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3.3 Diskussion

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Die Interviews mit den Menschen mit Behinderung verdeutlichen zusammenfassend, dass das Äußern und die Umsetzung von Wohnwünschen nicht selbstverständlich sind. Barrieren, die dies einschränken oder verhindern, ergeben sich vor allem aufgrund von Umweltfaktoren. Hierzu gehören

• der Wohnungsmarkt, bei dem nur sehr eingeschränkt barrierefreier Wohnraum zur Verfügung steht,

• die Frage der Sicherung des passenden Unterstützungsarrangements, das nicht überall vorhanden ist und vielfach mit dem Wohnangebot verknüpft ist,

• der eingeschränkte Zugang zu Informationen über Wohnangebote und Beratungsangebote, die nicht immer gut auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet sind,

• aber auch Anforderungen in Bezug auf Selbstständigkeit, die beispielsweise beim Umzug in ein ambulantes Wohnangebot erfüllt sein müssen, sowie

• eigene Vorstellung von Angehörigen, rechtlichen Betreuer*innen oder anderen Personen aus dem persönlichen Umfeld, die eigene Vorstellungen haben oder Wünsche in Frage stellen.

Diese Barrieren können die Äußerung von Wohnwünschen, aber auch deren Umsetzung erschweren oder auch verhindern. Selten sind bei den befragten Personen eigene Wohnwünsche der Grund, über Wohnveränderungen nachzudenken, es sind vielmehr veränderte und zwar zumeist erhöhte Unterstützungsbedarfe der Person, die dazu führen. Anhand der Aussagen wird deutlich, dass Wohnveränderungen aufgrund eines veränderten Unterstützungsbedarfs sowohl von Mitarbeitenden und infolge auch Menschen mit Behinderung als alternativlos betrachtet werden, die sich somit nahezu zwangsläufig aus der Situation »ergeben«.

In den Beschreibungen der professionellen Akteur*innen und Expert*innen lassen sich vielfältige Unterstützungsleistungen in Bezug auf Wohnwunschermittlungen und Wohnveränderungen identifizieren. Zugleich wird deutlich, dass auch hier Grenzen gesetzt sind, weil Wohnalternativen z. B. in den Angeboten des eigenen Trägers gesucht oder Kostengesichtspunkte und Rahmenbedingungen das freie Denken und das offene Erfragen von Wohnwünschen einschränken oder verhindern. Die Einbeziehung von Peer-Beratung wird gewünscht, hierzu fehlt es aber an konkreter Umsetzung bzw. an Aussagen, wie eine Einbindung gut erfolgen kann. Zudem gibt es auch personenbezogene Faktoren, die sich als Herausforderung oder Barriere zeigen, wie die Aussage, dass Erfahrungen mit und dadurch Vorstellungen von möglichen alternativen Wohnmöglichkeiten fehlen oder Entscheidungen durch kognitive Beeinträchtigungen, wie fehlende Vorstellungen über die Zukunft, erschwert sind.

Menschen mit Komplexer Behinderung, die sich nicht verbalsprachlich äußern, wurden in diese retrospektive Befragung nicht einbezogen ( Kap. 3). Aus den Aussagen der professionellen Akteur*innen und Expert*innen wird aber deutlich, dass in Bezug auf die Wohnwunschermittlung mit diesem Personenkreis noch weitere Herausforderungen bestehen. So wird auf fehlende Erhebungsinstrumente und auch auf die Schwierigkeit hingewiesen, dass vielfach keine Erfahrungen und damit kaum Vorstellungen von alternativen Wohnformen vorliegen, so dass Wünsche nicht geäußert und Wahlmöglichkeiten nicht vermittelt werden können. Mit Blick auf den Aspekt der Lernerfahrung wird aber auch deutlich, dass Selbstbestimmung und Entscheidungsfähigkeit nicht einfach vorausgesetzt werden können, sondern Rahmenbedingungen erfordern, die diese ermöglichen. Damit einher geht nicht nur eine Lernerfahrung für Menschen mit Behinderung, sondern auch für die sie begleitenden Personen. So erleben Menschen eine Selbstwirksamkeit dadurch, dass ihnen Entscheidungen ermöglicht, diese wertgeschätzt und umgesetzt werden. Die sie begleitenden Menschen lernen dadurch, was der Person wichtig ist und welche Vorlieben und Interessen sie hat. Ausreichende personelle und zeitliche Ressourcen, die eine gute Umsetzung des Prozesses ermöglichen, werden dabei angemahnt.

Als hilfreich und unterstützend wird der Prozess aus Sicht der Menschen mit Behinderung erlebt, wenn Sie umfassend einbezogen sind: in Beratungssituationen und auch in der Umsetzung eines Wohnwunsches bis hin zum eigentlichen Umzug. Hier geht es auch um die Bestärkung eigener Vorhaben und die direkte Hilfe bei der Suche von Wohnungen, bei behördlichen Fragen, der Planung und Durchführung eines Umzugs und der Umorientierung.

Die hier dargestellten Ergebnisse bestätigen den aktuellen Forschungsstand ( Kap. 9). Zu bedenken ist an dieser Stelle, dass sich die hier vorliegende Ausgangsanalyse explizit auf Wohnveränderungen bezogen hat, die aus Sicht der interviewten Personen aus verschiedenen Wohnangeboten unterschiedlicher Träger als gelungen beschrieben wurden. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die Situation für andere Menschen mit Behinderung ähnlich, wenn nicht sogar verschärft darstellt. Somit zeigen sich noch vielfältige Handlungserfordernisse, damit die Umsetzung des Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention, der sich auf die Zusicherung des Wunsch- und Wahlrechts in Bezug auf das Wohnen bezieht, tatsächlich Realität wird.

Wohnwunschermittlung bei Menschen mit Komplexer Behinderung

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