortungsvollen Umgang mit menschlichen und natürlichen Ressourcen (vgl. Müller, 2015, 2).
Der Wandel hin zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft erfordert neue Produktions- und Konsummuster. Ein wichtiger Baustein ist dabei die Entwicklung, Umsetzung und Verbreitung neuer und verbesserter Produkte, Dienstleistungen und Prozesse, die z. B. Ressourcen schonen, die Freisetzung schädlicher Umweltgifte minimieren und Klimaneutralität versprechen (vgl. Typen von Eco Innovationen, in: O’Brien, Miedzinski, 2013, 2).
Neben den Treibern der Veränderung wie der Digitalisierung oder neuen Konsummustern sehen sich Start-ups und Unternehmen mit einem globalen Wettbewerb konfrontiert, einer raschen weltweiten Akkumulation und Verbreitung von Wissen mit der Notwendigkeit, möglichst schnell zu innovieren, oftmals kollaborativ in einem Netzwerk von spezialisierten Partner/innen. Bei der Gründung eines Start-ups als einer Möglichkeit der Kommerzialisierung von Innovationen geht es dabei aber nicht nur um schnelles Wachstum und einen baldigen Exit, sondern auch um Kreativität, Phantasie, Flexibilität und eine konzeptionelle Denkweise, Risikobereitschaft sowie um die Fähigkeit, Veränderungen und neue Anforderungen als Chance zu sehen und zu nutzen (vgl. Oko et al., 2015, 1116).
In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, wie durch die systematische Betrachtung und Bewertung von Trends, Signalen und die Auseinandersetzung mit Szenarien möglichst frühzeitig Chancen aber auch Risiken erkannt und für eine sowohl ökonomisch als auch ökologisch nachhaltige Gestaltung, Gründung und Entwicklung von Unternehmen genutzt werden können.