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Zweiter Brief.
Euphranor an Palemon.

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Das dunkele Gefühl befördert unsre Glückseligkeit. Der Affect verschwindet, wenn alle Begriffe deutlich werden. Wie weit sich die Vernunft in unsre Ergötzlichkeiten mischen soll. System einer jugendlichen Sittenlehre.

Mein voriges Schreiben ist noch unbeantwortet. Palemon überläßt mich der Unruhe, in die mich sein letzter Brief gesetzt hat. Was soll ich hiervon dencken? Hat meine traurige Ahnung eingetrofen? Oder hastu die Art der spröden Dirnen, die sich ein boshaftes Vergnügen machen, ihre Liebhaber mit eifersüchtigen Gedanken zu quälen? Doch vielleicht keines von beyden. Vielleicht daß du dir Zeit lassen willst, | meine Gründe zu prüfen, und sie entweder anzunehmen, oder zu widerlegen. Ist dieses; so gebe ich dir hier mehrere Gründe zu bedencken, ehe du entscheidest.

Wir würden unglücklich seyn, wenn sich alle unsre Empfindungen auf einmal zu reinen und deutlichen Vorstellungen aufheiterten. Die Schönheit beruhet, nach dem Ausspruche aller Weltweisen in der undeutlichen Vorstellung einer Vollkommenheit: Lust und Freude, ja die stille Zufriedenheit selbst, wircken nur matt auf unsre Seele, wenn sie nicht von einer süssen Wallung des Geblüts, und von verschiedenen Bewegungen der Gliedmassen begleitet werden. Diese holde Bewegung ist eine Tochter des Affects, und der Affect ist nothwendig mit einer dunkeln Vorstellung verknüpft. So unzertrenlich ist | das Gefühl; so unzertrennlich ist die dunkele Vorstellung von unsrer Glückseligkeit.

Wenn wir den Sturm einer unangenehmen Leidenschaft besänftigen wollen; so befiehlt uns die Vernunft, über die Ursachen unsres Misvergnügens nachzudenken, und die Begriffe aufzuklären. Nur diese finstere Wolken sind es, aus denen das Ungewitter entsteht; und || wenn es in unsrer Seele heiter wird, so verschwindet das Toben der Leidenschaft. Hat es aber mit den angenehmen Empfindungen eine andre Beschaffenheit? O nein! Sie haben eben dasselbe Schicksal, wir fühlen nicht mehr, sobald wir denken. Der Affect verschwindet; sobald die Begriffe deutlich werden.

Die ihr für euere Glückseligkeit besorgt seyd, lasset euch von der Vernunft den Gegenstand eueres Vergnügens auslesen. | Ohne sie könntet ihr blindlings wehlen, oder euch in euerer Wahl betriegen. Trauet den Reitzen nicht, die sie verwirft. Umarmet diese nur, die sie gut heißt; ja laßt sie euerm Genusse Maaß und Ziel vorschreiben. Wenn sie aber die Braut zugeführet hat; so muß sie bescheiden zurück weichen, um euch nicht durch einen unbesonnenen Vorwitz in dem Genusse zu stöhren.

Der gütige Schöpfer hat nicht umsonst mit diesem dunkeln Gefühl einen Reitz verbunden, nicht umsonst in jede sichtbare Schönheit die Fähigkeit gelegt, dieses Gefühl zu beleben. Wir sollen fühlen, geniessen, und glücklich seyn.

Liebster Palemon! Dieses ist das System meiner jugendlichen Sittenlehre, die Richtschnur meines Wandels. Die Natur hat deine männlichen Jahre noch mit einem | zarten Gefühle gesegnet. Strenge deine Kräfte an, es empfindlicher zu machen. Es ist die Quelle deiner Glückseligkeit. Mache, wenn du kannst, die Empfindung der Schönheit lebhafter, aber hüte dich, sie in deutliche Vorstellungen zu verwandeln. Welcher Unterscheid zwischen diesen beiden Aussprüchen: dieser Gegenstand ist schön, dieser Gegenstand ist wahr! | ||

Moses Mendelssohn

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